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Dorothee Zapke

Die Rhetorikfalle

Warum Rhetoriktipps in die Irre führen und wie Sie wirklich überzeugen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95623-251-0

Lektorat: Christiane Martin, Köln | www.wortfuchs.de

Umschlaggestaltung: Martin Zech, Bremen | www.martinzech.de

Umschlagfoto: Frank van den Bergh/iStock, inkit/iStock

Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de

Copyright © 2015 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise,

nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

www.gabal-verlag.de

Inhalt

Einführung: Wirksam präsent – präsent wirksam

Rhetorikfalle 1

„Atmen Sie erst einmal tief durch!“

… und die Stimme klingt gestresst

Fallbeispiel: Der gehetzte Vorstand

Wie Sie sich optimal auf Ihren Auftritt vorbereiten

Rhetorikfalle 2

„Brust raus, Bauch rein!“

... und schon wirken Sie arrogant

Fallbeispiel: Der Designer, der es hasste, zu präsentieren

Die richtige Haltung finden

In den Präsenzraum ausstrahlen

Rhetorikfalle 3

„Lächeln Sie!“

... aber nur, wenn Ihnen auch danach ist

Fallbeispiel: Callcenter-Munterkeit

Wenn das äußere Auftreten dem Inneren nicht entspricht

Rhetorikfalle 4

„Sprechen Sie tiefer, das wirkt souverän!“

... und ist genau so anstrengend wie monoton

Fallbeispiel: Der Projektleiter, den keiner bei Besprechungen dabeihaben wollte

Den richtigen Ton treffen

Rhetorikfalle 5

„Keine Gesten unterhalb der Taille!“

... und mancher wirkt wie gefesselt

Fallbeispiel: Die Merkel-Raute

Warum man Gesten nicht wie Vokabeln lernen sollte

Rhetorikfalle 6

„Machen Sie sich groß!“

... und Sie wirken wie Popeye

Fallbeipiel: Die kleine Trainerin

David meets Goliath

Rhetorikfalle 7

„Pokerface, denn Masken schützen!“

... und jeder fragt sich, was Sie zu verbergen haben

Fallbeispiel: Der Abteilungsleiter, der sich im Griff haben wollte

Was wir zulassen und was wir verbergen sollten

Von Mädchenschema bis Sarkasmus – stereotype Ausdrucksarten

Rhetorikfalle 8

„Fester Stand heißt Sicherheit!“ oder „Niemals bewegungslos!“

... und schon sind Sie verwirrt

Fallbeispiel: Wenn Trainer sich widersprechen

Das Dilemma beim Anwenden der Standardtipps

Rhetorikfalle 9

„Sprechen Sie immer 30 Prozent lauter, als Sie wollen!“

... und es kann sein, dass Sie Ihre Zuhörer verschrecken

Fallbeispiel: Der Mann, der nicht so laut sein sollte

Mit Lautstärkefilter auf verbale Angriffe reagieren

Rhetorikfalle 10

„Bleiben Sie sachlich!“

... und Ihr Publikum langweilt sich todsicher

Fallbeispiel: Der Mathematikprofessor, dem keiner zuhörte

Wenn Sachlichkeit die Persönlichkeit auslöscht

Rhetorikfalle 11

„Hören Sie aktiv zu!“

… dieses Seminar hat Ihr Gegenüber auch besucht

Fallbeispiel: Die beflissene Zuhörerin

Von Ich-Botschaft bis Political Correctness: Wie viel Dressur vertragen Sie?

Rhetorikfalle 12

„Zählen Sie bis drei, bevor Sie antworten!“

… und Sie wirken wie ein Roboter

Fallbeispiel: Der Moderator, der Pausen auszählte

Wie führen Sie Ihre Zuhörer?

Pflegen Sie Ihre Stärken

Charisma – Gabe des Himmels oder erlernbar?

Raus aus der Komfortzone

Mut beweisen – sich weiterentwickeln

Vom Nutzen des Feedbacks und von der Zweischneidigkeit von Videoaufnahmen

Über die Notwendigkeit, Paradigmen zu wechseln

Sich selbst kennenlernen

Die Kunst des assoziierten Sprechens

Vorderer oder rückwärtiger Präsenzraum

Ausblick:
Wer andere berühren will,
darf nicht so tun als ob

Quellen- und Literaturverzeichnis

Danksagung

Über die Autorin

Einführung: Wirksam präsent – präsent wirksam

Hundertfach werden in Charisma- und Rhetorikseminaren stereotype Haltungen propagiert, die angeblich Souveränität und hohe Präsenz ausdrücken sollen. Die Arme darf man nicht verschränken. „Still stehen bleiben vor dem Plenum“, sagen die einen. „Hin- und herlaufen“, sagen die anderen. Immer lächeln, ja regelrecht das Lächeln üben – „Kampfgrinsen“ wird das genannt – bis hin zum selbst geklebten Smiley neben dem Bildschirm, damit man sich immer daran erinnert, beim Telefonieren zu lächeln. Was hat das mit uns zu tun? Stereotype Haltungen, die Erfolg versprechen?

Dieses Buch schärft die Sinne für die Fallen, in die wir oft durch die Anwendung rhetorischer Patentrezepte tappen. Je undurchsichtiger der Dschungel der Rhetoriktipps, Assessmentvorbereitungen und Präsentationstechniken, desto wichtiger ist es, genau zu prüfen, welche stimmlichen und körpersprachlichen Komponenten wir persönlich benutzen und welche wir irgendwann einmal auf Eis gelegt haben, weil wir damit vielleicht eine schlechte Erfahrung gemacht haben oder weil wir sie als Kind aberzogen bekommen haben.

Keine Allgemeingültigkeit für rhetorische Tools

Im Laufe meines Lebens als Trainerin und Dozentin im Bereich der unmittelbaren Kommunikation habe ich nach und nach erfahren, dass es – bis auf wenige Ausnahmen – keine Allgemeingültigkeit für all die gängigen rhetorischen Tools gibt, dass all die Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, einzigartig sind in ihrer Ausstrahlung. Ich habe Teilnehmer erlebt, die mit verschränkten Armen die spannendsten Geschichten erzählt haben, und Menschen mit großen antrainierten Gesten, die sehr, sehr unecht wirkten. Ich habe Redner gesehen und gehört, die mit ausgefeilt rhetorischem Vokabular ihre Inhalte vermittelten – und trotzdem hörte ihnen niemand zu. Oder Menschen, die in Verkaufsgesprächen ihre potenziellen Kunden abholten und mit geschickten Fragestellungen ins Gespräch verwickeln wollten. Sie wurden sehr schnell entlarvt.

Am wenigsten authentisch waren diejenigen, die beflissen versuchten, all die vermittelten Tipps und Tricks eins zu eins zu übertragen. Sie waren die ganze Zeit damit beschäftigt, das Gelernte kontrolliert anzuwenden. Man sah, dass sie sich nicht wohlfühlten. Und das Publikum fühlte sich auch nicht gut unterhalten. Die Anwender dieser allgemeingültigen rhetorischen Standards fragten sich nie, ob die Haltungen zu ihnen gehören. Egal, dachten sie, was für alle gilt, gilt auch für den Einzelnen. Das war ihre Maxime.

Persönliche Kommunikationspotenziale entdecken

Mich überzeugt das Entdecken persönlicher Kommunikationspotenziale, die einmalig sind und nur für einen Menschen gelten. Und die, einmal wiedergefunden, für eine große charis- matische Ausstrahlung sorgen. Aber wie finden wir sie?

Machen wir uns ans Werk und schauen uns zunächst zwölf typische rhetorische Patentrezepte an – und die Fallen, die in ihrer eins zu eins übersetzten Anwendung lauern. Jedem stereotyp vermittelten Tipp habe ich einen Übungsansatz gegenübergestellt. Mithilfe dieser Übungen können Sie Ihre ganz persönlichen Ausdruckspotenziale wiederfinden.

Vor Hunden fürchten sich 11 Prozent aller Menschen. Vor Krankheit und Tod 19 Prozent. Und davor, öffentlich zu reden, 41 Prozent (www.statista.com). Glaubt man der Statistik, gibt es also Menschen, die würden lieber sterben, als hinter ein Rednerpult zu treten.

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Rhetorikfalle 1

„Atmen Sie erst einmal tief durch!“

… und die Stimme klingt gestresst

Lampenfieber in den Griff bekommen

Nervös sind die allermeisten, und das hat Folgen: Anspannung, feuchte Hände, trockener Mund, kurz: Lampenfieber. Der häufigste Tipp dagegen lautet: „Tief durchatmen!“ So empfiehlt das Internetportal „redenwelt.de“: „Bei Nervosität und Angst ist der Körper verspannt. Tiefes Ein- und Ausatmen wirkt auf den ganzen Körper entspannend.“ Mag sein, und im Yoga-Kurs ist das auch genau die richtige Strategie. Bei einer Alltagssituation, in der es auf Ihren Auftritt ankommt, kann es dagegen nach hinten losgehen. Lesen Sie, warum – und wie Sie tatsächlich entspannter starten können.

Fallbeispiel: Der gehetzte Vorstand

Wirtschaftsempfang zum neuen Jahr an einer norddeutschen Universität. Ich war eingeladen und stand mit etwa 500 weiteren Gästen mit einem Glas Sekt in der Hand da und wartete auf den Redner. Der Präsident der Hochschule hatte ihn bereits angekündigt, doch er ließ auf sich warten. Dann sah ich ihn. Mit zehnminütiger Verspätung lief der Chef einer großen Bank gehetzt zum Podium. Mit einem großen Seufzen und sehr hörbarem Atem begann er seine Rede: „Sehr geehrte Damen und Herren. Ich freue mich, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen. Entschuldigen Sie die Verspätung, aber dafür die gute Nachricht zuerst: Es gibt keine Wirtschaftskrise und es hat auch nie eine gegeben.“

Zu schnelles Reden durch Kurzatmigkeit

Ich schaute mich im Publikum um. Die meisten hatten abgeschaltet, man unterhielt sich leise weiter, manche hantierten mit ihrem Handy, einige hörten höflich, aber gelangweilt zu. Was aber am auffälligsten war: Als vom Redner der große Seufzer kam, seufzten viele mit. Es war hörbar. Und von da an glaubte seinen Worten keiner mehr. Der Bankchef wurde immer leiser und immer schneller. Er spürte, dass der Funke nicht übersprang. Und wollte weg. Weg vom Podium. Also schnell fertig werden. Das geht nur durch schnelleres Reden. Dadurch wurde er immer kurzatmiger, und das übertrug sich auf seine Zuhörer. Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Reihen, als der Redner sich schließlich verabschiedete. Dabei hatte er große bedeutsame Worte gewählt.

Was hätte der Manager anders machen können? Er kam zu spät. Das kann passieren, ein Stau oder ein unvorhersehbarer wichtiger Termin können immer dazwischenkommen. Aber sich mit gestresster Atmung ans Rednerpult zu stellen, bedeutet, das vorherige Geschehen mit auf die Bühne zu nehmen. Die Leute hören dann in der gepressten Stimme nur noch den Stress. Die professionelle Rolle des Redners verlangt es, sich auf das Jetzt und das Hier zu konzentrieren. Und das hat in erster Linie damit zu tun, wie er seine Atmung einsetzt. Für ein gutes, souveränes und präsentes Vortragen brauchen wir eine ruhige Atmung. Und einmal tief durchatmen bringt da gar nichts – im Gegenteil: Mit dem tiefen Atemzug gehen die meisten Menschen in die Schreckatmung, in eine Art „Ich reiß mich jetzt zusammen“-Atmung, im Fachjargon „Hochatmung“ genannt. Wer dann auch noch den Fehler macht, ins Mikro auszuatmen, beginnt zusätzlich mit einem gequälten Seufzer.

Wie Sie sich optimal auf Ihren Auftritt vorbereiten

Atmung und Stimme sind untrennbar verbunden. Wenn uns „die Luft wegbleibt“, bekommen wir keinen Ton heraus. Wenn wir angespannt sind, atmen wir flach in den Brustkorb statt in den Bauch. Auch wenn wir uns erschrecken, atmen wir unwillkürlich in die Brust – probieren Sie es vielleicht kurz aus. Daher spricht man von Schreckatmung oder Hochatmung im Unterschied zur Bauch- oder Tiefenatmung. Bei der Hochatmung hört man Ihrer Stimme den Stress an. Sie klingt gepresst, schnell und höher. Wie verräterisch die Stimme ist, wissen Sie aus Ihrem privaten Umfeld. Dort erkennen Sie schon nach der zweiten Silbe am Telefon, ob jemand nicht gut drauf ist, und fragen: „Was ist los? Geht’s Dir nicht gut?“ Doch auch bei Unbekannten können wir an der Stimme ablesen, ob der andere eher gelassen oder eher angespannt ist. Unsere Antennen sind erstaunlich fein.

Körpersprache erzielt hohe Wirkung

Ende der Sechzigerjahre machte der amerikanische Psychologe Albert Mehrabian ein Experiment, das in die Geschichte eingehen sollte: Er ließ Wörter, die positive, neutrale oder negative Gefühle auslösen, mit positiver, neutraler oder negativer Stimmfärbung sowie mit entsprechendem oder widersprechendem Gesichtsausdruck vorlesen. Dabei musste eine Reihe von Versuchspersonen die emotionale Gesamtwirkung der Kurzbotschaften beurteilen. Das Ergebnis: Bei widersprüchlichen Botschaften (etwa wenn ein positives Wort wie „Liebling“ mit negativer Mimik oder Stimme ausgesprochen wird) setzt sich die Körpersprache durch. Für die Laborsituation ermittelte Mehrabian ein Verhältnis von 55 Prozent Mimik zu 38 Prozent Stimme zu 7 Prozent Inhalt – bezogen auf die Wirksamkeit einer Botschaft. Tausende von Kommunikationstrainern verliebten sich in diese Formel und sorgten dafür, dass seither überall auf der Welt erzählt wird, der Inhalt einer Rede mache nur 7 Prozent der Wirkung aus. Das ist allerdings mit Vorsicht zu betrachten. Mehrabian selbst hat das Ergebnis des Laborexperiments nie als allgemeingültige Kommunikationsformel verstanden. Natürlich ist der Inhalt auch wichtig, und wir sollten für wichtige Vorträge oder Gespräche gut vorbereitet sein.

Es kommt nicht nur auf den Inhalt an

Aber Fachlichkeit wird vorausgesetzt, und in den allermeisten Fällen sind die Sprecher auf ihrem Gebiet wirkliche Experten. Nur achten sie dann oft ausschließlich auf den Inhalt. Fakt ist, dass unsere kommunikative Wirkung sehr stark von nonverbalen Signalen bestimmt wird. Wenn es einen Widerspruch gibt zwischen dem, was gesagt wird, und der Art und Weise, wie es gesagt wird, glaubt der Zuhörer intuitiv eher der Körpersprache. Wenn also jemand gepresst und angespannt sagt „Es gibt keine Wirtschaftskrise und es hat auch nie eine gegeben“, beruhigt uns das nicht im Geringsten.

Damit Ihre Botschaft richtig ankommt, müssen also auch Körpersprache und Stimme überzeugen. Ganz zentral dafür ist ein ruhiger Atemfluss, der Sie so sprechen lässt, wie Sie in einer entspannten Situation sprechen. Drei Viertel aller Menschen sind aber in der Hochatmung unterwegs. Der Brustraum hebt sich bei der Einatmung, die Schultern werden angehoben und der Bauch wird eingezogen. Die Stimme wird höher, wir sprechen schneller. Unter Stress verstärkt sich das noch einmal, wenn wir uns diese Form des Atmens erst einmal angewöhnt haben.

Übung

Selbstversuch „Wie atme ich?“

Atmen Sie wie gewohnt weiter. Stellen Sie sich hin und legen Sie eine Hand auf die Brust, die andere auf den Bauch. Was hebt und senkt sich jetzt?

Ist es Ihr Bauch, sind Sie in der Tiefenatmung.

Ist es Ihre Brust, sind Sie in der Hochatmung. 

Und wenn Sie gerade in den Bauch atmen, das aber als ungewohnt empfinden und sich dafür extra konzentrieren müssen, sind Sie sonst wahrscheinlich meistens in der Hochatmung unterwegs.

Unsere ganz natürliche Atmung ist die Bauchatmung. Achten Sie mal auf Kinder. Kein Kind ist in der Hochatmung, wenn es sich sicher fühlt. Schnapp- oder Seufzeratmung? Nur, wenn es traurig ist, unsicher oder wütend. Oder beobachten Sie einmal ein Baby auf dem Wickeltisch. Beim Einatmen macht es einen riesigen Bauch und dann: Alle Kraft voraus und ein ohrenbetäubendes Schreien! Wenn das kleine Kind diese Kraft nur durch den Kehlkopf und die Lungen bilden sollte, würde es Schreiknötchen an den Stimmbändern entwickeln. Und niemand würde glauben, dass es Hunger hat oder Bauchschmerzen. Der Winzling zeigt uns also, was man mit der richtigen Atmung alles anstellen kann.

Durch Erziehung antrainierte Hochatmung

Wenn Sie selbst sich hinlegen, werden Sie sofort, innerhalb weniger Sekunden, so atmen, wie wir auf die Welt gekommen sind: in der zwerchfellgestützten Bauchatmung. Kaum stellen wir uns aber hin und gehen zur Arbeit, ist Schluss mit der Tiefenatmung. Warum? Einen großen Anteil an der antrainierten Hochatmung hat die Erziehung. Wir Frauen ziehen gerne mal den Bauch ein, um dünner zu wirken, und auch die Männer outen sich zunehmend in meinen Trainings und möchten das „Bäuchlein“ verbergen. Doch wenn der Bauch eingezogen ist, bleibt uns gar nichts anderes mehr übrig, als in die Hochatmung zu gehen. Das Zwerchfell ist dann verkrampft und kann sich nicht mehr bewegen. Viele haben sich die Hochatmung auch antrainiert durch den Kindheitssatz „Sitz gerade. Brust raus, Bauch rein!“(siehe nächstes Kapitel). Einige Seminarteilnehmer haben mir zurückgemeldet, dass sie sich größer und gewappneter fühlen mit geschwellter Brust. Doch Sie werden sehr schnell spüren, dass Sie sich beim Üben der Tiefenatmung schnell viel sicherer fühlen. Geerdet.

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Infoblock: Was alles aus der Atmung folgt

Bei der Tiefenatmung wird das Zwerchfell, ein zwischen den Rippenbögen aufgehängter Atemmuskel, nach unten abgesenkt. Man kann sich diesen Muskel im entspannten Zustand wie einen leicht geöffneten Regenschirm vorstellen. Atmen wir ein, spannt sich das Zwerchfell nach unten und erhöht somit unsere Atemkapazität. Das können wir nicht steuern. Wir können es aber unterstützen, indem wir die Bauchdecke lösen, beim Üben sogar die Bauchdecke nach vorne wölben. Keine Angst, das sieht man nicht. Kein Mensch guckt Ihnen beim Sprechen auf den Bauch. Beim Ausatmen wird das Zwerchfell wieder nach oben geschoben, die Bauchdecke zieht sich ein. Stellen Sie sich die Bauchkugel vor wie eine altmodische Hupe: Beim Eindrücken des Gummiballs (Ausatmen) entsteht die Kraft für das Geräusch, das die Hupe macht, beim Loslassen (Einatmen) wird die dafür erforderliche Luft eingesogen.

Wenn Sie die Bauchatmung anwenden, werden Sie merken, dass der Brust- und Schulterbereich sich nicht nach oben oder nach vorn bewegt, sondern ruhig bleibt. Nur die Bauchdecke bewegt sich beim Einatmen nach außen, beim Ausatmen nach innen. Dadurch kommen Sie in einen ruhigen Atemfluss, der Sie so sprechen lässt, wie Sie in einer entspannten Situation sprechen. Sie reden automatisch etwas langsamer und Ihre Stimme bleibt tiefer. Bei der Hochatmung sieht das anders aus: Ihr Kehlkopf ist angespannt, die Stimmbänder sind verkürzt und der ganze Druck liegt auf dem oberen Brust- und Halsbereich. Sie klingen gepresst und die Stimme geht hoch. Fast allen Menschen passiert das in höchst emotionalen, spannungsgeladenen privaten Situationen. Und da ist es auch völlig in Ordnung. Nicht aber, wenn Sie zu einem Publikum reden, auch wenn Sie gerade zu spät gekommen sind. Da ist Professionalität gefragt. Und durch eine ruhige Atmung finden Sie zu Ihrer professionellen Rolle zurück.

Auf einen Blick

Kurz vor einer Rede „tief durchzuatmen“ bringt nichts. Geht man dabei in die Schreckatmung (Hochatmung), wirkt die Stimme erst recht gestresst. Wichtig ist es, im Alltag richtig zu atmen.

Bauch- oder Tiefenatmung entspannt, senkt die Stimme und das Sprechtempo, verhindert, dass man die Schultern hochzieht und den Kehlkopf anspannt.

70 Prozent aller Menschen sind in der Hochatmung unterwegs: Sie haben gelernt „Brust raus, Bauch rein“, möchten nicht dick wirken und ziehen den Bauch ein, oder stehen so unter Strom, dass sie sich diese Atmung angewöhnt haben.

Die Tiefenatmung ist unsere natürliche Atmung, mit der wir auf die Welt kommen. So, wie wir sie uns abgewöhnen können, können wir sie uns auch wieder angewöhnen. In akuten Stresssituationen bewährt sich daneben das Kommando „Lass den Bauch los!“.