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Vorwort

Das passende Buch zur rechten Zeit! Warum? Wir befinden uns mitten im Wandel von einer hierarchisch geprägten Machtkultur zu einer Kompetenzkultur mit flachen Hierarchien. Status verliert an Bedeutung. Wirkung gewinnt die Oberhand. Damit fußt die Legitimation einer Führungskraft auf der Fähigkeit, Menschen für Ideen zu gewinnen, ohne mit Macht und Druck Leistung herauszupressen.

Mitarbeiter müssen sich mit der Art und Weise, in der sie geführt werden, einverstanden erklären. Die Frage ist: Wie bekommen Sie das Einverständnis Ihrer Mitarbeiter zu Ihrer Führungsrolle? Die Antwort: Indem Sie jeden genau dort abholen, wo er sich befindet. Die dazu nötigen Unterscheidungen helfen idealerweise auch, das volle Potenzial der Mitarbeiter freizusetzen. Wichtig dabei ist die Fähigkeit, Menschen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, eine andere Perspektive einzunehmen, also die Brille zu wechseln. Diese geistige Übung gilt für alle Bereiche des Lebens, ob Familie, Firma oder Freundeskreis.

Frauke Ions 5-Sterne-Prinzip liefert genau dieses Differenzierungs-Know-how. Es hilft beim Perspektivenwechsel und lässt präzise Ansätze für Entwicklung erkennen. Ihr logisch nachvollziehbarer Ansatz zur geistigen Flexibilität ist ein mächtiges Werkzeug, wenn es in Fleisch und Blut übergeht. Es zeigt den Weg zum Dreiklang »neue Perspektiven, neue Handlungen und bessere Ergebnisse« – 5-Sterne-Ergebnisse.

Schließlich sind Ergebnisse die Visitenkarte der Persönlichkeit und auch die einer Führungskraft. Für Spitzenleistung braucht es Spitzenteams, für Spitzenergebnisse Spitzenbeziehungen. Das ist sehr herausfordernd. Die Mitarbeiter von heute sind hervorragend ausgebildet, konstruktiv kritisch und anspruchsvoll. Sie wünschen eine angemessene Bezahlung für ihre Leistung, ohne sich damit ihre Kritikfähigkeit abkaufen zu lassen. Ihnen ist klar: »Ohne uns ist der Vorgesetzte nichts. Er braucht unsere Kompetenz.« Die Zeiten, da einer alles wissen konnte und die anderen nur ausführende Organe waren, sind vorbei. Bewusst ist den Mitarbeitern aber auch: »Wir sind nichts ohne den Chef, der aus den Ergebnissen unseres individuellen Könnens das gemeinsame Produkt schmiedet.« Dieses balancierte Denken ist entscheidend für die Zukunft.

Und diese Wechselseitigkeit gilt auch für alle anderen Lebensbereiche. Beziehungen etwa sind nicht mehr geprägt von Abhängigkeiten, sondern ziehen großen Reichtum aus der Akzeptanz, dass der Partner anders ist. Auf diese Weise ist jedes Paar mehr als die Summe zweier Menschen.

Ergebnisse. Ein Wort mit Zündkraft. Im Johannes-Evangelium heißt es: »An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!« Ein starker Satz. Und mit gutem Grund geht es nicht um Worte, nicht ums Reden, sondern um Taten und deren Wirkung. Egal, ob Führungskraft oder Mitarbeiter, ganz gleich, ob Eltern und Kinder, ob im Beruflichen oder im Privaten: Wir müssen eine Welt der Ergebnisse schaffen, sonst werden unsere schönen Worte von der Wucht und Effizienz von Ergebnisproduzenten hinweggefegt. Ergebnisse sind eben nicht nur Zahlen. Das Befähigen zur und das Einfordern von Verantwortung sind ebenso greifbare Resultate wie das Vertrauensniveau in einer Firma. Vertrauen beschleunigt Informationswege und macht Unternehmen schneller. Das ist ein starkes Ergebnis, ein 5-Sterne-Ergebnis.

»Unsere Art, das Problem zu sehen, ist das Problem«, betonte Stephen R. Covey immer wieder. Es ist dieser Geist, der die Arbeit von Frauke Ion prägt. Wer immer wieder nur das Gleiche tut, kann keine besseren Ergebnisse erwarten. Es bedarf einer Änderung. Doch vor der Veränderung steht ein verändertes, ein neues Denken. Und dazu bedarf es einer anderen Sichtweise. Dies zeigt sich im Titel des Buches: »Ich sehe was, was du nicht siehst«. Auf die Perspektive kommt es an! Es mangelt uns oft an der Flexibilität, probeweise verschiedene Standpunkte einzunehmen, um uns dann wohldurchdacht zu entscheiden. Jenseits aller geistigen Einschränkungen oder gesellschaftlichen Zwänge. Das wäre toll. Nicht wahr?

Ergebnisse sind immer mehr das Produkt einer Gemeinschaft. Aber ist es eine Gemeinschaft der Gleichen? Im Hinblick auf Rechte und Pflichten bisweilen, im Hinblick auf individuelle Fähigkeiten und Talente sicher nicht. Im besten Fall trägt jeder nach seinen Möglichkeiten zum Ergebnis bei. Andersartigkeit zu managen – das ist die große Kunst im Führen von Teams, auch des Teams »Familie«. Die Frage lautet: Wie wird jeder Einzelne der Beste, der er sein kann?

Damit dieser Spagat gelingt, muss jeder da abgeholt werden, wo er steht. Diese Forderung zu kennen, reicht natürlich nicht, man muss es wirklich können und vor allem wollen. Für die Führungskraft heißt das, jederzeit zum Perspektivenwechsel fähig und bereit zu sein. Das ist eine enorme geistige Anstrengung. Denn nur wer sich als Mitarbeiter in seiner Individualität wahrgenommen fühlt, erteilt einem anderen die Erlaubnis, ihn zu führen und zu entwickeln. Im Coaching stelle ich immer wieder fest, dass die Fähigkeit, blitzschnell und vorurteilsfrei andere Blickwinkel einzunehmen, zu den herausragenden Fähigkeiten erfolgreicher Leader gehört.

Im Führungszeitalter der Machtorientierung bedeutete Andersartigkeit Konkurrenz. Sie wirkte bedrohlich, weil sie infrage zu stellen schien, was man zu sein glaubte. Jetzt, an der Zeitenwende zur Kompetenzorientierung, bedeutet Andersartigkeit Bereicherung und Gewinn. Ein fein abgestimmter Motor ist immer mehr als die Summe seiner Teile. Und so ist es auch beim Team, bei einer Familie oder einem Kreis von Gleichgesinnten: Es ist gut, wenn alle an einem Strang ziehen, aber es wird herausragend, wenn die individuellen Stärken aller zu einer gemeinsamen Kraft gebündelt werden. Individualität im Kollektiv statt Gleichmacherei heißt die Devise.

In der Antike pilgerten verunsicherte Griechen zum Orakel von Delphi, damit die Zukunft sie nicht überraschen konnte. Was aber stand in Stein gemeißelt im Tempel des Apollon zu lesen? »Erkenne dich selbst!« Die Vorhersagen des Orakels waren als tückisch bekannt und standen im Ruf der Zweideutigkeit. Wer ohne Selbstreflexion blind auf den Wortlaut der Weissagung vertraute, wurde leicht zum Opfer eines Schicksals, das er unbedingt vermeiden wollte. Sich selbst zu erkennen und dieser Erkenntnis ins Gesicht zu sehen, dies auszuhalten, ist eine große Kunst. Es ist die Kunst, sich selbst aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und dabei die negativen Anteile mutig einzublenden anstatt eitel auszublenden.

Solche Wandlungen können sehr anstrengend sein, wenn man sie sich jedes Mal schmerzhaft abringen muss. Über die Einsicht und das Verständnis zum Erfolg: Das 5-Sterne-Prinzip liefert eine Blaupause zum Perspektivenwechsel und macht zugleich Lust auf das Abenteuer und den großen Reichtum, der mit dieser starken Form geistiger und emotionaler Flexibilität verbunden ist.

Sie halten hier ein Werkzeug in den Händen, um durch neue Perspektiven Ihr Leben auf ein höheres Niveau zu transformieren. Machen Sie was daraus!

Ihr Boris Grundl

Bedürfnisse

021-stern01.jpgDer erste Stern steht für die Bedürfnisse eines Menschen. Darunter fallen insbesondere die existenziellen Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken, Schlafen und Fortpflanzung, aber auch soziale Zugehörigkeit und Sicherheit. Mit all unserem Handeln versuchen wir, diese Bedürfnisse zu befriedigen, allerdings nicht immer bewusst: Wir verspüren Hunger und essen etwas, wir sind durstig und trinken etwas, wir haben das Bedürfnis, unter Menschen zu sein, und treffen uns mit Freunden, wir sind müde und legen uns schlafen usw. Der Mensch verhält sich unbewusst so, dass er sich möglichst immer wohlfühlt.

Der amerikanische Psychologe Steven Reiss spricht in diesem Zusammenhang von 16 Lebensmotiven, unseren inneren Antreibern, die uns in einer jeweils individuellen Konstellation zu bestimmten Handlungen motivieren. Zum Teil verankert in unseren Genen, hat sich die persönliche Konstellation zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr ausgebildet und geprägt. Sie bleibt meist unser gesamtes Leben über konstant. Wenn überhaupt, verändert sie sich nur nach besonders einschneidenden Erlebnissen wie einem Schicksalsschlag, einer großen Lebensveränderung oder anderen prägenden Ereignissen, und auch dann in der Regel nicht grundlegend.

Motive fordern übrigens eine stetige, wiederholte Befriedigung. Sie nur einmal zu erfüllen, reicht also nicht aus; sie wollen permanente Aufmerksamkeit.

Einleitung: Erfolgsfaktor Perspektivenwechsel

»Ich sehe was, was du nicht siehst!« – Wer kennt das Spiel nicht, das Kinder gerne spielen, um die Langweile auf Autofahrten zu vertreiben oder lange Wartezeiten zu verkürzen. Als Erwachsener ist es immer besonders schön, zu beobachten, welche Gegenstände plötzlich grün oder quadratisch, hart oder weich sind … Mir wird dann wieder bewusst, wie sehr doch alles im Auge des Betrachters liegt. Oder anders gesagt: Es ist eine Frage der Perspektive. Vielleicht sieht der gemeinte Gegenstand für den einen quadratisch, für den anderen rechteckig aus. Und für einen Menschen mit Rot-Grün-Schwäche ist ein grüner Gegenstand eben grau. Es gibt offenbar verschiedene Parameter, die verhindern, dass Menschen ein einheitliches Bild von einer Sache haben.

»Ich sehe was, was du nicht siehst!« – Ich nutze das bekannte Spiel gerne als Metapher, wenn es um die Persönlichkeit von und die Interaktion zwischen Menschen geht. Wir alle treffen – mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Sicht- und Verhaltensweisen in unserem »Lebensrucksack« – auf andere Menschen und setzen erst einmal voraus, dass unsere Bedürfnisse, Verhaltens- und Sichtweisen die einzig logischen sind. Wir blicken aus unserer Perspektive heraus auf die Welt und können nicht verstehen, wie für den anderen ein Würfel plötzlich rechteckig sein kann. Wir tun lautstark unsere Meinung kund: »Das sehe ich aber anders!« Oder: »Wie kannst du nur!« Die Folge sind häufig Missverständnisse, Konflikte und Streitereien mit unseren Mitmenschen.

Aber warum ticken und verhalten sich die anderen oft so unverständlich anders, als wir es tun oder erwarten? Ich beschäftige mich mit diesem Thema, seit ich denken kann. Heute, nach vielen Jahren als Führungskraft und Personalentwicklerin, Trainerin und Coach habe ich eine Erklärung gefunden. Jeder Mensch hat eine individuelle Persönlichkeit; und was er wahrnimmt, ist sein ganz individueller Fingerabdruck seiner persönlichen Bedürfnisse, Sicht- und Verhaltensweisen.

Bedürfnisse, Sicht- und Verhaltensweisen bauen aufeinander auf, sie beeinflussen sich, ärgern einander, lieben sich – eine kausale Kette, die uns zu dem Menschen macht, der wir sind.

Eigentlich ganz leicht. Oder doch nicht? Irgendwann habe ich mich gefragt, was ich mit dieser Erkenntnis anfangen soll. Was bringt es mir, die drei essenziellen Aspekte der menschlichen Persönlichkeit zu kennen? Als langjährige Führungskraft in der Hotellerie bin ich letztendlich darauf gekommen: Wenn wir dieses Wissen in der Interaktion mit anderen nutzen, dann ist es maßgebend für unser menschliches Miteinander, für Motivation, gegenseitiges Verständnis und letztlich für die Ergebnisse, die wir erzielen. Diese Erkenntnis hat mich so fasziniert und beflügelt, dass ich gar nicht anders konnte, als weiter darüber zu lesen, zu forschen, nachzudenken, zu diskutieren und ein Prinzip daraus zu entwickeln – mit dem Ziel, meinen Kunden damit in Seminaren und Coachings zu 5-Sterne-Ergebnissen zu verhelfen: das 5-Sterne-Prinzip.

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Abb. 1: Das 5-Sterne-Prinzip und seine Kausalität

Diese 5 Sterne stehen für die drei Aspekte der menschlichen Persönlichkeit, also für die Bedürfnisse, die Verhaltens- und die Sichtweisen, außerdem für das Gehirn als Übertragungsorgan und für die Ergebnisse unseres Handelns.

Bei meinem 5-Sterne-Prinzip geht es um die Kausalität dieser Sterne. Die grundlegenden Bedürfnisse im Kern der Persönlichkeit (erster Stern) stehen für unsere intrinsischen Antreiber, für die Motive, nach deren Erfüllung wir streben. Die jeweilige Ausprägung dieser Motive, die sogenannte Motivkonstellation, hat – neben anderen Faktoren wie Kultur, Erziehung, Erlebnisse und Erfahrungen – Einfluss auf die individuelle Sichtweise des Menschen (zweiter Stern). Unser Gehirn (dritter Stern) ist so etwas wie das »Übertragungsorgan«. Es übersetzt die Sichtweise in konkretes (bewusstes oder unbewusstes) Verhalten (vierter Stern). Wie Paul Watzlawick bemerkt hat, können wir »nicht nicht kommunizieren«, und genauso können wir uns auch nicht nicht verhalten. Schließlich führt alles, was wir tun oder auch nicht tun, zu einem Ergebnis (fünfter Stern).

Was müssen wir also tun, um dauerhaft erstklassige Ergebnisse zu erzielen, 5-Sterne-Ergebnisse, die mittel- und langfristig unsere Bedürfnisse befriedigen? Dies erfordert zum einen ein Verständnis dafür, dass unsere Bedürfnisse zusammen mit unseren Sichtweisen ein bestimmtes Verhalten auslösen, das wiederum zu bestimmten guten oder weniger guten Ergebnissen führt. Wollen wir also andere Ergebnisse, müssen wir unsere Sichtweisen und unser Verhalten erkennen, verstehen und entsprechend ändern.

Wenn wir immer das tun, was wir schon immer getan haben, dann bekommen wir auch immer die Ergebnisse, die wir schon immer bekommen haben.

»Ich sehe was, was du nicht siehst!« – Das Spiel aus Kindertagen spielen wir in unserer Erwachsenenwelt unbewusst weiter. Wann haben Sie das letzte Mal zu einem anderen Menschen gesagt: »Das sehe ich aber ganz anders«? Jeder sieht die Welt so einzigartig, wie er ist. Daran ist auch nichts verkehrt. Wir müssen nur lernen, uns für die anderen Sichtweisen zu öffnen, um Konflikte und Missverständnisse zu verhindern. Doch unsere Sichtweisen sind so tief in uns verankert, dass es nicht ganz einfach ist, sie zu verändern oder zu erneuern.

Beispiel: Bitte stellen Sie sich vor, Sie gehen, nichts Böses ahnend, die Straße entlang. Plötzlich kommt Ihnen ein Dobermann entgegen. Ein Dobermann, der nicht angeleint und dessen Besitzer weit und breit nicht zu sehen ist. Ein hüfthoher Dobermann mit spitzen Ohren und spitzen Zähnen.

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Abb. 2: Dobermann

Wenn Sie nun denken: »Der könnte gefährlich sein, ich bin mir nicht sicher«, wie werden Sie sich dann verhalten? Wahrscheinlich werden Sie versuchen, nicht auf den Hund zu reagieren, Sie werden natürlich nicht auf ihn zugehen oder in irgendeiner anderen Form direkten Kontakt mit ihm suchen. Sie werden eher vorsichtig sein, ihn nicht aus den Augen lassen. Das Ergebnis wird sein, dass Sie mit dem nötigen Sicherheitsabstand an dem Hund vorbeigehen und alles vermeiden, was die Situation außer Kontrolle bringen könnte.

Wir bleiben bei dem Szenario, ändern aber Sichtweise und Verhalten: Ein Dobermann kommt Ihnen entgegen, spitze Ohren und spitze Zähne. Er ist nicht angeleint und ohne Herrchen oder Frauchen unterwegs. In Ihrer Sichtweise ist tief verankert: »Dobermänner, das sind doch richtig tolle Tiere, Hunde mit Charakter, viel besser als diese kleinen Kläffer, die einem ohne Ankündigung in die Wade zwicken.«

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Abb. 3: Dobermann – aus einer anderen Sicht

Wie wird nun Ihr Verhalten aussehen? Genau, Sie haben keine Angst, vielleicht kennen Sie sich mit Hunden aus und wissen, dass er erst Ihren Geruch aufnehmen muss. Vielleicht gehen Sie sogar auf ihn zu, bleiben bei ihm stehen, die Besitzer kommen um die Ecke gebogen, Sie unterhalten sich und finden Freunde fürs Leben. Ein völlig anderes Ergebnis.

Eine weitere Variante: Sie gehen die Straße entlang, Ihnen kommt ein Dobermann entgegen, spitze Ohren und spitze Zähne. Er ist nicht angeleint. Weit und breit niemand, dem der Hund gehört.

Ihre Sichtweise ist: »Achtung! Dobermänner gehören zu den Kampfhunden und die beißen Kindern unvermittelt in den Kopf.«

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Abb. 4: Dobermann – noch eine andere Sicht

Wie wird Ihr Verhalten unter diesen Bedingungen aussehen? Richtig, Sie werden alles unternehmen, damit Sie dem Hund erst gar nicht näher begegnen. Ihr Instinkt sagt: »Flucht oder Angriff«, leider haben Sie Ihre Pumpgun heute nicht dabei. Also werden Sie die Straßenseite wechseln und schon mal nach Fluchtmöglichkeiten und Abwehrgegenständen suchen. Ihr Unterbewusstsein wird auf den nächsten Baum klettern. Sie werden alles Menschenmögliche unternehmen, um diese tierische Begegnung zu vermeiden. Warum? Weil Ihr Bedürfnis nach Risikovermeidung laut schreit und auf Ihrer Sichtweisen-»Fensterscheibe« die schlimmsten vorstellbaren Situationen mit Hunden eingraviert sind. Sie sind vielleicht schon einmal gebissen worden, oder Sie kennen jemanden, der schon einmal gebissen worden ist, oder Sie haben eine Reportage gesehen, wo jemand von genau so einem Dobermann gebissen wurde.

Unsere Paradigmen bzw. Sichtweisen gehen sehr tief und sind besonders beständig. Insofern sind sie mit einer Brille vergleichbar, die wir, für andere unsichtbar, permanent auf der Nase tragen. Durch diese Brille schauen wir auf die Welt – aus unserer Perspektive, die wir meistens für die einzig wahre halten. In vielen Fällen des Lebens helfen uns unsere Sichtweisen weiter, denn sie geben uns Orientierung und unterstützen uns dabei, die unterschiedlichsten Situationen zu meistern. Doch was, wenn eine Sichtweise nicht »korrekt« erscheint, nicht nachvollziehbar, nicht vollständig oder schlicht inadäquat ist? Dann erzielen wir Ergebnisse, die wir nicht wollen. Manchmal reicht es vielleicht aus, sich anders zu verhalten und damit zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen. Doch langfristig kann nur eine andere Sichtweise das Verhalten dauerhaft verändern und zu den gewünschten Ergebnissen führen.

Diese Theorie gilt nicht nur für die menschliche Persönlichkeit, sondern lässt sich auch hervorragend auf Unternehmen übertragen. Jedes Unternehmen hat grundlegende Bedürfnisse, zum Beispiel will es Profit erwirtschaften, expandieren, neue Kunden gewinnen oder einen höheren Marktanteil generieren. Diese Bedürfnisse beeinflussen die Sicht- und Verhaltensweisen der Mitwirkenden des Unternehmens und führen zu entsprechenden Ergebnissen.

Beispiel: Ein Unternehmen mit einer großen Vertriebsabteilung möchte die Abschlussquote um zwölf Prozent steigern. Jetzt schauen wir uns das Verhalten der Vertriebsmannschaft an: Passt dieses zu den gewünschten Ergebnissen? Wenn ja, besteht kein Handlungsbedarf. Die Mannschaft wird das gewünschte Ergebnis erreichen. Wenn nicht, dann reicht es nicht aus, durch Verkaufsschulungen nur neue Verhaltensweisen zu erlernen, das Vertriebsvokabular zu erweitern, die Einwandbehandlung zu trainieren oder noch mehr Argumente für den Verkaufsabschluss auszugraben. Die Sichtweisen müssen sich ändern, damit sie zu den gewünschten Ergebnissen – einem erfolgreichen, lange anhaltenden Abschluss – passen. Nur dann wird sich auch das Verhalten ändern, und die Wahrscheinlichkeit, dass die gewünschten Ergebnisse erzielt werden, steigt um ein Vielfaches. Wenn Unternehmen die Perspektive wechseln und aus einem anderen Blickwinkel auf die Ergebnisse und Verhaltensweisen schauen, dann können sie den »erfolgslähmenden Sichtweisen« ihrer Mitarbeiter entgegenwirken und ihnen dabei helfen, diese abzulegen und neue anzunehmen.

Denn wir wollen doch alle 5-Sterne-Ergebnisse, oder?! In der Hotellerie stehen fünf Sterne für überprüfte Qualität, hohen Standard und exzellenten Service. Fünf Sterne sind ein erstrebenswertes Gütesiegel: ein Zeichen für Kompetenz, Leistung, Qualität, gute Führung, stabile Werte und erstklassige Ergebnisse. Und auch Sie können 5-Sterne-Ergebnisse erzielen – wenn Sie häufiger die Perspektive wechseln! Schauen Sie einmal durch eine andere Brille auf die Welt, auf die Bedürfnisse, Verhaltens- und Sichtweisen Ihrer Mitmenschen. Sehen Sie sie mit anderen Augen, lernen Sie, zu sehen, was andere sehen, und Sie werden bessere Ergebnisse erzielen.

Dieses Buch ist ein Plädoyer für den Perspektivenwechsel, denn er ist der Schlüssel zum Erfolg. Es wird Ihnen zeigen, welche großartigen Chancen der Perspektivenwechsel bietet und wie wir durch das Bewusstmachen unserer inneren Motive sowie durch die Veränderung unserer Sicht- und Verhaltensweisen zu 5-Sterne-Ergebnissen gelangen. Am Ende dieses Buches sind Ihnen nicht nur Ihre Bedürfnisse, Sicht- und Verhaltensweisen bewusster, sondern Sie wissen auch, wie Sie auf diese Einfluss nehmen können. Sie werden vor allem verstehen, wie Sie dieses Wissen in Ihrem privaten, beruflichen und unternehmerischen Alltag erfolgreich nutzen können. Ich wünsche Ihnen viel Spaß und erstklassige 5-Sterne-Ergebnisse mit meinem 5-Sterne-Prinzip.

Ihre Frauke Ion

Verhalten

024-stern04.jpgUnd damit sind wir schon beim vierten Stern des 5-Sterne-Prinzips, dem Verhalten, das durch die ersten drei Sterne beeinflusst wird: Bedürfnisse bzw. Motive in Kombination mit den Sichtweisen lenken uns in eine bestimmte Richtung und das Gehirn veranlasst schließlich eine Handlung oder Nichthandlung – wenn auch viel zu oft unbewusst und automatisiert. Damit verleitet uns unser Gehirn zu Handlungen, die nicht immer zielfördernd sind. Das bedeutet aber nicht, dass wir unserem Gehirn völlig »unterworfen« wären. Wir können unser Verhalten reflektieren, es kognitiv beeinflussen und uns bewusst anders verhalten, als wir es üblicherweise tun – wenn es dem Ergebnis dient.

In der Regel unterliegen wir alle präferierten Verhaltensweisen: Das sind erprobte Verhaltensmuster, mit denen wir uns wohlfühlen und die uns schon oft geholfen haben, den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Immerhin haben die Kultur und die Gesellschaft, in der wir leben, einen immensen Einfluss auf unser tägliches Verhalten. Wir verhalten uns oft so, wie es von uns erwartet wird, um dazuzugehören, nicht anzuecken, konform zu sein.

Das Gehirn

023-stern03.jpgMit dem dritten Stern kommt das Gehirn ins Spiel. Es übersetzt die Impulse, die es durch die Bedürfnisse und Sichtweisen bekommt, in ein bestimmtes Verhalten.

Beispiel: Ihr Ordnungsmotiv ist besonders stark ausgeprägt, was bedeutet, dass Sie gerne alles in Ordnung haben – nicht nur räumlich, sondern auch strukturell. Sie achten auf Details, mögen Routinen, planen und organisieren gerne. Kombiniert wird dieses Motiv mit der Sichtweise »Ordnung ist das halbe Leben«. Diese hat sich tief in ihr Gehirn »eingebrannt«, nachdem Sie als Kind jedes Mal abgestraft wurden, wenn Sie Ihr Zimmer nicht aufgeräumt oder Ihre Hausaufgaben nicht ordentlich genug erledigt hatten. Ihr Gehirn kombiniert nun Ihr Bedürfnis mit ihrer Sichtweise und übersetzt das Ergebnis in ein bestimmtes Verhalten: Sie werden heute wahrscheinlich To-do-Listen erstellen, Ihren Tagesablauf planen, Strukturen schaffen und Ihren Alltag möglichst in Ordnung halten.

Das Gehirn könnte im Kausalitätsmodell des 5-Sterne-Prinzips überall platziert werden. Denn ohne Gehirn würden wir die Bedürfnisse nicht erkennen und die Sichtweisen nicht wahrnehmen, geschweige denn unser Verhalten erklären oder die Ergebnisse messen können. Ohne dieses Gehirn in seiner Funktionalität wären alle anderen Sterne nicht denkbar.

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Das 5-Sterne-Prinzip

Die Voraussetzung dafür, 5-Sterne-Ergebnisse zu erreichen, ist das Verständnis und die Akzeptanz der eigenen Persönlichkeit und der der anderen. Dafür wiederum ist oftmals ein Perspektivenwechsel notwendig, der es uns ermöglicht, die einzelnen Persönlichkeitsaspekte (Bedürfnisse, Sicht- und Verhaltensweisen) genauer zu definieren, zu verstehen und in der Interaktion zu berücksichtigen.

Das 5-Sterne-Prinzip liefert – als Modell der Kausalität der menschlichen Persönlichkeitselemente – die Basis dafür. »Kausalität« bedeutet hier, dass der eine Stern den nächsten bedingt. Unsere Bedürfnisse, die wir befriedigen wollen, bestimmen maßgeblich unseren Blick auf die Welt. So wie wir die Welt sehen, so verhalten wir uns auch. Und da wir uns nicht nicht verhalten können, führt alles zu einem Ergebnis. Entscheidend ist, dass die Ergebnisse mittel- und langfristig unsere Bedürfnisse befriedigen. Wie diese Persönlichkeitsaspekte genauer definiert sind, möchte ich Ihnen nachfolgend erläutern.

Sichtweisen

022-stern02.jpgDer zweite Stern symbolisiert die Sichtweisen, Überzeugungen, Glaubenssätze, Paradigmen eines Menschen und somit die individuelle Art und Weise, wie er auf die Welt schaut: die persönliche mentale Landkarte. Sichtweisen sind nicht – wie die Motive – durch die Gene vorbestimmt, sondern werden durch die Kultur geprägt, in der wir aufwachsen, durch die Erfahrungen, die wir machen, und die Erziehung, die uns zuteilwird. Ich vergleiche die individuelle Sichtweise eines Menschen gerne mit dem Blick durch eine Brille. Die Gläser sind speziell für diesen einen Menschen, der sie trägt, angefertigt worden. Durch sie sieht er die Welt klar und deutlich. Für einen anderen Menschen hingegen ergibt ein Blick durch diese Brille ein verschwommenes Bild. Diese individuelle Wahrnehmung nimmt einen großen Einfluss auf unser Verhalten. Denn wenn wir von etwas überzeugt sind, dann spiegelt sich das im Verhalten wider.

Sichtweisen und Glaubenssätze sind sehr stark verankert und lassen sich nur schwer ändern. Oft liegt aber in der Veränderung der Sichtweise der Schlüssel zum gewünschten Ergebnis. Dafür muss dann zunächst ein Bewusstsein geschaffen und dem Gehirn müssen neue Impulse, Bilder, Erkenntnisse, Belohnungen etc. angeboten werden. Ändert sich die Sichtweise, wird das Gehirn ein entsprechendes Signal senden und das Verhalten verändern – automatisch.

Ergebnisse

025-stern05.jpgEgal, ob wir etwas tun oder etwas lassen, alles führt letztlich zu einem Ergebnis, dem fünften Stern des 5-Sterne-Prinzips. Auf die Konsequenz, die dieses Ergebnis zur Folge hat, haben wir dann keinen unmittelbaren Einfluss mehr. Meine Überzeugung an dieser Stelle lautet: Sie können sich nicht aus Situationen herausreden, in die Sie sich »hineinverhalten« haben.

Streben Sie nach besseren Ergebnissen – sogar 5-Sterne-Ergebnissen –, dann müssen Sie festlegen, welche Verhaltensweisen diese Ergebnisse unterstützen würden und welche nicht. Doch eine Verhaltensänderung allein reicht häufig nicht aus. Will man langfristig und dauerhaft Verhaltensweisen verändern, bedarf es einer anderen Sichtweise. Nur dann lassen sich mittel- und langfristig Bedürfnisse immer wieder befriedigen.

Sie kennen sicherlich den Spruch »Der Weg ist das Ziel«. Wie kann aber der Weg der richtige sein, wenn Sie nicht wissen, wohin er Sie führen soll? Das 5-Sterne-Prinzip liefert einen »Leitfaden«, anhand dessen Sie sich Ihrer gewünschten Ergebnisse Stück für Stück bewusster werden können – unter Berücksichtigung der anderen Sterne.

Auf den folgenden Seiten nehme ich Sie an die Hand. Es geht darum, bewusster zu reflektieren, zu verstehen und sich letztendlich intensiver mit Ihren 5-Sterne-Ergebnissen zu beschäftigen, als Sie es vielleicht bislang getan haben. Werden Sie achtsamer im Umgang mit sich selbst, und führen Sie das Leben, das Sie auch führen wollen.

Der erste Stern – unsere Bedürfnisse

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