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Felix Maria Arnet

30 Minuten

Gescheit scheitern

© 2017 SAT.1 www.sat1.de Lizenz durch ProSiebenSat.1 Licensing GmbH, www.prosiebensat1licensing.com

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlaggestaltung: die imprimatur, Hainburg

Umschlagkonzept: Martin Zech Design, Bremen

Autorenfoto: Simon Stobbe, Eschborn

Lektorat: Eva Gößwein, Berlin

© 2017 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2017 erschienenen Buchtitel »30 Minuten Gescheit scheitern« von Felix Maria Arnet, ©2017 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Hinweis:

Das Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-766-8
ISBN epub: 978-3-95623-482-8

In 30 Minuten wissen Sie mehr!

Dieses Buch ist so konzipiert, dass Sie in kurzer Zeit prägnante und fundierte Informationen aufnehmen können. Mithilfe eines Leitsystems werden Sie durch das Buch geführt. Es erlaubt Ihnen, innerhalb Ihres persönlichen Zeitkontingents (von 10 bis 30 Minuten) das Wesentliche zu erfassen.

Kurze Lesezeit

In 30 Minuten können Sie das ganze Buch lesen. Wenn Sie weniger Zeit haben, lesen Sie gezielt nur die Stellen, die für Sie wichtige Informationen beinhalten.

image Alle wichtigen Informationen sind blau gedruckt.

image Zahlreiche Zusammenfassungen innerhalb der Kapitel erlauben das schnelle Querlesen.

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image Ein Fast Reader am Ende des Buches fasst alle wichtigen Aspekte zusammen.

Inhalt

Vorwort

1. Zitronen!

Scheitern gehört zum Leben

Die Krise der Leistungsgesellschaft

Vom Nutzen des Scheiterns

2. Beautiful Losers

Die gescheit Gescheiterten

Ein Phänomen der Moderne

Unser ständiger Begleiter

3. Wenn unsere Welt zerbricht

Was verändert das Scheitern?

Drei Phasen des Scheiterns

Das richtige Notfallprogramm

4. Wenn nichts mehr geht

Der Schritt aus der Krise

Radikale Akzeptanz

Einen Copiloten finden

Den Helikopterblick üben

Die Scheiter-Map

5. Persönliches Wachstum

Ins Tun kommen

Ziel neu fixieren

Fail-forward-Strategie

Neustart

Fast Reader

Der Autor

Weiterführende Literatur

Vorwort

Scheitern passiert – täglich, stündlich, jedem. Es ist ein Alltagsphänomen und gehört zum Leben wie Atmen, Essen und Schlafen. Durch die Erfahrung des Scheiterns und indem wir daraus lernen, werden wir vom Säugling zum Baby, zum Kleinkind, zum Schulkind, zum Halbstarken und schließlich zum Erwachsenen.

Wer von uns das Glück hat, in einem kreativen und innovativen Beruf zu arbeiten, kennt und schätzt das Prinzip von Trial and Error, von Versuch und Irrtum, als Methode des Erkenntnisgewinns und Fortschritts.

In Wissenschaft, Kunst und Literatur begeistern uns die ergreifendsten Werke, die „Beautiful Losers“ darstellen oder von solchen „schön Gescheiterten“ geschaffen wurden: Diogenes und Jesus Christus, Galileo Galilei und Vincent van Gogh, Jeanne d’Arc und Madame Butterfly, Karen Blixen und Marilyn Monroe … die Reihe lässt sich endlos fortsetzen.

Dennoch ist Scheitern das „große Tabu der Moderne“, wie der Soziologe Richard Sennett feststellt (Sennett, Der flexible Mensch, Berlin 1998, S. 159). Wohlgemerkt: nicht das letzte, sondern das große Tabu der Moderne. Scheitern als Schande ist ein eher neues Phänomen. So wird Scheitern wahrgenommen in einer Welt, in der Wachstum normal, Erfolg Pflicht und Glück nicht Zufall ist, sondern Ausdruck eines Lebensgefühls. The only way is up! Es geht nur vorwärts, schneller, höher, weiter!

Zudem ist im Zeichen der persönlichen Selbstverwirklichung ein ganzes Spektrum an Rollen entstanden, in denen jeder von uns brillieren möchte: Wir wollen nicht nur im Beruf erfolgreich, sondern auch gute Eltern sein. Wir wollen für unsere Freunde sein wie ein Fels in der Brandung. Wir wollen gut lieben, aber auch gut zuhören können. Wir wollen sportliche Erfolge einheimsen, möglichst in einer coolen Disziplin, wir wollen stylish aussehen, die angesagten Bücher, Filme, Songs kennen … Die komplexe Welt, in der wir uns selbst zu verwirklichen suchen, hält für uns bei dieser um ein Vielfaches multiplizierten Suche nach Erfolg und Glück Tausende Fallstricke bereit. Die Ironie: So sehr Scheitern ein Tabu der Moderne ist, so sehr ist es doch auch ein Phänomen der Moderne.

Dieses Buch ist eine Hilfestellung für alle, die ihre Scheu vor Misserfolgen und Niederlagen überwinden wollen, um zu lernen, schön zu scheitern. Oder vielmehr: gescheit zu scheitern – denn natürlich ist es nicht schön, zu scheitern. Aber unvermeidlich und lehrreich.

Das Rezept für eine gesunde Haltung gegenüber unserer Fehlbarkeit und Verletzlichkeit liefert dieses Buch. Lesen Sie es achtsam, selbst wenn Sie – wie es dieses Format anbietet – querlesen oder in Etappen.

Viele inspirierende Erkenntnisse wünscht Ihnen

Felix Maria Arnet

1. Zitronen!

„Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade daraus.“ Eigentlich gibt es genug kluge Sprichwörter, die den Umgang mit Niederlagen, Misserfolgen und dem Scheitern an sich lehren. Man müsste sie nur mal ernst nehmen, um ihre Weisheit zu erkennen. Tun wir das und nehmen wir dieses Sprichwort einmal minutiös auseinander: Wenn das Leben dir Zitronen gibt …

Zitronen sind etwas Normales, Alltägliches. So wie das Scheitern. Es kommt vor.

Zitronen sind nicht gerade rar, kostbar oder begehrt. So ist es auch mit dem Scheitern. Keiner ist wirklich scharf darauf.

Zitronen sind sauer, nicht besonders nahrhaft und noch dazu haben sie lästige Kerne. Aber sie enthalten viele Vitamine. So auch das Scheitern.

Was steckt noch in dem Sprichwort? Mach etwas daraus, und zwar etwas Gutes, im Falle der Zitronen Limonade. Wichtig dabei: Mach! Sei aktiv, reagiere, bleib Herr der Lage.

1.1 Scheitern gehört zum Leben

Im Grunde lernen wir schon von klein auf, mit dem Scheitern umzugehen. Genauer gesagt: Wir müssen es gar nicht lernen, es ist uns gegeben. Wir kommen ins Leben und können so gut wie nichts. Alles, was wir uns aneignen, erarbeiten wir uns durch bewusstes Scheitern. Das funktioniert so:

Wir probieren etwas aus. In der Regel klappt es nicht gleich beim ersten Mal. Also versuchen wir es erneut. Klappt wieder nicht. Mist! Egal. Ich will es schaffen! Also auf, noch einmal! Dieses Mal ein bisschen anders. Ha, geht doch schon besser! Aber noch nicht ganz. Kurze Pause. Ich weiß, ich kann es schaffen. Und los!

Trial and Error

Einige von uns genießen den Vorzug, diese Praxis ihr ganzes Leben lang üben zu dürfen. Trial and Error, Versuch und Irrtum, ist eine erprobte und selbstverständlich etablierte Methode in allen Bereichen, in denen kreativ, also schöpferisch gearbeitet wird: Wissenschaft, Forschung, Produktentwicklung. Die sogenannte heuristische Methode bezieht das Scheitern ausdrücklich mit ein.

Viele der großen, bahnbrechenden Erfindungen waren tatsächlich anfänglich Fehler, Misserfolge. Von Penicillin über die Röntgenstrahlung bis zum Post-it – sie alle sind zufällige Entdeckungen, ungewollte Nebenprodukte von Versuchen, die eigentlich etwas anderes zum Ziel hatten, aber daran gescheitert sind, um dann doch etwas zu finden, oft sogar etwas viel Großartigeres. Der Wissenschaftler spricht da von Serendipität.

Ähnliches gilt übrigens für die Welt des Sports. In keiner anderen Sphäre gilt so konsequent wie dort: Es kann nur einen geben, einen Sieger, einen Champion, einen Weltmeister. Alle anderen sind gescheitert. Wie wäre Sport auf Wettkampfniveau denkbar, wenn die Verlierer nicht wieder zum Training anträten, um das nächste Mal auf dem Siegerpodest zu stehen? Mehr noch: Wir feiern gerade die Außenseiter, wenn sie siegen, drücken gerade den Underdogs leidenschaftlich die Daumen und freuen uns über faire Verlierer.

Das Tabu Scheitern

Ist es nicht erstaunlich, dass das Scheitern trotzdem tabuisiert ist? Ist es nicht geradezu dumm?

Wenn Thomas Alva Edison sich das zu Herzen genommen hätte, hätten wir keine Glühlampe. Wenn Henry Ford sich von den entmutigenden Einschätzungen seiner Vorgesetzten bei – ausgerechnet! – der Edison Company über seine Arbeit hätte beeinflussen lassen … Wenn Pablo Picasso von der beißenden Kritik seiner Zeitgenossen beeindruckt gewesen wäre …

Oder Elvis Presley davon, dass er nach seinem ersten Auftritt sofort gefeuert wurde …

Oder Steven Spielberg davon, dass er von der Filmhochschule flog …

Wenn Joanne K. Rowling aufgegeben hätte, nachdem ihr Manuskript „Harry Potter“ zwölfmal abgelehnt worden war…

Die am meisten bewunderten Menschen der Zeitgeschichte, die Idole unserer Gesellschaft, haben uns ausnahmslos eines voraus: ein gerüttelt Maß an Erfahrung mit dem Scheitern. Und das Wissen, dass und wie man daraus Stärken entwickelt.

Scheitern gehört zum Leben. Wenn wir lernen, forschen, kreativ sind oder Höchstleistungen anstreben, hat Scheitern Methode und ist Treiber von Erkenntnisprozessen und Fortschritten. Dennoch ist es in unserer Gesellschaft ein Tabuthema.

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1.2 Die Krise der Leistungsgesellschaft

Apropos Gesellschaft, hier liegt der Hase im Pfeffer. Etwa bis ins Teenageralter können wir ohne Schamgefühle scheitern. Warum ist es dann damit vorbei? Mit dem Eintritt ins Schulalter und den ersten Entscheidungen über Leistungen und Eignungen durch Zeugnisse und Empfehlungen für weiterführende Schulen lernen wir eine neue Qualität des Scheiterns kennen: seine klassifizierende Wirkung. Plötzlich ist Scheitern kein hilfreicher Impuls bei der Eroberung unserer Welt mehr. Es separiert und diskriminiert. Oder vielmehr: Es führt dazu, dass man uns separiert und diskriminiert.

Scheitern hat jetzt Konsequenzen, oft irreversible. Dadurch verändert sich unser Verhältnis zu Misserfolgen. Wir fürchten sie und schämen uns dafür. Mit der Scham kommt der Neid auf diejenigen, die nicht oder weniger scheitern, die Schadenfreude gegenüber noch größeren „Losern“ und vor allem unsere Unfähigkeit, mit unserem Scheitern unverstellt umzugehen. Wir verlernen es, aus dem Scheitern zu lernen.

Tragik der Leistungsgesellschaft