gabal-E-book.jpg
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einführung
Ein Bild von …
Verkaufen! Was sonst?
Verkaufen statt beraten
Verkaufen statt verteilen
Verhalten statt Wissen
Die vier Erfolgsfaktoren
Erfolgsfaktor Nummer 1: Persönlichkeit
1.1 Einstellung und Auftreten
1.2 Psychische Stabilität
1.3 Höfliche Hartnäckigkeit
Erfolgsfaktor Nummer 2: Identifikation
2.1 Brennen vor Leidenschaft
2.2 Identifikation mit der Tätigkeit
2.3 Identifikation mit dem Produkt
2.4 Identifikation mit dem Unternehmen
Erfolgsfaktor Nummer 3: Marketing
3.1 Nicht hoffen, handeln!
3.2 Social Media
3.3 Empfehlungsmarketing
3.4 After-Sales-Marketing
3.5 Das Gesetz der Zahl
Erfolgsfaktor Nummer 4: Verkäuferische Fähigkeiten
4.1 TopSeller sind authentisch
4.2 TopSeller sind gute Akquisiteure
4.3 TopSeller informieren kundenorientiert
4.4 Wer nicht fragt, bleibt dumm – Fragetechniken für TopSeller
4.5 Keine Zeit, kein Interesse, zu teuer – Einwandbehandlung für TopSeller
4.6 Koste es, was es wolle – Preisgespräche für TopSeller
4.7 KIAMBA – die Erfolgsformel für TopSeller
Epilog
Anhang
Anmerkungen
Über den Autor
Impressum

Einführung

Vorwort

»Alles auf der Welt kommt auf einen gescheiten Einfall und auf einen festen Entschluss an.«

Johann Wolfgang von Goethe

Herzlich willkommen in der Welt des Verkaufens. Ups, da ist es wieder, das unangenehme Wort verkaufen. Wer, bitte schön, will schon Verkäufer sein? Eine Wirtschaft ohne Verkäufer ist unvorstellbar, und dennoch löst der Begriff des Verkaufens Unbehagen aus. Selbst Unternehmen, die einen Verkäufer suchen, vermeiden es, in ihren Stellenanzeigen auch nur ansatzweise diesen Begriff zu erwähnen. Sie suchen keine Verkäufer, sondern »Berater«, »Salesmanager«, »Key Account Manager« oder »Sales Representatives«. Alles wohlklingende Namen, die den negativ besetzten Begriff des Verkaufens kaschieren sollen. Doch wohin man schaut, Verkäufer allenthalben. Denn nicht nur Verkäufer im engen Sinne verkaufen. Auch Architekten, Rechtsanwälte, Ärzte, Unternehmer, Manager usw. müssen ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen. Ein Zahnarzt, der seine Leistung nicht verkaufen kann, gefährdet nicht nur seinen Umsatz und damit den Gewinn. Hinter ihm stehen Menschen, die in der Praxis ihren Lebensunterhalt verdienen. Eine Familie ohne Einkommen zu versorgen ist nicht möglich. Eine Praxis einzurichten kostet ein halbes Vermögen. Nicht selten wird sich der Zahnarzt hoch verschulden müssen, um all die Dinge anzuschaffen, die einen reibungslosen Praxisablauf garantieren. Was er kauft, muss an anderer Stelle produziert werden, wie zum Beispiel ein Zahnarztstuhl. Seine Entscheidung, eine Praxis zu eröffnen, sichert im weiteren Sinne also auch die Arbeitsplätze in der Industrie – dauerhaft. Denn der Zahnarzt benötigt eine Reihe von chemischen Produkten für die Zahnpflege, die er zukaufen wird. Sie sehen an diesem einfachen Beispiel, wie wir doch alle vom Verkaufen leben und mitunter nur ein Einziger dafür sorgt, dass es vielen in dieser Gesellschaft gut geht.

Natürlich macht es einen Unterschied, ob ein Zahnarzt seine Leistung verkauft oder jemand den Beruf des Verkäufers ausübt. »Echte« Verkäufer haben sich für einen der schwierigsten Berufe dieser Welt entschieden, weil wir es hier mit einem Verhaltens- und weniger mit einem Wissensberuf zu tun haben. Die Persönlichkeit des Verkäufers steht im Vordergrund und nicht das Wissen, wie es beispielsweise bei einem Ingenieur der Fall ist. Verkäufer sein ist Berufung und kein Job! Wenn Sie sich für diesen schwierigen, gleichzeitig schönen, weil herausfordernden Beruf entschieden haben, dann können Sie Ihre Erfolge noch verstärken, wenn Sie die vier Faktoren für mehr Umsatz und Gewinn ausbauen, die Sie in diesem Buch kennenlernen.

Es geht um Ihren Erfolg. Wobei die Frage im Raum steht, was unter Erfolg zu verstehen ist. Zunächst einmal ist Erfolg relativ. Wenn Sie zwei Jahre alt sind, bedeutet Erfolg, ohne Windel leben zu können. Wenn Sie 13 Jahre alt sind, bedeutet Erfolg, Freunde zu haben. Wenn Sie 17 Jahre alt sind, bedeutet Erfolg, einen Führerschein zu haben. Wenn Sie 60 Jahre alt sind, kann Erfolg finanzielle Unabhängigkeit und ein Leben an Traumstränden bedeuten. Wenn Sie 70 Jahre alt sind, bedeutet Erfolg, ohne Schmerzen zu leben. Und wenn Sie 90 Jahre alt sind, dann bedeutet Erfolg, dass Sie zu einer Minderheit von Menschen gehören, die dieses biblische Alter erreicht haben.

Der Begriff Erfolg ist ein neuerer Begriff in unserem Wortschatz. Der englische Begriff dazu, success, wird erstmals 1537 schriftlich erwähnt. Natürlich feierten die Menschen in der Zeit davor auch ihre Erfolge, doch nannten sie das Siege, weshalb der Begriff in seiner ursprünglichen Form eher als Resultat einer Tat zu verstehen war. Erst mit der Industrialisierung nahm Erfolg plötzlich eine neue Stellung ein. Er wurde vor allem mit Gewinnerzielung und -maximierung gleichgesetzt. Deshalb ist dieser Begriff häufig negativ besetzt, was ihm nicht gerecht wird. Wir leben in einem Risikozeitalter, in dem nur der bestehen kann, der Mut zeigt und weiß, was er will. Wer vor dem Risiko davonläuft, wird vom Risiko eingeholt! Ein Leben ohne Risiko bleibt arm, eintönig, stumpf und inhaltslos. Denn das größte Risiko liegt im permanenten Vermeiden von Risiken. Der 32. Präsident der USA, Franklin D. Roosevelt, sah es ähnlich:

»Im Leben gibt es etwas Schlimmeres, als keinen Erfolg zu haben: Das ist, nichts unternommen zu haben.«

Neben Ausdauer und Beharrlichkeit hat Erfolg auch etwas mit der Beherrschung von Techniken, Methoden und Strategien zu tun. Erfolg ist erlernbar und liegt nicht in unseren Genen. Und darum gibt es sie, die Erfolgsfaktoren des gekonnten Verkaufens. Auch Sie werden bei konsequenter Anwendung dieser vier Erfolgsfaktoren vermutlich schon bald zu den TopSellern Ihrer Branche gehören.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich nahezu ausschließlich männliche Substantivformen. Ansonsten hat dies keine Bedeutung.

Ich wünsche Ihnen bereichernde Erkenntnisse aus der Welt des Verkaufens, verbunden mit den besten Wünschen.

Herzliche Grüße

Ihr Klaus J. Fink

»Es gibt zwei Möglichkeiten, Karriere zu machen: Entweder leistet man wirklich etwas, oder man behauptet, etwas zu leisten. Ich rate zur ersten Methode, denn hier ist die Konkurrenz bei Weitem nicht so groß.«

Danny Kaye

titelei.jpg

Ein Bild von …

»Es gibt Menschen, deren einmalige Berührung mit uns immer den Stachel in uns zurücklässt, ihrer Achtung und Freundschaft wert zu bleiben.«

Christian Morgenstern

Während meines Jura-Studiums zog ein Kommilitone einen merkwürdigen Vergleich. Er war der Meinung, dass alles, was mit v beginnt, in der Hölle enden wird. Und so zählte er auf: Verbrecher, Vergewaltiger und Verkäufer! Ich war entsetzt. Doch wenn wir ehrlich sind, dann zeigt dieser Vergleich, wie die meisten Deutschen über den Beruf des Verkäufers wirklich denken. Da werden ohne Ansehen der Person Beruf und Kriminalität in einen Topf geworfen. Allerdings ist dieser Vergleich so neu nicht. Der Mythologie nach gab es zwölf große olympische Götter. Einer davon war Hermes, der bei den Griechen als Gott der Magier, der Kaufleute und Diebe verehrt wurde. Überdies war er der Gott der Redekunst. Er vereinte somit das volkstümliche Bild des Verkäufers in einer Gottheit, nämlich, dass man als Verkäufer gut reden können muss, es mit der Wahrheit nicht immer genau nimmt, überteuerte Verträge abschließt, die einem Diebstahl gleichkommen, und sich so an Dritten bereichert.

Dieses Klischee aus der Antike hält sich bis in die heutige Zeit, und es sieht nicht danach aus, dass sich das Bild bald ändern wird. Im direkten Renommee-Vergleich zu anderen Berufen landen Verkaufsberufe stets auf den hinteren Plätzen. Zum fünfzehnten Mal in Folge ermittelte der Verlag Readers Digest, welche Berufe in den Augen der Konsumenten besonders vertrauenswürdig sind. An der Studie »Reader’s Digest European Trusted Brands 2015« nahmen 15.822 Leser aus sieben europäischen Ländern teil, davon 6171 aus Deutschland. Diese Studie zeigt immer wieder, dass Verkäufer mit dem Image furchtloser Lebensretter nicht einmal ansatzweise konkurrieren können. Feuerwehrmänner, Piloten und Apotheker haben mit Abstand den höchsten Sympathiewert. Autoverkäufer landen dagegen europaweit auf dem viertletzten Platz. Mit 16 Prozent Zustimmung liegen sie etwas besser im Rennen als die Politiker, denen nur noch 9 Prozent der Befragten ihr Vertrauen schenken. Nur etwas besser ergeht es den Finanzberatern. Doch auch sie müssen sich mit einem der letzten Plätze begnügen.

seite-016.jpg

So entwickelte sich das Vertrauen in ausgewählte Berufsgruppen

Das Vertrauen in Verkäufer ist also alles andere als groß. Sie scheinen immer unter einer Art Generalverdacht zu stehen, zum eigenen Vorteil zu lügen, damit der Kunde am Ende unterschreibt. Schließlich werden Verkäufer für unterschriebene Kaufverträge bezahlt und nicht für Beratungen und Kundengespräche (von einigen Ausnahmen abgesehen). Dieses Klischee des nach Profit strebenden Verkäufertyps hält sich bis heute hartnäckig. Dabei kommt kein Hersteller oder Anbieter von Dienstleistungen ohne Verkäufer aus. Die Zeiten, in denen sich Erfindungen von allein verkauften, sind schon lange vorbei. Wer wüsste das nicht besser als die Amerikaner? Was immer sie anfassen, sie tun es mit großem Erfolg. Selbst das Internet, in dem so gut wie alles umsonst angeboten wird, nutzen sie gewinnbringender als der Rest der Welt. Das zeigt allein ein Blick auf ihre börsennotierten Aktienkurse.

seite-017.jpg

Vertrauen in einzelne Berufsgruppen (deutschlandweit) (Quelle: Readers Digest/European Trusted Brands 2015)

Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. Gute und extrem engagierte Verkäufer sind es, die dafür sorgen, dass die größte demokratische Volkswirtschaft der Welt ihre Position behauptet. Mit großem Respekt begegnen die Amerikaner dem Beruf des Verkäufers, weil sie wissen, dass sie ihm ihren Wohlstand zu verdanken haben. Von dieser gesellschaftlichen Anerkennung können Verkäufer in Deutschland nur träumen. Das Land der Dichter, Denker und Erfinder hat eine sehenswerte Kultur, nur keine Saleskultur. Verkäufer werden verächtlich »Treppenterrier«, »Staubsaugervertreter« oder »Klinkenputzer« genannt, während einem deutschen Rechtsanwalt mit größtem Respekt begegnet wird. In Amerika ist es genau umgekehrt. Dort haben Rechtsanwälte eher einen zweifelhaften Ruf, weshalb sie in der Wertschätzung der Bevölkerung deutlich hinter dem »Salesman« rangieren.

Studieren lohnt sich, das sagen nicht nur unsere Eltern, sondern auch die Personalchefs. Tatsächlich verdienen Studierte mehr als Arbeiter und Angestellte ohne Studium. Nach Angaben der OECD verdienten im Jahre 2008 Akademiker 67 Prozent mehr als Arbeitnehmer, die nur über eine Ausbildung verfügten. Doch gibt es einen Bereich, in dem das Gehalt von der Art der Ausbildung weitgehend abgekoppelt ist: den Vertrieb.

Dazu die Meinung von einem, der sich auskennt, nämlich von meinem Kollegen Oliver Müller-Marc von der ensego1:

»Wenn man die Grundlagen von Verkäufern betrachtet, fällt der Blick zunächst auf den beruflichen Werdegang. Wird die Basis des Verkäufers in der Ausbildung oder im Studium gelegt? Ist es besser, BWL zu studieren oder gar Psychologie? Oder ist es schlicht so, dass man Verkaufen zwar erlernen kann, wirkliche Spitzenverkäufer jedoch mit dem Vertriebstalent geboren werden? Oder ist für einen Spitzenverkäufer beides, also sowohl angeborenes Talent als auch hartes Training und Ausbildung, ausschlaggebend? (…) In den letzten Jahren stelle ich zunehmend fest, dass es zwei entscheidende Indikatoren für erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter gibt, wenn sie eine neue Aufgabe im Verkauf bei einem neuen Unternehmen beginnen:

1. die Persönlichkeit und innere Einstellung des Verkäufers und

2. die Qualität des Handwerkzeugs im Vertrieb, das der Verkäufer erlernt hat.«

Das Learning on the Job macht den Beruf des Verkäufers so reizvoll. Dadurch bieten sich vor allem für junge Leute interessante Perspektiven. Wer nicht studieren will, dennoch sehr gut verdienen möchte, findet im Verkäuferberuf die besten Möglichkeiten.

seite-019.jpg

Verkaufen! Was sonst?

»Mancher Kaufmann betrügt ohne Skrupel, aber stehlen würde er schlechterdings nicht.«

Arthur Schopenhauer

Schopenhauers Bild eines Kaufmanns ist offensichtlich nicht das beste, wie wir dem Eingangszitat entnehmen können. Immerhin differenziert er noch zwischen offenem Diebstahl und Betrug, aber die Richtung, in die er weist, ist klar: Weil Kaufleute auf einen Gewinn aus sind, sind sie per se von zweifelhafter Moral. Diese Meinung ist auch heute noch aktuell. Wer Gewinne anstrebt, steht unter Generalverdacht, nicht ganz koscher zu sein. Leider hat die Finanzkrise dazu beigetragen, genau dieses schlechte Bild noch zu verfestigen. Dabei wird übersehen, dass nicht das Streben nach Gewinn, ohne den kein Unternehmer auskommt, Auslöser dieser Entwicklung war, sondern die Gier nach noch mehr Gewinn. Wohin diese Gier, die übrigens schon in der Bibel als eine der sieben Todsünden beschrieben wurde, eine ganze Welt treibt, nun, das haben wir gesehen. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass es keine Verkäufer waren, die eine der schlimmsten monetären Krisen in der Menschheitsgeschichte auslösten, sondern, mit Verlaub, Zocker, die mit geliehenem Geld und wertlosen Schuldverschreibungen Milliardensummen bewegten. Dennoch ist das Verkäuferimage nachhaltig beschädigt. Was andererseits überrascht, denn für viele Menschen gibt es doch kein größeres Glücksgefühl als einzukaufen. Ein Blick in die Wohnungen und die Schränke der Deutschen zeigt eindrucksvoll, wie gern wir kaufen. Mehr als 70 Milliarden Euro geben die Deutschen jährlich nur für Kleidung aus. Tendenz steigend. Also kann doch Kauf wie Verkauf nichts Schlechtes sein.

Wenn Studien2 zufolge Frauen 25.184 Stunden und 53 Minuten ihres Erwachsenenlebens (Basis: 63 Jahre) damit beschäftigt sind, Essen, Kleider und Co. einzukaufen, muss Kaufen etwas Schönes sein. Niemand würde sich fast drei Jahre seines Lebens freiwillig mit etwas beschäftigen, das ihm keinen Spaß macht. Wenn Menschen gerne kaufen, dann muss es auch Menschen geben, die helfen, das Gewünschte zu bekommen. Zieht der Kunde dann zufrieden von dannen, überwiegt auch beim Verkäufer das Glücksgefühl. Immerhin hat er soeben einen Menschen glücklich gemacht.

Es gibt nicht viele Verkäufer, die es ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft haben. Einer von ihnen ist Joe Girard. Er ist als der erfolgreichste Autoverkäufer der Welt ausgezeichnet worden und hat sich so einen Platz in der Hall of Fame der Automobilindustrie erarbeitet. Auf die Frage nach seinem Erfolgsgeheimnis sagt er in einem Interview3:

»… Autos zu verkaufen ist wie eine Ehe: Die eigentliche Arbeit beginnt nach der Hochzeit. Die meisten Männer vergessen, dass man sich (dem anderen) jeden Tag aufs Neue verkaufen muss, beweisen muss, dass man der Richtige für sie ist. Genauso bestimmt das Verhalten nach dem Verkauf die Leute, die dich weiterempfehlen … Wenn Sie ein Auto bei mir kaufen, dann bekommen Sie zwei Dinge: ein wunderschönes Auto und mich! … Ich heirate Sie, auf immer und ewig. Wenn ich Sie nicht gut behandle, dann werden Sie sich scheiden lassen. Aber das werden Sie nicht, denn ich behandle Sie gut …«

Joe Girard sieht den größten Fehler der Verkäufer in ihrer Gier nach Geld. Die meisten, so sagt er, wollen nur das Geld ihrer Kunden. Haben sie es, dann lassen sie sie fallen. Deshalb verkauften seine Kollegen fünf Autos im Monat. Joe Girard verkaufte in seiner aktiven Zeit sechs Autos (!) am Tag, 174 im Monat, 1425 im Jahr. Joe Girards Erfolg beruhte auf der Strategie, nicht über den Preis, sondern über den Service zu verkaufen. Verkäufe, die nur über den Preis geführt werden, sind aus Kundensicht schnell vergessen. Oder erinnern Sie sich noch, wann und wo Sie ein benötigtes Teil übers Internet gekauft haben? Haben Sie dieses Teil in einem serviceorientierten Unternehmen gekauft, werden Sie sich sogar noch an die Gestik, Mimik und Stimme des Verkäufers erinnern.

Kunden erwarten so etwas wie »Business Excellence«, also eine herausragende Leistung, und zwar vor Vertragsabschluss (Pre-Sales) und nach dem Verkauf, insbesondere im Supportfall (After-Sales).

Eine Erkenntnis, die so neu nicht ist. Bereits 1999 schrieb der bekannte US-Managementtrainer Tom Peters in seinem Buch4 »Der Innovationskreis«:

»70 bis 90 Prozent der Entscheidungen, ein bestimmtes Produkt nicht mehr zu erwerben, sind nicht auf das Produkt oder dessen Preis zurückzuführen. Sie hängen in irgendeiner Weise mit dem Service zusammen.«

Der Vergleich von Joe Girard, eine Kundenbeziehung sei wie eine Ehe, hinkt somit keinesfalls. Er sagt, dass nach dem Verkauf die eigentliche Arbeit beginnt. Hier müssen wir uns an die eigene Nase fassen. Wann immer Sie etwas gekauft haben, beschleicht Sie danach ein »ungutes Gefühl«. Plötzlich tauchen Fragen auf, mit denen Sie nicht gerechnet haben: War das die richtige Entscheidung? Habe ich alles richtig gemacht? Hätte ich noch warten sollen? Diese Selbstzweifel verstärken sich sogar, sobald wir jemandem von unserem Kauf erzählen. Freunde und Bekannte, die sich ansonsten nur selten zu Wort melden, schauen uns mitleidsvoll an. Hätten wir sie gefragt, wir hätten dieses oder jenes doch viel besser oder günstiger bekommen können, belehren sie uns. Dadurch verstärken sich unsere Zweifel und wir fühlen uns plötzlich ganz allein auf der Welt.

TopSeller kennen diese Situation, deshalb halten sie nach dem Kauf Kontakt zum Kunden, um ihn in seiner Entscheidung zu bestätigen. Sie geben ihm das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Kurzum: Sie sind an der Seite des Kunden und handeln nach der Devise von Fußballtrainer Sepp Herberger, der mit »seiner« Mannschaft 1954 die Fußballweltmeisterschaft gewann: »Nach dem Spiel ist vor dem Spiel«, sagte er einst. So schön ein gewonnenes Spiel auch ist, das nächste Spiel wartet, und alle müssen wieder vollen Einsatz bringen, um zu gewinnen. Wer sich ausruht, wird verlieren. TopSeller freuen sich über den Verkaufsabschluss genauso wie ein Fußballer, der das Tor trifft. In beiden Fällen gibt es etwas zu feiern, wobei der TopSeller den Verkaufserfolg nicht als den krönenden Abschluss eines Gesprächs sieht, sondern als Aufforderung, den Kunden im sprichwörtlichen Sinne nun an die Hand zu nehmen.

Das Phänomen der Selbstzweifel nach einer Entscheidung bezeichnen Psychologen als kognitive Dissonanz. In allem, was wir tun, legen wir unbewusst Rechenschaft über unser Verhalten ab. Bevor wir eine Kaufentscheidung treffen, sammeln wir im Vorfeld Informationen, um rationale Gründe dafür zu finden, richtig zu handeln. Das klingt nachvollziehbar, schließlich wollen wir auf Nummer sicher gehen. Tatsächlich aber treffen wir später nicht immer eine rationale Entscheidung, sondern eine, die uns und den Menschen in unserem Umfeld als eine solche erscheint. Unsere Wahl für ein Produkt ist weniger rational. Das heißt, unsere Kaufentscheidung steht nicht im Widerspruch zu unserer Meinung, zu unseren Überzeugungen oder zu unserem Wissensstand. Mögen die rationalen Gründe zu einer anderen Bewertung kommen, so handeln wir selten danach. Wir mögen keinen Konflikt zwischen unserem Handeln und unseren Überzeugungen, weshalb wir fast immer eine Kompatibilität zwischen unserer Entscheidung und unserem Denken anstreben.

TopSeller kümmern sich nach dem Kauf intensiver um ihre Kunden. Sie verhindern dadurch zum einen eine kognitive Dissonanz und zum anderen festigen sie damit das Vertrauensverhältnis. Durch dieses Verhalten wird das positive Image eines Verkäufers und damit auch des Verkäuferberufs gestärkt. Verkäufer, die nach der AUA-Methode arbeiten – Kunden (A)nhauen, (U)mhauen, (A)bhauen –, haben kein Interesse an einer echten Beziehung zum Kunden. Sie bringen sich damit nicht nur um weitere lukrative Aufträge, sondern »beschmutzen« überdies den ehrenwerten Beruf des Verkäufers.

Fazit: Verkäufer, die sich nicht um ihre Kunden kümmern, legen weiterhin die Saat für ein schlechtes Image dieser Zunft!

seite-025.jpg

Die Schuld der anderen

»Wenn etwas missglückt, fragen die Unschuldigen ›Weshalb?‹ und die Schuldigen ›Wer war es?‹«

Wieslaw Brudzinski

Man macht es sich zu einfach, will man nur die schlechten Verkäufer als Auslöser für das schlechte Image dieses Berufs ins Feld führen. Wie eingangs schon erwähnt, haben wir es mit Menschen zu tun, die alles andere als berechenbar sind.

Ein »klassisches« Verkaufsgespräch setzt sich aus mindestens zwei Parteien zusammen: Käufer und Verkäufer. Der Verkäufer möchte eine höchstmögliche Provision (und einen zufriedenen Kunden). Der Käufer will ein hochwertiges Produkt preiswert (seinen Preis wert) einkaufen. Die Kunst liegt nun darin, beide Absichten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, damit beide Seiten zufrieden sind. Ist einer von beiden unzufrieden, fangen die Probleme an, weil es ihn nicht gibt, den rein rational handelnden Homo oeconomicus. Bei allem, was wir Menschen tun, sind Gefühle im Spiel. Was zum Zeitpunkt des Verkaufsgesprächs ein gutes Gefühl war, kann zwei Wochen nach Vertragsunterzeichnung ins Gegenteil umgeschlagen sein. Verträge sind bindend. Wer nun versucht, im Nachhinein Verträge zu stornieren, also außerhalb gesetzlicher Widerrufsfristen, erhält für gewöhnlich eine Absage. Das eigene Versagen wird ausgeblendet und ein Schuldiger ausgemacht: der böse Verkäufer, weil der – falsch – beraten hat.

Besonders deutlich hat das die Finanzkrise gezeigt. Millionen von Anlegern lecken sich noch immer ihre Wunden. Sie haben viel Geld verloren, teilweise alles. Ein Schuldiger ist schnell gefunden: Es ist der »böse« Berater, der einem diese Produkte verkaufte. Es gibt ihn, diesen skrupellosen Verkäufer, der buchstäblich über Leichen geht, um seine Provisionseinnahmen zu erhöhen. Doch das Gros der Finanzberater aller Couleur (Banken, Versicherungen und Bausparkassen) arbeitet fair, transparent und gewissenhaft. Aber auch ihnen ist das Hemd näher als die Jacke, sodass sie im Zweifelsfall eher den Kundenwunsch ausführen, als dass sie den Kunden unverrichteter Dinge zur Konkurrenz ziehen lassen.

Wenn Gier im Spiel ist, hat jeder seriöse Berater ein Problem. Scharenweise liefen die Kunden zu den Finanzjongleuren, die 10 Prozent und mehr versprachen. Für ihren »bisherigen« Berater hatten sie nur noch ein müdes Lächeln übrig, konnte er doch gerade einmal 5 Prozent in Aussicht stellen. Natürlich wissen Anleger, dass es fast unmöglich ist, zweistellige Renditen zu kassieren, wenn das allgemeine Zinsniveau bei unter 2 Prozent liegt. Aber in Momenten, in denen »gute Gewinne« winken, gehen bei vielen die Pferde durch. Gier verdrängt logisches Denken. Wir Konsumenten haben so etwas wie den freien Willen. Wir können ein Angebot annehmen oder ablehnen. Wenn wir in unserer Gier ein völlig überzogenes Versprechen als Wahrheit annehmen, obwohl unser gesunder Menschenverstand das Gegenteil vermutet, wer, bitte schön, ist denn dann der Verantwortliche? Der Verkäufer, der unsere Gier nach immer mehr, größer und höher befriedigte, oder wir?

»Geld«, so sagt der Hirnforscher und Diplompsychologe Dr. Hans Georg Häusel in einem Interview, »ist für unser Gehirn nichts anderes als eine positive Belohnung … Wenn Sie Geld hergeben, werden im Gehirn die gleichen Bereiche aktiviert, die sich auch bei Zahnschmerzen melden. Die Trennung von Geld ist also ein extrem schmerzhafter Prozess, und unser Gehirn versucht, den maximalen Belohnungswert zu erzielen.«5 Verständlich also, wenn die Hasardeure mit ihren vollmundigen Versprechungen mehr Kunden »an Land ziehen« als der ehrliche Verkäufer. Gleichwohl muss und sollte Letzterer an seiner Strategie festhalten. Bisher ist noch jede »Blase« geplatzt, und Anleger, die diesem Hype fernblieben, waren die wahren Gewinner. Die wirkliche Herausforderung für den Verkäufer besteht darin, den Kunden »bei Laune« zu halten. Je intensiver der Kontakt zum Kunden, desto einfacher ist es, ihn von der Notwendigkeit richtiger Entscheidungen zu überzeugen.

Natürlich gibt es in jeder Branche schwarze Schafe. Es geht darum zu erkennen, dass es in dieser Welt kein Ich mehr gibt, sondern nur noch ein Wir. Alles korreliert miteinander. Deshalb werden zukünftig diejenigen abgestraft, die es mit der Ehrlichkeit nicht so genau nehmen. Die, die hier Einsatz zeigen, werden entsprechend »aufgewertet«.

seite-028.jpg

Innovation trifft Verkauf

»Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen.«

Pablo Picasso

Niemand in Europa meldet dem Europäischen Patentamt (EPO) jährlich so viele Patente wie Deutschland. Selbst international kann sich Deutschland sehen lassen. Nur die USA mit ihren 300 Millionen Einwohnern und Japan melden mehr Patente.

Von den mehr als 32.0006 deutschen Patentanmeldungen kommt allein über die Hälfte aus Bayern und Baden-Württemberg (62,5 Prozent)7. Auf solche Zahlen können wir Deutschen stolz sein. Genauso stolz können wir auf den wirtschaftlichen Aufschwung sein, der sich im Sommer 2010, nur zwei Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise, entwickelte. Kein anderes Land konnte die Krise so schnell abschütteln wie Deutschland. Es stimmt aber auch, dass Deutschland als die führende Exportnation den größten Einbruch während der Krise erlebte. Alles hat im Leben zwei Seiten. So auch der Aufschwung. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass mehr als ein Drittel davon durch staatliche Konjunkturmaßnahmen angeschoben wurde. Das sagt der Internationale Währungsfonds. Der Preis, den wir Deutschen dafür zahlen, ist hoch, weil die Staatsverschuldung dramatisch steigt.

seite-029.jpg

Herkunft der Patentanmeldungen beim EPO (2014)

Das restliche Wachstum geht zurück auf die gestiegene Auslandsnachfrage. Im Inland sieht es dementsprechend düster aus, und das schon seit mehr als einem Jahrzehnt.

seite-030.jpg

Auftragseingang Inland (Konsumgüter) (Quelle: Deutsche Bundesbank)