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Silvia Richter-Kaupp mit Gerold Braun und Volker Kalmbacher

Business-Coaching

Wie man Menschen wirksam unterstützt und sich erfolgreich als Coach am Markt etabliert

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95623-117-9

Programmleitung: Ute Flockenhaus, GABAL Verlag

Lektorat: Susanne von Ahn, Hasloh

Umschlaggestaltung: Martin Zech, Bremen | www.martinzech.de

Umschlagfoto: corepics/Fotolia

Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim| www.lohse-design.de

Copyright © 2014 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise,

nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

www.gabal-verlag.de

Inhalt

1 Grundlagen

1. Coaching und andere Beratungsformen

2. Verschiedene Coaching-Schulen/ -Richtungen

3. Ziele und Nutzen von Business-Coaching

4. Beteiligte im Coaching-Prozess

5. Arten und Formen von Business-Coaching

6. Anlässe und Themen im Business-Coaching

7. Kosten von Business-Coaching

8. Erfolgsfaktoren und Qualitätssicherung im Business-Coaching

9. Pro und Contra gängige Coaching-Thesen

10. Berufsethik

2 Persönliche Qualifikation

1. Anforderungen an Coachs

Fähigkeiten und Eigenschaften von Coachs

Kernkompetenzen von Coachs

2. Selbstführung

Konstruktivismus

Lethologische Haltung

Das persönliche Selbstverständnis als Coach

Wahrnehmungspositionen eines Coachs im Coaching

Transaktionsanalyse

Schattenanteile und Projektionen

Achtsamkeit

Selbstregulation

Selbstwert – Selbstliebe – Selbstempathie/Selbstmitgefühl

3. Beziehungsgestaltung

Agieren statt reagieren

Gewaltfrei kommunizieren

Vertrauen schaffen

Präsent sein, empathisch zuhören und paraphrasieren

Akzeptieren

Sinnessysteme beachten

Hilfreiche Fragen stellen

Bewusstsein schaffen

Metaphern aufgreifen/anbieten

Perspektivwechsel anregen

Emotionale Beteiligung steuern

Abstraktionsebenen steuern

Handlungen anstoßen

Anerkennung aussprechen

Hausaufgaben vorschlagen

3 Methodische Qualifikation

1. Coaching-Prozess

Grundsätzliches

Das Engpass-konzentrierte Coaching-Modell (EKC)

Entschluss herbeiführen

Ergebnis klären

Engpass identifizieren

EMotion anstoßen

Erfolg messen

Ernte einfahren

Sitzungen vor- und nachbereiten

2. Coaching-Tools

Auftragsklärung

Plus-Minus-Aufstellung

Die logischen Ebenen

SMARTe Ziele

Tun-und-Lassen-Liste

Erfolgs- und Stärken-Analyse

Systemisch-lösungsorientierte Interventionen

Inneres Team

Somatische Marker

Wechselwirkungsschleife

Werteklärung

Ärger-Transformation

Autosuggestion

Glaubenssatzarbeit

Evaluation

4 Unternehmerische Qualifikation

1. Positionierung

Spezialisierungsstrategien

Die Engpass-konzentrierte Strategie (EKS)

Der Identitäts- und Positionierungs-Kreis (IPK)

2. Inszenierung

Website

Geschäftsausstattung

Social Media

3. Profilierung

Auftreten

Vorträge

Netzwerken

4. Kundengewinnung

Akquisestrategien

Direktmarketing

Aktiv verkaufen

Literaturverzeichnis

Über die Autoren

1Grundlagen

Die Nachfrage nach Coaching ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Nicht nur bei Führungskräften ist ein wachsender Beratungsbedarf zu erkennen. Die International Coach Federa-tion (ICF) – der weltweit älteste und größte Verband professioneller Coachs – berichtet in ihrer „2012 ICF Global Coaching Study“ (die umfassendste Coaching-Studie, die bislang veröffentlicht wurde, mit über 12.000 teilnehmenden Coachs aus 117 Ländern – www.coachfederation.org – 27.02.2014), dass bei 60 Prozent der befragten Coachs die Klienten-Zahlen gestiegen waren, bei 55 Prozent das Einkommen, bei 49 Prozent die Anzahl an Coaching-Sitzungen und bei 37 Prozent der Stundensatz. Die ICF-Studie rechnet die Zahl der professionellen Coachs auf weltweit rund 47.500 im Jahr 2012 hoch. 2007 waren es noch 30.000. 1,9 Milliarden US-Dollar werden der Studie zufolge mittlerweile Jahr für Jahr mit Coaching umgesetzt.

Dieser gestiegene Coaching-Bedarf hat damit zu tun, dass sich der technische, soziale und kulturelle Wandel in unserer Gesellschaft immer schneller vollzieht und manch einer mit diesem Tempo nicht mehr mitkommt, weil seine Psyche nicht Schritt halten kann. Psychosoziale Störungen haben enorm zugenommen; sie stehen inzwischen an erster Stelle bei der frühzeitigen Verrentung und an zweiter Stelle bei den Krankheitstagen. Burnout ist zum Massenphänomen geworden. Nicht wenige Menschen haben aufgrund der immer kürzer werdenden Verweilzeiten im Job kaum Bindungen zu Kollegen und suchen im Coach einen Ersatzvertrauten. Zum Coaching-Boom trägt zudem bei, dass lebenslanges Lernen und persönliche Entwicklung zu Leitsternen unserer Gesellschaft geworden sind. Coaching ist ein lukrativer Markt geworden.

Da Coach keine geschützte Berufsbezeichnung ist und es keine Zutrittsbarrieren gibt, hat dies leider dazu geführt, dass es Marktteilnehmer gibt, die sich Coach nennen, ohne über eine entsprechende Ausbildung zu verfügen. Für jemanden, der an Coaching interessiert ist, ist es nicht einfach, die seriösen von den unseriösen Angeboten zu unterscheiden. Dies ist eine Entwicklung, die wir mit wachsender Sorge sehen. Mit unserem Buch möchten wir daher zur Professionalisierung von Coaching beitragen, indem wir Coaching-Interessierten und „Anfänger-Coachs“ einen an der Praxis orientierten Leitfaden an die Hand geben, der kurz und knackig alles enthält, was man aus unserer Sicht über Coaching wissen sollte. Es versteht sich dabei von selbst, dass unser Buch keine Coaching-Ausbildung ersetzen kann.

Wir wünschen Ihnen viele hilfreiche Erkenntnisse und Handlungsimpulse und natürlich viel Freude beim Lesen!

1. Coaching und andere Beratungsformen

Der Begriff Coaching ist zwar in aller Munde, wird aber verschieden verwendet. Damit klar ist, wovon in diesem Buch die Rede ist, möchten wir zunächst einmal erläutern, was man unter Coaching versteht – auch in Abgrenzung zu anderen Beratungsformen.

Coaching – Begriffsklärung

Wenn man nach der Herkunft des Wortes forscht, stößt man darauf, dass „Coach“ ursprünglich „Kutsche“ bedeutet. Eine Kutsche ist ein Hilfsmittel, dessen man sich bedient, um ein Ziel schneller und bequemer zu erreichen als zu Fuß. Übertragen auf Coaching bedeutet dies, dass ein „Fahrgast“ – im Coaching Klient oder Coachee genannt – das Hilfsmittel „Kutsche“ oder Coach nutzt, um ein Ziel schneller zu erreichen als alleine.

Wie früher beim Kutsche- und heute beim Taxi-Fahren entscheidet auch im Coaching der „Fahrgast“ (Coachee) über das Reiseziel. Der „Kutscher“ (Coach) kennt die Wege, kann Entfernungen und Reisezeiten einschätzen und sorgt für gutes Vorankommen und angemessene Pausen. Coachs unterstützen ihre Klienten also dabei, gewünschte Ziele zu erreichen. Sie geben die Ziele jedoch nicht vor und bestimmen auch nicht darüber, wie sie genau zu erreichen sind. Der Klient bestimmt das Ziel und entscheidet, welcher der möglichen Wege dorthin ihm am liebsten ist; der Coach fungiert als ortskundiger Reisebegleiter. In anderen Worten: Der Klient ist für den Inhalt des Coachings verantwortlich, der Coach für den Prozess.

Voraussetzung für eine solche Zusammenarbeit ist eine funktionierende Selbststeuerungsfähigkeit des Coachees. Oder um im Bild zu bleiben: Der Fahrgast muss klar, nüchtern und fit genug sein, um dem Fahrer sagen zu können, wohin er will und welcher Weg ihm der liebste ist.

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Wenn in diesem Buch von Business-Coaching die Rede ist, sind Gespräche mit Einzelnen oder Gruppen gemeint, die von einer neutralen Person lösungsorientiert und zugleich ergebnisoffen geführt werden als Hilfe zur Selbsthilfe bei beruflichen Anliegen und damit verbundenen persönlichen Fragestellungen.

Coaching basiert auf der Grundannahme, dass der Klient selbst am besten weiß, was gut für ihn ist, dass er also Experte für sein eigenes Leben ist und alles, was für eine Veränderung nötig ist, bereits in ihm angelegt ist. Deshalb sind Coachs sparsam mit Ratschlägen oder Handlungsanweisungen. Stattdessen regen sie durch entsprechende Interventionen die Selbstreflexion des Klienten an, sodass dieser seine Ressourcen erkennt, aktiviert und ausbaut.

Training – eine Lernform

Unter Training versteht man eine organisierte Form des Lernens, in welcher sich meist eine Gruppe von Menschen (Einzel-Trainings sind seltener, aber selbstverständlich möglich) intensiv mit einem bestimmten Thema auseinandersetzt, um die vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern und zu vertiefen.

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Der Job eines Trainers ist es, Wissen zu einem bestimmten Thema zu vermitteln und mit den Teilnehmern Fähigkeiten und Fertigkeiten einzuüben.

In anderen Worten: Trainer sind Know-how-Vermittler. Sie müssen wissen, wie Lernen funktioniert, und benötigen vor allem methodisch-didaktische Expertise, damit sie ihre Trainings individuell auf die jeweiligen Voraussetzungen der Teilnehmer zuschneiden können.

Mediation – Vermittlung in Konflikten

Ein Mediator unterstützt Menschen bei der Beilegung eines Konflikts. Dabei bringt er sich inhaltlich selbst nicht ein, sondern sorgt für einen fairen Gesprächsverlauf. Durch Beobachten, Zuhören, Nachfragen und Zusammenfassen arbeitet er die Interessen und Bedürfnisse hinter den Positionen der Konfliktparteien heraus und fördert das wechselseitige Verständnis.

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Unter einer Mediation versteht man ein strukturiertes, aber ergebnisoffenes Gespräch, das von einer neutralen Person zur Vermittlung in einem Konflikt geführt wird.

Psychotherapie – medizinische Behandlung

Ein Psychotherapeut behandelt Menschen mit seelisch-psychischen Störungen mit Krankheitswert nach ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) durch eine geplante und kontrollierte Anwendung psychologischer Methoden, die sich auf eine Theorie normalen und pathologischen Verhaltens beziehen.

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Ziel einer psychotherapeutischen Behandlung ist die positive Beeinflussung seelisch-psychischer Krankheiten in Richtung Heilung beziehungsweise Verminderung von Leiden sowie die Förderung der Fähigkeit, besser mit den Problemen umgehen zu können.

Auf den Punkt gebracht:

Coaching ist nicht Experten-, sondern Prozessberatung. Coachs agieren in einer neutralen Haltung und beziehen inhaltlich keine Position. Stattdessen unterstützen sie Menschen, sich bewusst zu werden, was sie brauchen und wollen, indem sie ihnen zuhören, Fragen stellen und Feedback geben.

Im Unterschied zur Psychotherapie geht es im Coaching nicht um die Heilung oder Linderung psychischer Erkrankungen wie etwa einer Depression, sondern um das Erreichen eines konkreten Ziels. Ein Coach kann einen Menschen beispielsweise nicht dabei unterstützen, eine Angststörung zu überwinden. Er kann ihm aber sehr wohl dabei helfen, ablehnende Reaktionen von Kunden oder potenziellen Arbeitgebern, die bisher Ängste in ihm hervorgerufen haben, zu akzeptieren und sich ruhig dabei zu fühlen.

Im Rahmen eines Coachings können – wie auch in einem Training – Kenntnisse vermittelt und Fähigkeiten trainiert werden. Coaching geht aber weit darüber hinaus und umfasst auch die Reflexion von Werten, Überzeugungen und Rollenbildern, die Beschäftigung mit der eigenen Identität und Zugehörigkeit sowie mit Sinnfragen usw.

Die Übergänge zwischen einem Gruppen- oder Team-Coaching und einer Mediation sind fließend. Beides ist Prozessberatung, das heißt, der Coach beziehungsweise der Mediator agiert neutral und nimmt inhaltlich nicht Stellung. Da es kaum Gruppen-Situationen gibt, die hundertprozentig konfliktfrei sind, und lediglich das Ausmaß an Konflikten unterschiedlich ausgeprägt ist, verwenden wir die Begriffe Gruppen-/Team-Coaching und Mediation synonym. Wenn man einen Unterschied machen möchte, könnte man sagen, dass es bei einer Mediation in jedem Fall um eine Konfliktklärung geht, während es bei einem Coaching auch um die Klärung von Konflikten gehen kann.

2. Verschiedene Coaching-Schulen/-Richtungen

Wir haben bereits erwähnt, dass der Begriff Coaching nicht einheitlich verwendet wird. Dies kann ganz schön verwirren – und die Vielzahl an unterschiedlichen Coaching-Richtungen noch zusätzlich! Deshalb möchten wir nun etwas Licht in die Herkunft und die verschiedenen Strömungen bringen, die es im Coaching gibt.

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Die Ansätze und Methoden im Coaching stammen überwiegend aus anderen Bereichen, insbesondere aus der Psychologie, der Philosophie und der Managementlehre. Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene Schulen herausgebildet, die unterschiedliche Methoden und Vorgehensweisen entwickelt oder integriert haben und entsprechend ihrem Modell arbeiten und Coachs ausbilden. Zu diesen Schulen gehören das Neurolinguistische Programmieren (NLP), der Systemische Ansatz, die Transaktionsanalyse, die Verhaltenstherapie und die Positive Psychologie – um nur einige wenige zu nennen.

Ein Coach muss sich nicht unbedingt für eine bestimmte Richtung entscheiden, sondern kann auch eklektisch arbeiten. Zu Beginn mag es für einen angehenden Coach einfacher sein, einem bestimmten Ansatz zu folgen. Andererseits erlaubt erfolgreiches Coaching kein starres Vorgehen, denn dazu sind die Klienten und ihre Anliegen sowie die Rahmenbedingungen zu verschieden. Es ist allerdings ratsam, als (angehender) Coach verschiedene Richtungen unter die Lupe zu nehmen, um für sich entscheiden zu können, welche man tiefer gehend kennenlernen und in die eigene Arbeit integrieren will.

Persönlichkeit wichtiger als Theorie

Noch wichtiger ist jedoch die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit. Denn je klarer man die eigenen Stärken, Neigungen, Werte und Überzeugungen erkannt hat, umso leichter fällt es, dazu passende Wege zu gehen und peu à peu eine einzigartige Coach-Identität mit einem eigenen Stil auszubilden. Coach sein bedeutet, sich auf einen lebenslangen Weg des Lernens zu machen.

Auf den Punkt gebracht:

Die Methoden im Coaching stammen überwiegend aus anderen Bereichen, insbesondere aus der Psychologie, aber auch aus der Managementlehre und der Philosophie. In der Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen haben sich im Laufe der Jahre verschiedene Richtungen entwickelt, zum Beispiel das NLP oder die Systemische Beratung. Coachs müssen nicht einer „Schule“ folgen, sondern können genauso gut eklektisch arbeiten und verschiedene Methoden integrieren, die ihnen entsprechen. Dies ist insofern empfehlenswert, als die Unterschiedlichkeit der Klienten sowieso Flexibilität erfordert.

3. Ziele und Nutzen von Business-Coaching

Unabhängig von der „Schule“ und Ausrichtung des einzelnen Coachs kann man sagen, dass es im Business-Coaching um die Entfaltung des Potenzials des Coachees und die Erweiterung seiner beruflichen und persönlichen Kompetenzen geht. Coaching hilft Menschen dabei, sich ihrer Denk- und Verhaltensmuster bewusst zu werden und diese gegebenenfalls zu ändern, wenn sie sie als nicht zielführend erachten.

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Die Selbsterkenntnis zu fördern, ist ein wesentliches Ziel von Coaching, das ja eine Hilfe zur Selbsthilfe ist. Selbsterkenntnis ist die Voraussetzung für eine gezielte Selbststeuerung, denn nur was uns bewusst ist, das können wir auch verändern!

Nutzen für den Klienten

Für den Klienten kann Coaching in vielerlei Hinsicht nutzbringend sein: Es kann ihn dabei unterstützen, konkrete Strategien zur Bewältigung von aktuellen Problemen zu entwickeln, seinen Blickwinkel und Handlungsspielraum zu vergrößern, seine Selbstsicherheit zu steigern und seine Selbststeuerungsfähigkeiten zu verbessern, (endlich) im Hinblick auf ein angestrebtes Ziel ins Tun zu kommen, seine Leistungsfähigkeit zu steigern, mehr Gelassenheit zu empfinden, eine positivere Ausstrahlung zu erlangen usw.

Wird Coaching in einem Unternehmen als Instrument der Personalentwicklung eingesetzt, verfolgt das Unternehmen damit meist das Ziel, die betreffenden Mitarbeiter zu unterstützen und zu stärken, ihre Selbststeuerungsfähigkeit zu fördern oder konkrete Herausforderungen zu lösen wie zum Beispiel das Hineinwachsen in eine neue Rolle, Führungsprobleme oder Konflikte in Teams.

Nutzen für das Unternehmen

Für Unternehmen liegt der Nutzen von Coaching vor allem in einer erhöhten Leistungsfähigkeit und Motivation durch die individuelle Förderung, die häufig auch als Anerkennung erlebt wird. Dadurch ist es ein hervorragendes Instrument zur Entwicklung der Mitarbeiter und zur Steigerung ihrer Loyalität. Hinzu kommt ein Imagegewinn, denn Coaching kann sehr dazu beitragen, dass ein Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber empfunden wird und die Mitarbeiter sich stärker mit ihm identifizieren und dies dann auch nach außen tragen. Mitarbeiter, die regelmäßig Coaching erhalten, stärken dadurch auch ihre Soft Skills, zum Beispiel ihre emotionale und soziale Kompetenz. Dies kommt dem Unternehmen etwa in Form von kooperativerem Verhalten und erhöhter Kreativität zugute.

Auf den Punkt gebracht:

Coaching fördert die Selbstreflexion und die Selbsterkenntnis, also die Fähigkeit, über sich selbst nachzudenken und Schlüsse zu ziehen. Dies ist Voraussetzung für eine gezielte Selbststeuerung, denn nur was uns bewusst ist, das können wir auch gezielt verändern. Dadurch wird es erst möglich, aktiv Strategien zur Lösung von Herausforderungen zu entwickeln und Ziele fokussiert anzugehen.

Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Coaching anbieten, machen die Erfahrung, dass das Coaching die Produktivität, Arbeitsleistung, Beziehungen, Kommunikation und Zusammenarbeit sowie das Zeitmanagement und Selbstvertrauen der Mitarbeiter stärkt. Außerdem kann Coaching das Arbeitgeber-Image verbessern.

4. Beteiligte im Coaching-Prozess

Mit Ausnahme von Gruppen-/Team-Coachings finden Coaching-Gespräche üblicherweise unter vier Augen statt. Darüber hinaus gibt es unter Umständen noch weitere Beteiligte im Coaching-Prozess:

Bei unternehmensbezahltem Coaching ist meist sowohl die Personalabteilung als auch die Führungskraft des Mitarbeiters involviert. Der – externe oder firmeninterne – Coach kommt in der Regel dann ins Spiel, wenn entschieden ist, dass ein Coaching in Anspruch genommen werden soll. Die Personalabteilung ist üblicherweise Auftraggeber des Coachings. Ihr obliegt die Implementierung des Coaching-Prozesses und dessen Evaluation. Für externe Coachs ist sie Ansprechpartnerin in Sachen Vertrag, für die Führungskraft bei Fragen zum Coaching allgemein.

Rolle der Führungskraft

Von der Führungskraft geht häufig die Initiative für das Coaching aus. In manchen Unternehmen gibt es feste Richtlinien, wer Coaching bekommt und wer nicht. Inwieweit die Führungskraft ansonsten in das Coaching einbezogen wird, hängt vom Einzelfall ab. Im Idealfall trägt sie zum Transfer der Coaching-Ergebnisse in den Arbeitsalltag bei. Dabei kann es leicht passieren, dass Führungskräfte den Coach dazu benutzen wollen, ihre Mitarbeiter nach ihren Vorstellungen zu „optimieren“. Dies ist bequemer, als selbst innezuhalten, sich zu hinterfragen, Verantwortung zu übernehmen und sich der eigenen Problemanteile und Verbesserungspotenziale bewusst zu werden. Es ist menschlich nachvollziehbar, Verbesserungen in erster Linie von anderen zu erwarten. Da jedes Mitglied eines Systems – also zum Beispiel einer Abteilung oder eines Unternehmens – aber Anteil am „System-Geschehen“ hat, sind Veränderungen umso eher möglich, wenn alle Beteiligten bereit sind, bei sich selbst anzufangen, statt sich zurückzulehnen und Veränderungen allein vom anderen zu erwarten.

Auf den Punkt gebracht:

Bei unternehmensbezahlten Coaching-Prozessen hat ein Coach häufig mehrere Auftraggeber, deren Interessen er berücksichtigen muss: die Personalabteilung, die Führungskraft des Coachees und den Coachee selbst. Um sich nicht von Führungskräften instrumentalisieren zu lassen, sollte ein Coach für sich klären, wo er Grenzen setzt.

5. Arten und Formen von Business-Coaching

Vielleicht sind Sie in Berichten über Coaching schon einmal über Begriffe wie „interner Coach“ oder „Face-to-Face-Coaching“ gestoßen – und haben sich dabei gefragt, was das eigentlich genau bedeutet. Dies soll im Folgenden kurz erläutert werden:

Arten von Coaching

Von externen Coachs spricht man, wenn selbstständige oder für einen Coaching-Anbieter tätige Coachs von einem Unternehmen für ein Coaching beauftragt werden. Sie haben den Vorteil, dass sie nicht betriebsblind sind und Distanz mitbringen. Dadurch fällt es ihnen leicht, die Perspektive zu wechseln und gegebenenfalls auch kritische Punkte anzusprechen. Außerdem tauchen bei externen Coachs selten Vertrauensprobleme auf, wie es bei internen Coachs der Fall sein kann. Nachteilig kann sich allerdings auswirken, dass ein externer Coach nicht mit der Unternehmenspolitik und -kultur vertraut ist.

Größere Unternehmen haben teilweise eigene fest angestellte interne Coachs. Bei diesen handelt es sich zum Beispiel um Mitarbeiter der Personalentwicklung, um Führungskräfte oder erfahrene Angestellte, die in der Regel eine Coaching-Ausbildung absolviert haben und zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben Mitarbeiter anderer Abteilungen coachen. Schwierigkeiten kann es bei internen Coachings geben, wenn sich die Führungskraft des gecoachten Mitarbeiters und der firmeninterne Coach kennen. Dies kann dazu führen, dass der Coachee misstrauisch ist und nicht bereit, sich zu öffnen. Nachteilig kann sich auch auswirken, dass der Coach Teil des Unternehmens und dadurch ein Stück weit betriebsblind ist. Andererseits kann die Kenntnis der Unternehmenspolitik und -kultur auch vorteilhaft sein, da ein interner Coach besser als ein externer einschätzen kann, ob die Ergebnisse des Coachings im Unternehmen umsetzbar sind.

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Da der Erfolg eines Coachings ganz entscheidend von einer vertrauensvollen Coach-Klienten-Beziehung abhängt, sollte der Coachee das letzte Wort beim Thema „interner versus externer Coach“ haben. Wenn er Bedenken in Sachen Vertraulichkeit hat, sollte man ihm einen externen Coach bewilligen.

Formen von Coaching

Coaching findet überwiegend „Face-to-Face“ im persönlichen Gespräch statt. Dies kann auch die Form eines Coachings on the Job („Shadowing“) annehmen, bei dem der Coach den Coachee für einige Zeit bei seiner Arbeit begleitet und das Erlebte mit ihm reflektiert. Heutzutage findet Coaching aber nicht nur „Face-to-Face“, sondern immer häufiger auch am Telefon statt. Telefon-Coaching hat den Vorteil, dass Coach und Coachee geografisch unabhängig und zeitlich flexibler sind. Die Integration von Coaching-Terminen in den Alltag ist leichter und alle Beteiligten sparen Zeit und Geld, da keine An- und Abreise anfällt. Vielen Coachees fällt es zudem am Telefon leichter, sich zu fokussieren. Und die „Gesichtswahrung“ am Telefon erleichtert die Bereitschaft, sich zu öffnen, was tiefer gehende Erkenntnisse ermöglicht. In der Praxis findet man manchmal auch Mischungen aus Face-to-Face- und Telefon-Coaching, etwa wenn Telefon-Coaching für kurze Sessions zwischen Face-to-Face-Treffen genutzt wird.

Eine weitere Form von Coaching ist das E-Coaching beziehungsweise Online-Coaching. Dabei werden die technischen Möglichkeiten des Internets genutzt, zum Beispiel E-Mails oder Online-Arbeitsräume, in denen Coach und Coachee interagieren. Last, but not least gibt es noch Selbst-Coaching-Kurse, bei denen sich der Coachee mithilfe von vorgegebenen Fragen selbst coacht. Analog zum Telefon-Coaching haben E-Coaching und Selbst-Coaching-Programme durch ihre Asynchronität den Vorteil der geringeren Kosten und der räumlichen und zeitlichen Unabhängigkeit und Flexibilität. Die schriftliche Form im E-Coaching und in Selbst-Coaching-Programmen bietet zudem eine gute Dokumentation des Prozesses. Nachteilig kann sich beim E-Coaching auswirken, dass das Coaching distanzierter bleibt, da der Coach den Grad der Emotionalität nur bedingt spüren und beeinflussen kann. Auch lassen sich manch hilfreiche Coaching-Methoden nicht einsetzen.

Es ist sinnvoll, situativ zu entscheiden, welche Form(en) von Coaching in welcher Kombination für den jeweiligen Klienten und sein Anliegen passend ist/sind.

Auf den Punkt gebracht:

Externe Coachs haben den Vorteil, dass es ihnen aufgrund ihrer Außensicht leichtfällt, dem Coachee und seinem Anliegen neutral zu begegnen. Coachees fällt es zudem meist leichter, externen Coachs zu vertrauen als internen. Interne Coachs können dagegen besser einschätzen, inwieweit im Coaching gewonnene Erkenntnisse und Vorhaben im Unternehmen umsetzbar sind. Die Entscheidung „externer versus interner Coach“ sollte immer der Coachee selbst treffen dürfen. Wenn er keine vertrauensvolle Beziehung zum Coach aufbauen kann, ist die Chance, dass das Coaching erfolgreich ist, gering. Dasselbe gilt für die Form des Coa- chings: Ob Face-to-Face-, Telefon- oder E-Coaching oder eine Mischung daraus, das sollte ebenfalls dem Coachee überlassen werden, denn wenn dieser sich nicht wohlfühlt, wird das Coaching kaum erfolgreich sein.

6. Anlässe und Themen im Business-Coaching

Beim Lesen ging Ihnen vielleicht etwas durch den Kopf wie: „Alles gut und schön, jetzt habe ich verstanden, dass man sich beim Coaching nicht zwingend gegenübersitzen muss, aber worüber wird in den Coaching-Sitzungen eigentlich gesprochen?“ Die Palette möglicher Themen ist riesig. Zu den häufigsten Anlässen und Themen im Coaching gehören im beruflichen Kontext die folgenden:

Typische Coaching-Themen

  • Selbststeuerungsthemenwie der Umgang mit Emotionen, Burnout-Prävention, Zeit- und Stressmanagement, Veränderung von Denk- und Verhaltensmustern, Übernahme einer neuen Aufgabe oder Position;
  • Führungsthemen wie der Umgang mit den Problematiken beim Wechsel vom Mitarbeiter zum Vorgesetzten oder bei lateraler Führungsverantwortung;
  • Kommunikations- und Interaktionsthemen wie Gesprächs- und Verhandlungsführung, Mobbing, Konflikte mit Kollegen / Kunden / Mitarbeitern / Vorgesetzten;
  • Organisationsthemen wie Herausforderungen, die sich aus Umstrukturierungen oder Fusionen ergeben;
  • Persönlichkeitsentfaltungsthemen wie die Reflexion persönlicher Werte, die Sinnfindung, die Definition und Umsetzung beruflicher und persönlicher Ziele oder die Verbesserung der persönlichen Wirkung;
  • Strategiethemen wie die Karriereplanung oder die Begleitung beim Finden und Umsetzen einer Geschäftsstrategie.

Auf den Punkt gebracht:

Als Faustregel kann man sagen, dass Coaching immer dann in Erwägung gezogen werden sollte, wenn wir etwas an der Istsituation ändern möchten, aber nicht auf Anhieb und in wenigen Worten sagen können, was genau der „Knoten“ ist, den wir lösen müssen, und was wir konkret tun können, um weiterzukommen.

7. Kosten von Business-Coaching

Da sich – wie bereits erwähnt – jeder Coach nennen darf, der will, ist die Bandbreite der Honorare im Coaching ebenso enorm wie die Bandbreite dessen, was als Coaching angeboten wird. Laut der seit 2002 jährlich von Jörg Middendorf (BCO, Köln) durchgeführten „Coaching-Umfrage Deutschland“ (Middendorf und Fritsch 2013) liegt der durchschnittliche Stundensatz eines Coachs bei 165 Euro (elfte Umfrage, veröffentlicht im März 2013). Rund zwei Drittel aller Coachings werden der Studie zufolge durch Unternehmen bezahlt. Dies zeigt, dass sich die Positionierung des Coachings als ein integrierter Bestandteil der Personalentwicklung von Unternehmen gefestigt hat. Bei privat finanzierten Coachings lag der durchschnittliche Stundensatz bei 126 Euro, bei unternehmensfinanzierten Coachings bei 187 Euro. Mit diesen Beträgen kann jedoch längst nicht jeder Coach rechnen, denn der tatsächlich erzielte Stundensatz hängt von Geschlecht, Berufserfahrung und Arbeitszeit ab. Frauen erzielen geringere Honorare als Männer, ältere Coachs höhere Honorare als jüngere und Coachs mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung mehr als weniger erfahrene Coachs. Die unterschiedlichen Honorare für Firmen- und Privatkunden sind darin begründet, dass im Firmenbereich in der Regel ein höherer Aufwand für Vorgespräche, Zwischenbilanz- und Evaluations-Meetings anfällt.

Der Zeitaufwand

Dem interessierten Laien mögen diese Honorare hoch erscheinen. Dabei wird häufig nicht berücksichtigt, dass Coaching mehr ist als die Präsenzzeit während der Sitzungen. Verantwortungsbewusste Coachs betreiben Qualitätssicherung und bereiten nicht nur ihre Sitzungen sorgfältig vor und nach und bilden sich kontinuierlich weiter, sondern nehmen auch regelmäßig Supervision (eine spezielle Beratungsform zur konkreten, fallbezogenen Überprüfung des eigenen Verhaltens im Coaching) in Anspruch. Nach einer Erhebung der Beratungsgesellschaft „The Coaching Centre“ in den Jahren 2009 bis 2011 (Demb- kowski 2011) muss man mit einem Faktor von 2,66 rechnen, wenn man den tatsächlichen Zeitaufwand für ein professionelles Business-Coaching errechnen will.

Auf den Punkt gebracht:

Der durchschnittliche Betrag für eine Stunde Coaching lag 2013 bei 165 Euro. Eine Stunde Coaching bedeutet für einen professionellen Coach, der seinen Beruf ernst nimmt, Sitzungen sorgfältig vor- und nachbereitet und sich regel-mäßig weiterbildet und zur Supervision geht, etwa zweieinhalb Stunden Zeitaufwand.

8. Erfolgsfaktoren und Qualitätssicherung im Business-Coaching

Nachdem Sie gehört haben, dass Coachs in einer neutralen Haltung agieren und bewusst nicht als Experte für die Inhalte des Coachings auftreten, sondern sich auf die Steuerung des Prozesses konzentrieren, haben Sie sich vielleicht gefragt, was dann wohl den Erfolg von Coaching ausmacht. Darum geht es in diesem Abschnitt.

In der öffentlichen Diskussion wird im Zusammenhang mit Coaching Qualität häufig mit der Qualifikation des Coachs gleichgesetzt. Für den Coaching-Prozess zirkulieren außerdem zahlreiche sogenannte „Coaching-Standards“, die allerdings weder verbindlich noch allgemein anerkannt sind. Die bisherige Coaching-Forschung hat nach Dr. Karin von Schumann (von Schumann 2008) hingegen die folgenden Qualitätskriterien für Coaching herausgearbeitet:

Qualitätskriterien

  1. Strukturqualität (Qualitätsmerkmale, die die Rahmenbedin- gungen betreffen)
    • Die Beziehung zwischen Coach und Coachee, zum Beispiel Vertrauen, Sympathie, Offenheit, gegenseitige Wertschätzung
    • Klarheit und Transparenz hinsichtlich des eigenen Coaching-Konzepts, der angewandten Methoden sowie der Möglichkeiten und Grenzen von Coaching
    • Ein partnerschaftliches Coaching-Verständnis, das heißt Partizipation des Coachees bei der Vorgehensweise
    • Die persönliche Kompetenz des Coachs, zum Beispiel zuhören und strukturieren können, Business-Verständnis, Integrität, Verschwiegenheit, Glaubwürdigkeit, Vorbildfunktion
  2. Prozessqualität (Qualitätsmerkmale, die den Ablauf des Coachings betreffen)
    • Die Zielkonkretisierung, -bindung und -kontrolle
    • Die Veränderungsmotivation des Coachees
  3. Ergebnisqualität (Qualitätsmerkmale, die das Ergebnis des Coachings betreffen)
    • Entwicklungsorientiertes und wertschätzendes Feedback
    • Eine detaillierte abschließende Evaluation mit einigem zeitlichen Abstand zum Coaching (um die Nachhaltigkeit zu überprüfen und der Zeitabhängigkeit von Veränderungen gerecht zu werden, die kurzfristig durch die verstärkte Selbstreflexion auch mit Rückschritten einhergehen können)

Auf den Punkt gebracht:

Die bisherige Coaching-Forschung hat bestätigt, was erfahrenen Coachs ohnehin klar war: Der zentrale Faktor für ein erfolgreiches Coaching ist die Beziehung zwischen dem Coach und dem Coachee. Vertrauen, Sympathie, Offenheit und gegenseitige Wertschätzung tragen wesentlich zum Erfolg von Coaching bei. Für den Erfolg ist es außerdem wichtig, dass der Coachee klare Vorstellungen davon hat, was ihn im Coaching erwartet, und dass er den Prozess mitbestimmen kann. Coachs sollten ihr Konzept und Vorgehen also unbedingt transparent machen und den Coachee immer wieder einbinden und nicht einfach irgendetwas machen. Des Weiteren ist es für den Erfolg eines Coachings wichtig, dass der Coach über eigene Business-Erfahrung verfügt, gut zuhören und strukturieren kann und verschwiegen, glaubwürdig und integer ist. Vonseiten des Coachees ist eine ausreichende Veränderungsmotivation unabdingbar. Außerdem ist es bedeutsam, dass konkrete Ziele vereinbart und nachgehalten werden, wertschätzendes Feedback gegeben und der Coaching-Prozess abschließend evaluiert wird.

9. Pro und Contra gängige Coaching-Thesen

Wie im vergangenen Abschnitt erwähnt, ist in der Fachpresse immer wieder von „Standards“ im Coaching zu lesen. Im noch jungen und staatlich nicht regulierten Feld des Business- Coachings haben es einige Behauptungen geschafft, den Anschein von anerkannten „Coaching-Standards“ zu erwecken.

1. Ein Chef kann niemals Coach seiner Mitarbeiter sein!

2. Coachs dürfen keine Ratschläge geben!

3. Coaching muss immer freiwillig sein!

4. Coaching hat nichts mit Therapie zu tun!

5. Coachs müssen eigene Führungserfahrung haben!

6. Coaching muss immer absolut vertraulich sein!

7. Coaching erstreckt sich immer über mehrere Sitzungen und ist zeitlich begrenzt!

Diese Postulate sollen nachfolgend näher beleuchtet werden:

1. Ein Chef kann niemals Coach seiner Mitarbeiter sein!

Als Grund für dieses Postulat wird häufig angeführt, dass das Coachen der eigenen Mitarbeiter zu einem Interessenkonflikt führe, da die Führungskraft den Mitarbeiter nur dazu bringen wolle, optimal zu funktionieren, und das nötige Vertrauensverhältnis nicht gegeben sei. Dem kann entgegnet werden, dass Führungskräfte in der Regel an Interessenkonflikte gewöhnt sind, denn sie müssen einerseits möglichst viel aus ihren Mitarbeitern „herausholen“ und haben ihnen gegenüber andererseits eine Fürsorgepflicht.

Herausforderung Ergebnisoffenheit

Neben dem eventuell nicht gegebenen Vertrauensverhältnis ist allerdings zu bedenken, dass Coaching eine andere innere Haltung erfordert als Führung. Die coachende Haltung ist neugierig, fragend, partnerschaftlich und ergebnisoffen; beim Führen im klassischen Sinne geht es hingegen (auch) darum, Ziele vorzugeben und Handlungen zu kontrollieren und zu bewerten. Coachs verfolgen gegenüber ihren Coachees keine eigenen Interessen; Führungskräfte hingegen schon, da sie für das Erreichen der Ziele verantwortlich sind. Vorgesetzte und ihre Mitarbeiter befinden sich in einer hierarchischen Beziehung, Coachs und ihre Coachees in einer Beziehung auf Augenhöhe. Ein Mitarbeiter kann seinem Chef nicht kündigen, wenn er mit dessen Coaching nicht zufrieden ist, was ein Coachee jederzeit kann. Die Führungskraft wiederum kann nicht beliebige Ziele des Mitarbeiters akzeptieren, sondern muss die eigenen oder vorgegebenen Ziele im Blick behalten. Coachen und Führen (nach bisherigem Verständnis) unterscheiden sich also insbesondere dadurch, dass der Coach nichts vorgibt, bestimmt oder anordnet. Ein Chef kann demzufolge nur dann als Coach agieren, wenn er eine ergebnisoffene Haltung einnimmt.

Selbst bei einer ergebnisoffenen Haltung besteht allerdings die Gefahr einer Rollendiffusion, denn das Prinzip der Vertraulichkeit von Coaching-Gesprächen steht eventuell im Konflikt mit der Wahrung von Unternehmensinteressen. Selbst wenn sie nur das Beste für ihre Mitarbeiter möchten, sind Führungskräfte schließlich auch nur Menschen, die sich durch die Coaching-Gespräche unbewusst ein Bild von ihren Mitarbeitern machen – und dieses Bild kann in der Folge unter Umständen negative Auswirkungen auf Beurteilungen und Personalentscheidungen haben.

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Aufgrund des möglichen Konflikts zwischen der Gewährleistung der Vertraulichkeit von Coaching-Inhalten und der Wahrung von Unternehmensinteressen können Führungskräfte aus unserer Sicht eher nicht als Coach ihrer Mitarbeiter agieren. Sie können jedoch einen coachenden Führungsstil entwickeln, der die Selbstverantwortung ihrer Mitarbeiter fördert. Ein solcher Führungsstil erfordert allerdings das Selbstverständnis eines „besten Koordinators und Förderers“ und nicht – wie häufig noch verbreitet – „besten Fachmanns“.

Modernes Führungsverständnis

In der heutigen Arbeitswelt werden Eigenverantwortung und Kooperation immer selbstverständlicher, denn es gibt immer mehr komplexe Situationen, die ein Einzelner nicht alleine überblicken kann. Entscheidungen von oben geraten mehr und mehr aus der Mode und beteiligungsorientierte Vorgehensweisen sind auf dem Vormarsch. Direktive Führung kommt bei vielen Menschen nicht mehr gut an. Die Führungskraft als „Held“, der alles weiß, kann und richtet, hat langsam ausgedient. Menschen in Führungsfunktionen hilft heutzutage eher das Rollenverständnis eines guten Gastgebers: Sie müssen Menschen zusammenbringen, auf ihre Bedürfnisse eingehen, Flexibilität im Umgang mit ihnen beweisen und dabei Verantwortung für sie übernehmen. Dies erfordert Fähigkeiten, die man unter dem Begriff „Coaching-Kompetenzen“ zusammenfassen kann: bewertungsfrei wahrnehmen, Körpersignale spüren, eigene Gefühle und Bedürfnisse erkennen, Emotionen und Bedürfnisse anderer erspüren, ergebnisoffen fragen, empathisch zuhören usw. Bei vielen Menschen sind diese Fähigkeiten nicht so ausgeprägt vorhanden und wollen erst entwickelt werden. Interpretieren, analysieren, anordnen können die meisten Führungskräfte gut. Die Kompetenzen, die es für einen coachenden Führungsstil braucht, wollen hingegen erst erlernt werden!

2. Coachs dürfen keine Ratschläge geben!

Das Dogma, dass die Lösungen immer vom Coachee kommen müssen, scheint in der Coaching-Szene weit verbreitet – vermutlich befeuert durch Bücher wie „Ratschläge sind auch Schläge“ von Gabor von Varga und „Beratung ohne Ratschlag“ von Sonja Radatz. Begründet wird dieser Leitsatz häufig damit, dass bei selbst gefundenen Lösungen die Chance größer sei, dass diese in die Tat umgesetzt würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass nicht alle selbst gefassten guten Vorsätze (zum Beispiel abnehmen, mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport treiben) in die Tat umgesetzt werden. Außerdem hat wohl fast jeder Mensch schon von einem Rat profitiert, den er von jemandem bekommen hat; das Rad wird nicht zwingend besser, wenn es neu erfunden wird.

Ideen einbringen

Im Unterschied zur Psychotherapie hat man es im Coaching in der Regel mit Menschen zu tun, die selbstbewusst genug sind, „Nein“ zu einem Vorschlag zu sagen, den sie für sich selbst nicht als passend und stimmig erachten. Wenn der Coach Ideen einbringt, kann dies den Coachee zu ganz neuen Lösungen anregen – insbesondere dann, wenn der Coachee keinerlei Erfahrungen in der Art von Fragestellung mitbringt, mit der er sich konfrontiert sieht. Dadurch kann auch einiges an Zeit gespart werden.

Allerdings ist es für den Coach von höchster Wichtigkeit, die Reaktionen des Coachees auf seine Vorschläge sehr genau zu beobachten. Wird der Vorschlag interessiert aufgegriffen oder reagiert der Coachee mit einem „Ja schon, aber …“? Ein „Ja, aber“ signalisiert dem Coach, dass es einen Widerstand aufseiten des Klienten gibt. Dieser kann daraus resultieren, dass der Coach zu sehr in die Richtung, die er selbst für „gut und richtig“ befindet, gedrängt hat oder als toller Problemlöser dastehen will. Sieht der Coach seine Vorschläge hingegen als Einladungen an den Coachee, von anderen Erfahrungen zu profitieren, und ist ihm bewusst, dass es letztlich die Entscheidung des Coachees ist, darüber zu befinden, was er damit machen will, spricht nichts dagegen, dass ein Coach gelegentlich auch Vorschläge einbringt.

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Wenn der Coach selbst nichts will und „leer“ ist von eigenen Vorstellungen im Hinblick auf den Klienten und dessen Thema, ist die Chance groß, dass seine Vorschläge interessiert aufgegriffen werden. Entscheidend ist nicht, von wem eine Idee kommt, sondern ob sie dem Coachee brauchbar erscheint.

3. Coaching muss immer freiwillig sein!

Weit verbreitet ist auch der Glaube, dass man mit Klienten, die von ihren Chefs oder der Personalabteilung ins Coaching geschickt werden, nicht arbeiten kann, da Coaching immer freiwillig sein müsse. Dem kann entgegengehalten werden, dass erstens wohl niemand in Handschellen zum Coaching geführt wird und insofern Freiwilligkeit gegeben ist und zweitens auch ein Mensch, der nicht aus eigenem Antrieb gekommen ist, sondern „geschickt“ wurde, vom Nutzen eines Coachings überzeugt werden kann und damit Freiwilligkeit hergestellt werden kann.

Fragen an einen „geschickten“ Coachee

Für den Coach ist es allerdings wichtig, darauf zu achten, dass er nicht die Rolle des Auftraggebers übernimmt und versucht, dem potenziellen Klienten das Coaching besonders schmackhaft zu machen. Bei „geschickten“ Coachees hat es sich als hilfreich erwiesen, wenn der Coach beispielsweise folgende Fragen stellt:

  • Was, denken Sie, veranlasst X, Sie zu mir zu schicken?
  • Was verspricht sich X vermutlich von diesem Coaching?
  • Wie stehen Sie zu Xs Vorstellungen?
  • Gibt es etwas, wofür Sie dieses Coaching nutzen möchten?
  • Wobei könnte Ihnen dieses Coaching behilflich sein?

Finden die beiden eine sinnvolle Zielsetzung für die gemeinsame Zeit, steht einem Coaching nichts im Wege. Wenn sich aber herausstellt, dass der Betreffende keinerlei Motivation für das Coaching hat, sollte der Coach das Coaching nicht annehmen, denn sonst würde er mehr wollen als der Coachee und dem Drama-Dreieck (siehe Kapitel II.2, Abschnitt „Transaktionsanalyse“) wäre Tür und Tor geöffnet.

4. Coaching hat nichts mit Therapie zu tun!

Auch die Vorstellung, es gäbe eine ganz klare Trennlinie zwischen Coaching und Therapie, ist weit verbreitet. Dem kann entgegnet werden, dass Coachs wie Therapeuten Menschen dabei helfen möchten, sich zu verändern. Und dass sie sich dabei häufig ähnlicher Methoden bedienen, denn viele im Coaching zur Anwendung kommende Techniken stammen aus der Psychotherapie. Als Coach ohne solche Techniken auskommen zu wollen, wäre wenig zielführend, da viele Herausforderungen des beruflichen Alltags nur gelöst werden können, wenn der Coachee sein Verhalten, seine Einstellung und/oder sein Selbstbild ändert. Dazu braucht es Werkzeuge psychologischen Ursprungs. Gemeinsam ist den beiden außerdem die überragende Bedeutung der Beziehung.

Unterschiedlich ist jedoch die Zielsetzung: Coachs können Menschen nicht dabei helfen, seelisch-psychische Störungen mit Krankheitswert (Depressionen, Suchterkrankungen, Borderline, …) zu behandeln; sie können die Betreffenden aber gegebenenfalls bei den beruflichen Aspekten dieser Schwierigkeiten unterstützen. Ein Coach kann zum Beispiel einem Menschen, der unter Depressionen leidet, nicht dabei helfen, seine Depression zu lindern; er kann ihn aber dabei unterstützen, zu lernen, den eigenen Standpunkt ruhig und sachlich zu vertreten, wenn er von Kollegen kritisiert wird.

Graubereich zwischen Coaching und Therapie

Häufig heißt es auch, wer zur Psychotherapie gehe, habe ein Defizit, und wer sich coachen lasse, wolle seine Kompetenzen verbessern. Coaching setze intakte Selbstregulierungsfähigkeiten voraus, Psychotherapie nicht. Dem stimmen wir im Grundsatz zu, sehen aber auch einen Graubereich dazwischen. Burnout und familiäre Probleme gelten teilweise als Psychotherapie- und teilweise als Coaching-Anlässe. Die Indikation wird weniger vom Thema abhängig gemacht als davon, wie „tief“ das Problem in der Persönlichkeit des Betreffenden verwurzelt scheint. Uneinigkeit bezüglich der Zuständigkeit besteht besonders beim Burnout-Syndrom. Die damit verbundenen Erschöpfungszustände resultieren meist aus der Arbeit, häufig ist aber zumindest teilweise auch die Selbstregulierungsfähigkeit eingeschränkt.

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Anstatt zu sagen, dass Coaching nichts mit Therapie zu tun habe, ist es aus unserer Sicht präziser, von einem Kontinuum mit zwei Polen und einer Grauzone dazwischen mit fließenden Übergängen zu sprechen. Ob eher Coaching oder Psychotherapie hilfreich sein könnte, sollte im Rahmen eines ausführlichen Auftrags-klärungsgesprächs herausgefunden werden. Dabei ist zu berücksichtigen, welches Ziel der Betreffende mit der angedachten Maßnahme verfolgt und ob er bereits psychische oder psychosomatische Symptome entwickelt hat und wie es um seine Selbstregulierungsfähigkeit steht.

5. Coachs müssen eigene Führungserfahrung haben!

Auf den Punkt gebracht:

Die meisten der verbreiteten „Dos and Don‘ts“ im Coaching sind aus unserer Sicht keineswegs so klar und eindeutig, wie sie häufig dargestellt werden. Wir stellen uns zudem die Frage, wer im Coaching überhaupt etwas regeln dürfen sollte. Wird Coaching gesetzlich reglementiert, ist zu befürchten, dass dies eine entwicklungshemmende Monokultur wie in der Psychotherapie zur Folge hat. Stattdessen halten wir selbst auferlegte ethische Standards für sinnvoll.