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Kapitel 3
Kommunikationsmanagement – ohne Kommunikation ist alles nichts

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Die Kommunikation im Vertrieb ist wie der Rumpf bei einem Schiff: Er trägt alles, ohne Rumpf gibt es kein Schiff – so wie es ohne Kommunikation keinen Verkauf und keine Führung gibt. Kommunikation findet immer statt, zum Beispiel wenn Menschen sich im Arbeitskontext begegnen. Im Tagesgeschäft machen sich die meisten Vertriebsleiter verständlicherweise selten Gedanken über die Art, wie sie führen und kommunizieren. Man tut einfach, was gut, richtig, wichtig ist und sich bewährt hat. Und das ist auch in Ordnung so. Allerdings braucht es von Zeit zu Zeit einen Blick auf das »Wie«, um »die Säge zu schärfen«, das heißt die Führungsinstrumente zu überprüfen (siehe Covey 2005, S. 313). Dieses Buch, und besonders dieses Kapitel, laden Sie ein, gedanklich in einen Minihubschrauber zu steigen und Ihre Kommunikation bei der Führung Ihrer Vertriebsmannschaft aus einer distanzierten Perspektive zu betrachten. Sie können damit Ihr wichtigstes Führungsinstrument, die Kommunikation, überprüfen und verbessern, zum Beispiel bei den Regelgesprächen mit den Vertriebsmitarbeitern.

Einen guten Blick auf den Kommunikationsvorgang erhält derjenige, der es schafft, in dem Gespräch die Inhalts- und die Prozessebene zu trennen. Die Inhaltsebene beschreibt, »Was« (Inhalt) wir tun, die Prozessebene blickt darauf, »Wie« wir das tun.

Da Verkaufsleiter meistens auch gute Verkäufer und Kommunikatoren sind, bietet es sich an, das Wissen und die reichhaltige Erfahrung aus der Gesprächsführung im Kundenkontakt auch für die Mitarbeitergespräche zu nutzen.

Dieses Kapitel gibt weiterhin einen Überblick und Hinweise zur zielgerichteten, internen Kommunikation für Führungskräfte im Vertrieb und in der Geschäftsführung. Es geht von einem Menschenbild aus, das Mitarbeiter und Führungskräfte als gleichwertige Partner bei der Kommunikation sieht. Natürlich gibt es unterschiedliche hierarchische Ebenen sowie Entscheidungs- und Machtbefugnisse, die die Kommunikation nicht aufheben soll und kann. Und so normal wie es ist, dass am Ende die Führungskraft die Entscheidung fällt, sollte es genauso normal sein, dass beide, Führungskraft und Mitarbeiter, dieselben Mittel der Kommunikation nutzen. Die Beeinflussung durch eine gute Kommunikation mit wenigen Reibungsverlusten ist für beide Seiten von Nutzen und sollte nicht das Privileg der Führungskraft sein.

3.1 Grundlagen und Grundannahmen der Kommunikation

Mein Ziel ist es, Sie für die Kommunikation zu sensibilisieren, damit Sie bei Bedarf erkennen, was in typischen Situationen passiert, um entsprechend zu führen und zu steuern. Vielleicht entscheiden Sie sich dann, noch tiefer in einen bestimmten Bereich der Kommunikation einzusteigen, etwa mit einem weiteren Buch zum Thema, einem Seminar oder einem Coaching. Lassen Sie uns mit einigen grundlegenden Fakten zur Kommunikation beginnen.

3.1.1 Verbale und nonverbale Kommunikation

Kommunikation stammt aus dem Lateinischen und bedeutet »teilen, mitteilen, teilnehmen lassen«. Dieses Teilen oder Austauschen von Informationen kann schriftlich, mündlich, telefonisch (= verbal) oder durch Mimik, Gesten und Körperbewegungen, also sichtbare körpersprachliche Signale, das heißt nonverbal, stattfinden. In Kapitel 3.2 und 3.3 gehe ich auf beide Kommunikationsformen, verbal und nonverbal, detailliert ein.

3.1.2 Sach- und Beziehungsaspekt

Jede Kommunikation hat einen Sach- und einen Beziehungsaspekt. Die Beziehungsebene dominiert die Sachebene. Diese für viele Menschen provokativ anmutende Aussage ist die Basis von vielen Kommunikationsmodellen. Sagt sie doch aus, dass die Beziehung mit dem emotionalen Wechselspiel zwischen den Kommunikationspartnern wichtiger ist als die Sachebene mit ihren objektiv überprüfbaren Tatsachen, wie zum Beispiel Termine, Anleitungen und Fotos. Die bekannteste Metapher dazu ist das Eisberg-Modell. Das Modell besagt, dass die Beziehungsebene im Verborgenen mit sechs Siebteln einen wesentlich größeren Einfluss auf die Kommunikation ausübt als die Sachebene, die nur ein Siebtel umfasst.

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Gesteuert wird der unbewusste Teil der Kommunikation durch die Ausgestaltung der Beziehung zwischen der Vertriebsleitung und den Mitarbeitern. Gestaltbar ist die Beziehung am einfachsten am Anfang, wenn die Führungskraft die Position antritt. Danach ist eine Veränderung möglich, aber ungleich schwieriger. Falls Sie demnächst Vertriebsleiter werden, klären Sie für sich Ihr Rollenverständnis und wie Sie die Beziehung zu den Mitarbeitern gestalten wollen. Das Rollenverständnis von Vertriebsleitern ist ein häufiges Thema im Führungscoaching und wird in Kapitel 7 angesprochen.

Wenn Sie das Gefühl haben, als Vertriebsleiter Ihre Rolle nicht angemessen wahrnehmen zu können oder ausreichend akzeptiert zu werden, liegt das häufig daran, dass der Umgang mit ehemaligen Arbeitskollegen zu kollegial ist – ein typisches Problem bei Aufstiegen im eigenen Arbeitsbereich.

Wenn es in einem Mitarbeitergespräch nicht so rund gelaufen ist, wie Sie sich das erhofft haben, und die Gegensätze unüberbrückbar erscheinen, sollten Sie das Gespräch unter Berücksichtigung des Eisberg-Modells Revue passieren lassen, also den Gesprächsprozess betrachten.

Versetzen Sie sich dabei in den Mitarbeiter und stellen Sie sich vor, von welchen Werten, Einstellungen, Erfahrungen, Vorurteilen oder Unsicherheiten der Mitarbeiter geleitet werden mag:

Wenn Sie sich einige Minuten Zeit nehmen, um diese Fragen zu reflektieren, werden Sie eher verstehen, warum es auf der inhaltlichen Ebene keinen Konsens zu geben scheint.

3.1.3 Kommunikation und Führung findet immer statt

Es ist immer wieder hilfreich, sich klarzumachen, welche Tragweite der simple und viel zitierte Satz »Man kann nicht nicht kommunizieren« von Paul Watzlawick hat. Auch wenn in der Begegnung zwischen zwei Personen nichts gesagt wird, findet Kommunikation statt, nur eben ohne Worte, mithin nonverbal. Auch Führung findet immer und bei jeder Begegnung statt, nämlich durch die Art und Weise, wie die Führungskraft und die Mitarbeiter miteinander reden und agieren. Deshalb kann die Führungskraft nach jedem Kontakt mit dem Mitarbeiter reflektieren:

Diese Reflexion kann im Prinzip nach jeder flüchtigen Begegnung auf dem Flur geschehen, praktisch werden Sie es eher in einem der vier Regelgespräche (mehr dazu am Ende dieses Kapitels) tun. Dabei verrät die Art und Weise, wie gesprochen wird, auch etwas über die Qualität der Beziehung zu dem Mitarbeiter. Immer wenn es in dem Dialog inhaltlich um etwas sehr Wichtiges ging oder Relevanz für die Zusammenarbeit hat, ist eine Reflexion sinnvoll.

3.2 Kommunikation und Wahrnehmung

Menschen können über die fünf Sinne Umgebungssignale aufnehmen. Dabei wirken unsere Wahrnehmungsorgane wie Sensoren mit unterschiedlichen Übertragungsraten. Was bedeutet dies für die Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter?

3.2.1 Wahrnehmung und Analyse als Voraussetzung zur Gesprächsführung

Bezüglich der Aufnahme der Umgebungssignale findet man in Veröffentlichungen unterschiedliche Übertragungswerte. Im Schnitt werden folgende Werte genannt, ohne dass wir Gewähr dafür übernehmen können:

Die spannende Frage ist nun, wie unser Gehirn es schafft, diese 2,201 Mio. bit/s zu verarbeiten. Gar nicht, denn die Verarbeitungsleistung unseres Gehirns liegt nur bei 30 bis 40 bit/s. Der Rest geht verloren, bzw. unser Gehirn wählt aus, was wichtig und verarbeitungswürdig ist. Es wählt dabei nach gemachten Erfahrungen selektiv aus und beschränkt sich auf die Verarbeitung dieses selektierten Restes. Und häufig ist Mitarbeitern etwas anderes wichtig als dem Chef; deshalb nehmen Führungskräfte und Mitarbeiter bei derselben Angelegenheit andere Fakten wahr und bewerten folglich auch unterschiedlich, was geschehen ist. Je nachdem, um was es dabei geht, entstehen dann unterschiedliche Wünsche, Absichten und Emotionen. Und wenn diese Unterschiede in einem Gespräch nicht klar sind, treten spätestens bei den nachfolgenden Handlungen Unterschiede auf.

Ein Tipp: Wenn es im Mitarbeitergespräch hakt oder der Konsens nicht so richtig ausformuliert ist oder Ihre Ideen bei den Mitarbeitern nicht zünden, dann steigen Sie gedanklich in einen Hubschrauber und analysieren das Gespräch mithilfe von fünf Aspekten.

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Betrachten Sie ein zurückliegendes Mitarbeitergespräch durch diesen Filter bzw. aus dieser Sicht und Wahrnehmung. Stellen Sie sich vor, welche Wahrnehmung, Interpretation und Absichten wohl beim Mitarbeiter vorhanden sind, und greifen Sie dies bei Ihrer Bewertung des Mitarbeiterkontakts auf. Sprechen Sie Ihre Vorstellungen aus und nehmen Sie einen Abgleich zwischen der Mitarbeiterwahrnehmung und Ihrer Wahrnehmung vor, um zum Beispiel Differenzen zu klären.

Diese Art der Bewusstmachung setze ich oft bei Konflikten und Missverständnissen ein, indem ich gemeinsam mit der Führungskraft eine Führungssituation im Lichte dieser fünf Stationen betrachte. Dabei hat diese Sichtweise der Führungskraft oft geholfen, mehr Verständnis für den Mitarbeiter zu entwickeln und besser auf ihn eingehen zu können. Das »Bewusstheitsrad der Kommunikation« zeigt den Prozess im Überblick.

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3.2.2 Gleichklang, Führung und Akzeptanz in der Kommunikation

Der gute Draht zum oder der Gleichklang mit dem Gesprächspartner wird in der Fachsprache der Kommunikation auch mit dem englischen Begriff »Pacing« beschrieben. Es ist ein biologisches Programm: Wenn wir uns mit jemandem gut verstehen oder ihn mögen, kommt es automatisch zu jenem Gleichklang. Die Körperhaltung, die Wortwahl, die Sprechgeschwindigkeit, die Lautstärke, sogar die Atmung sind dann oft ähnlich.

Beobachten Sie einmal ein Paar, das sich im Restaurant unterhält, aus der Distanz. Sie erkennen sofort, ob ein Gleichklang da ist oder nicht. Bei guter Stimmung oder Gleichklang sind die Bewegungen oft synchron, die Gestik und Mimik sind ähnlich, zum Beispiel greifen beide gleichzeitig zum Glas und trinken.

Es ist möglich, diesen Gleichklang bewusst herzustellen und die Gesprächsstimmung positiv zu beeinflussen. Durch Anpassung und Spiegelung der Sprechgeschwindigkeit oder der Wortwahl oder der Körpersprache Ihres Gegenübers können Sie »pacen«, also durch bewusste und ehrliche Zustimmung zu dem, was Ihr Gesprächspartner zum Ausdruck bringt, inhaltlichen Gleichklang herstellen.

Eine weitere Grundlage dieses Prinzips ist die Erkenntnis, dass sich Menschen eher überzeugen und im Gespräch führen lassen, wenn Gleichklang vorhanden ist. Deshalb muss derjenige, der die Führung im Gespräch übernehmen will, erst für guten Gleichklang, auch »Rapport« genannt, sorgen. Der Gesprächspartner wird dann akzeptieren, dass der andere die Gesprächsführung übernimmt. »Akzeptierte Gesprächsführung« bedeutet, dass die Führung nicht von der Macht der höheren Hierarchiestufe lebt, sondern vom Gegenteil: Zwei gleichberechtigte Personen sprechen miteinander – und eine übernimmt die Führung, etwa weil diese Person das Gespräch initiiert hat.

Verliehene Autorität reicht nicht aus

Vor einiger Zeit habe ich bei einem Spaziergang durch ein Industriegebiet mit einigen Autohäusern eine interessante Beobachtung gemacht. Ich stand auf dem Gehweg, es war schon dunkel und kurz vor Ladenschluss. Ich konnte von außen beobachten, wie vier Verkäufer zusammenstanden, um ein neues Fahrzeugmodell zu betrachten, bis einer der Verkäufer die anderen aufforderte, an seinen Schreibtisch im Verkaufsraum zu kommen. Offensichtlich sprachen die vier über das neue Fahrzeug. Die anderen folgten willig der sichtbaren Aufforderung. Eine Weile lang führte immer noch der Initiator an seinem Tisch den Dialog an, bis ein anderer Kollege sichtbar die Gesprächsführung übernahm. Er ging zu dem neuen Modell und zeigte, an welcher anderen Stelle im Schauraum es auch stehen könnte.

Dann konnte ich beobachten, wie sich die Stimmung veränderte. Eine weitere Person, die sich bisher am Gespräch nicht beteiligt hatte, beendete das Gespräch mit eindeutigen Gesten, die zum Ausdruck brachten: »Es bleibt, wie es ist«, und ging in ihr Büro – nämlich in das Verkaufsleiter-Büro. Die anderen blieben noch kurz zusammen, und zwar mit jetzt hängenden Köpfen. Es war sehr schön zu erkennen, dass die gute Stimmung am Anfang des Gespräches die akzeptierte Führung durch einen der Verkäufer ermöglichte. Am Ende wurde die Führung jedoch vom Leiter übernommen, aber nur, weil dieser seine hierarchische Stellung (aus)nutzen konnte.

Schade um die Ideen der Verkäufer, dachte ich und ging weiter, auch weil mir die Beine vom Stehen schon wehtaten. Wenige Tage später saß ich mit Freunden nach dem Sport zusammen und wir sprachen über die Arbeit, als einer von einem Freund berichtete, der jetzt die Firma gewechselt hatte. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Person aus dem Verkäuferquartett handelte, das ich an jenem Abend in dem Autohaus beobachtet hatte. Ich habe noch oft und lange über diesen Zufall und meine Beobachtung nachgedacht und festgestellt, wie grundlegend der Unterschied zwischen akzeptierter und hierarchischer Führung ist. Ich vermute, jener Verkäufer konnte sich nicht damit zufriedengeben, von einer Person geführt zu werden, die Entscheidungen nur aufgrund der ihr verliehenen Autorität treffen konnte.

3.3 Die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation im Vertrieb

Die Kommunikationslehre unterscheidet zwischen der verbalen und der nonverbalen Kommunikation. Die meisten Teilnehmer in Kommunikationstrainings unterschätzen die Wirkung der nonverbalen Kommunikation, weil der Fokus in Gesprächen auf dem Inhalt und nicht auf der Beobachtung der Gestik, Mimik und der Umgebung liegt. Verkäufer wissen darüber hinaus, dass auch die Umgebung einen großen Einfluss auf den Gesprächsverlauf haben kann. So wie Menschen zueinander platziert sind, so reden sie auch miteinander. Deshalb sieht ein Ladenlokal, in dem viel besprochen oder beraten wird (zum Beispiel im Bereich Mobilfunk), anders aus als ein Geschenkartikelgeschäft, in dem die Ware für sich selbst spricht und die Kundengespräche nicht so viel Raum einnehmen.

Weiteres Beispiel: Ein B2B-Verkäufer weiß, dass die »Psychogeografie« eine wichtige Rolle im Kundengespräch spielt. Deshalb setzt er sich nicht dem Kunden gegenüber, sondern lieber über Eck mit ihm. Die Kommunikation an runden Tischen – der »Runde Tisch« nach der deutschen Wende 1990 ist ein schönes Beispiel – verläuft einfach besser als an Konferenztischen, bei denen sich die Menschen gegenübersitzen und die konfrontative Haltung bereits durch die Sitzordnung zementiert wird. Dies ist etwa bei Tarifverhandlungen zu beobachten.

Es spielt auch eine Rolle, wo und in welcher Umgebung und Atmosphäre Mitarbeitergespräche stattfinden. Kritische Rückmeldungen gehören nicht in den öffentlichen Raum, sondern brauchen einen Schutzraum im abgetrennten Büro. Manchmal setzen Verkaufsleiter ihr Wissen um die nonverbale Kommunikation unbewusst auch in Mitarbeitergesprächen ein. Viele Chefs erkennen, wenn ein Mitarbeiter »schlecht drauf« ist, vielleicht auch, weil sie wissen, dass er gerade Schwierigkeiten mit einem wichtigen Kunden oder ein privates Problem hat. Sie fragen dann mit mehr Geduld nach und hören bei der Antwort besser zu. Auch hier macht (bewusste) Übung den Meister.

Wer die nonverbale Kommunikation im Gespräch nutzen möchte, sollte zuerst ein guter Beobachter sein und dann die Beobachtung nutzen, um das Gespräch zu steuern.

Lassen Sie uns nun das oben unter 3.2.2 erwähnte Prinzip »Vom Gleichklang zur akzeptierten Führung im Gespräch« auf die nonverbale Kommunikation übertragen. Dafür nutzen wir den in der Technik bekannten Vorgang des Kalibrierens. Darunter versteht man die Einstellung oder Justierung eines Werkzeuges oder Messgerätes vor dem eigentlichen Gebrauch. Dieses Kalibrieren kann auch bei der nonverbalen Kommunikation angewendet werden.

Bei der nonverbalen Kalibrierung geht es darum, an der Haltung und Körpersprache zu erkennen, wie der Gesprächspartner jetzt gerade »drauf« ist, um sich darauf einzustellen, und erst dann das Gespräch entsprechend der Beobachtung zu führen. Während die Kommunikationslehrbücher der 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahre noch verkündeten, aus Haltungen und Gesten könne man die Stimmung des Gegenüber ablesen, sind fast alle Trainer in den letzten zehn bis 15 Jahren auf die neuere Erkenntnis umgeschwenkt:

Diese besagt, dass Menschen in dem Kontext der Situation (im privaten Umfeld oder am Arbeitsplatz, im Büro oder beim Kunden, mit dem Chef oder den Kollegen) ihren Stimmungen unterschiedliche körpersprachliche Signale zuordnen.

Ein Beispiel: Wenn heute für einen Verkäufer als Seminarteilnehmer verschränkte Arme Gelassenheit und Aufmerksamkeit bedeuten, können sie morgen bei dem gleichen Verkäufer im Reklamationsgespräch für Schutz und Abgrenzung gegenüber dem Kunden stehen. Darum: Statt sofort zu interpretieren, ist es besser, zunächst der Körperhaltung die Stimmung sicher zuzuordnen. Also etwa den Seminarteilnehmer erst einmal zu fragen, ob alles in Ordnung ist und er noch folgt. Dann weiß der Seminarleiter sicher, dass verschränkte Arme Gelassenheit und Aufmerksamkeit bedeuten, und kann im weiteren Verlauf dieses Signal entsprechend deuten. Von dem reklamierenden Kunden am nächsten Tag kann diese ähnliche Verschränkung unbewusst als Ablehnung des Verkäufers interpretiert werden, und das hat damit einen negativen Einfluss auf das Gespräch, der vermieden werden sollte.

Auf nonverbale Kommunikation konzentrieren

Eine interessante Beobachtungserfahrung in Bezug auf die nonverbale Kommunikation habe ich als Trainer bei einem Verkäufertraining mit zwölf Motorradverkäufern in Griechenland gemacht. Am ersten Tag ging es um das Produktwissen zu zwei neuen Modellen, und am zweiten und dritten Tag haben wir die Umsetzung im Kundengespräch in Verkaufsrollenspielen geübt. Zwar haben alle Teilnehmer Englisch verstanden, sie wollten aber die Rollenspiele lieber in griechischer Sprache führen.

Nach kurzer Zeit habe ich auf den Übersetzer für mich verzichtet und versucht, die Gesprächsverläufe über die Mimik und Gestik zu verstehen. Eine wirkliche Herausforderung. Es ging aber noch weiter: Am zweiten Tag haben wir die Rollenspiele mit dem Fahrzeugmodell A gemacht, am dritten Tag mit Modell B, jedoch im Beisein des Vertriebsleiters. Es gab dann deutliche Veränderungen in der Körpersprache vom zweiten zum dritten Tag, weil die Anwesenheit des »Landeschefs« erheblichen Druck für einige Verkäufer bedeutete.

Konkret: Die Beobachtung durch eine wichtige Person übte einen erkennbaren Einfluss auf die nonverbalen Aktivitäten aus: Die Übungen wurden leiser gesprochen, Unsicherheiten wurden durch suchende Blicke zum Trainer anders transportiert und kamen häufiger vor. Fehlten einem Teilnehmer bestimmte Kenntnisse, wurde das Rollenspiel nun eher abgebrochen – vorher wurde versucht, zu improvisieren. Dadurch, dass ich die Sprache nicht verstehen und den Inhalt nicht kontrollieren musste, konnte ich meine volle Konzentration der nonverbalen Kommunikation widmen und diese Unterschiede klarer wahrnehmen.

Dieses Beispiel zeigt, dass bereits eine einzige Veränderung im Kontext, in dem ein Mensch sich befindet, einen Einfluss auf seine (nonverbale) Kommunikation haben kann.

Deshalb ist das Kalibrieren in dem Kontext der Situation wichtig, wenn anschließend die Körpersprache gedeutet werden soll.

Wenn Sie in einer Situation die verbale und die nonverbale Kommunikation beobachten wollen, hilft es, eine Kommunikationsart komplett auszublenden, um die andere dann richtig verstehen zu können. Suchen Sie sich entsprechende Beobachtungsaufgaben. Geeignet sind gemeinsame Kundenbesuche mit dem Mitarbeiter oder auch Situationen im sicheren privaten Umfeld. Verfolgen Sie das Ziel, die Körperbewegungen und die Mimik dem Gesagten und der Stimmung, dem emotionalen Zustand, zuzuordnen. Überprüfen Sie diese Zuordnung, indem Sie zum Beispiel die beobachtete Person zwischendurch oder hinterher nachfragen, wie an einer wichtigen Stelle des Gesprächs ihre innere Einstellung oder Stimmung zu dem Thema war.

Wenn Sie dann ein guter Beobachter geworden sind, der in der Situation körpersprachliche Signale erkennen und zuordnen kann, haben Sie die erste Voraussetzung geschaffen, auch die nonverbale Kommunikation als Mittel zur Gesprächsführung einzusetzen.

Wenn Sie die nonverbale Kommunikation in Ihren Mitarbeitergesprächen verstärkt und zielgerichtet einsetzen wollen, empfehle ich Ihnen folgende Vorgehensweise:

  1. Schulen Sie zunächst Ihre Beobachtungsgabe, wenn Menschen miteinander kommunizieren, zum Beispiel wenn Ihre Verkäufer mit Kunden sprechen oder telefonieren oder wenn Sie mit Mitarbeitern eine positive oder eine rückläufige Geschäftsentwicklung besprechen. Ordnen Sie die nonverbalen Signale wie Mimik und Gestik der Stimmung zu: Was tun die Personen, wenn es Übereinstimmung oder positive Gesprächsinhalte gibt, und was tun sie bei Abweichungen und negativen Inhalten?
  2. Spiegeln Sie vorsichtig und bewusst im Gespräch entweder die Körperhaltung oder die Bewegungen und suchen Sie eine gleichwertige Sitz- oder eine Vis-à-vis-Standposition. Warten Sie, bis es eine positive Auswirkung hat bzw. bis die Gesprächsatmosphäre positiv ist. Es geht dabei aber nicht um ein Nachäffen, sondern darum, sich anzupassen, also zu spiegeln.
  3. Wenn Sie dann die Initiative, also die Gesprächsführung übernehmen, unterstützen Sie diese durch hinweisende oder verstärkende Gesten und freundliche Blicke.
  4. Nun sind Sie in der Lage, an den sichtbaren Reaktionen des Mitarbeiters zu erkennen, wie er zu Ihren Vorschlägen steht, ob er sie ablehnt oder ihnen zustimmt, ob er noch skeptisch oder offen ist. Sie können diese nonverbale Rückmeldung auch als Entscheidungshilfe nehmen, ob Sie eher ein leichtes und positives, mit guten Gefühlen besetztes Thema ansprechen oder ein schwieriges bzw. negatives.

Um nonverbale Kommunikation bewusst einsetzen zu können, braucht es viel Übung und besonders am Anfang fachgerechte Anleitung.

3.4 Kommunikations- und Interaktionsmodelle in Führung und Vertrieb

Als Kommunikations- oder Interaktionsmodell bezeichnet man wissenschaftliche Erklärungsversuche zur Beschreibung von Kommunikation oder zwischenmenschlichen Interaktionen. Diese theoretischen Ansätze sollen in der Kommunikationswissenschaft erklären, was Kommunikation ist, wie sie funktioniert, und – in Form von Modellen – verallgemeinerbare Zusammenhänge erkennbar machen. Viele Kommunikations- oder zwischenmenschliche Interaktionsmodelle fußen auf Erkenntnissen von Therapeuten oder Psychologen, die Erklärungen für bestimmte Symptome bei Patienten suchten und innerhalb der Behandlung verbale Interventionen angewendet haben und daraus Modelle entwickelten. Hierbei ergaben sich dann Kommunikationsmuster oder Modelle, die für jedermann im Alltag anwendbar sind, um bestimmte Ziele in einem Gespräch zu erreichen.

Als gelernter Ingenieur und Naturwissenschaftler fällt es mir immer noch schwer, die Kommunikation als Wissenschaft zu sehen, weil nichts reproduzierbar ist. Keine Kommunikationssituation kann genauso wiederholt werden, wie sie stattgefunden hat, weil es allein durch die stattgefundene Kommunikation eine Beeinflussung gibt. Jedoch ist die beliebige Reproduzierbarkeit auch gar nicht der Anspruch der Geisteswissenschaften, zu denen die Kommunikation gehört. Vielmehr geht es um die Schaffung eines erweiterten Verständnisses für zwischenmenschliche Vorgänge und um Modelle, die diese Erweiterungen erlebbar und anwendbar machen.

Kommunikationsmodelle sind Beobachtungen mit Wahrscheinlichkeiten, wie oder was passiert, zum Beispiel wenn Person A (Sender) etwas sagt und Person B (Empfänger) etwas Entsprechendes hört und dann antwortet. Und je mehr Begründungen und Logik die Modelle liefern, je wahrscheinlicher erscheinen sie uns. Dennoch haben wir keine andere Wahl, als Wahrscheinlichkeiten zu akzeptieren: Es gibt keine eindeutigen Formeln, Beweise oder nachvollziehbare Messergebnisse. Einige Modelle sind aus meiner Erfahrung sehr gut geeignet, die Kommunikation bei der Führung von Vertrieben gut abzubilden. Trotzdem wünsche ich mir manchmal im Geschäftsleben – wie viele meiner Seminarteilnehmer – eine Formel, die immer zutrifft und Situationen mit Menschen planbar macht. Leider gibt es diese Formel in der Realität nicht.

Typische Kommunikations- oder Interaktionsmodelle für Verkaufs- und Führungstrainings sind:

Die weitverbreitetsten und nützlichsten Modelle für Managementtrainings sind das NLP und das Kommunikationsquadrat. Deshalb gehe ich näher darauf ein. Die fünf Axiome von Watzlawick dienen oft als Grundannahme in Kommunikationstrainings, zwei davon habe ich oben beschrieben (Inhalts- und Beziehungsaspekt sowie »Kommunikation ist nicht nicht möglich«). Das zuvor erwähnte Bewusstheitsrad entstammt der Themenzentrierten Interaktion.

3.4.1 Das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun

Das Kommunikationsquadrat, vielen bekannt als Vier-Ohren-Modell oder den »Vier Seiten einer Nachricht«, ist ein direkt anwendbares Modell, das ohne weitere Ableitungen und Erklärungen auskommt.

In vielen bekannten Kommunikationsmodellen finden wir die Wirkung der Sach- und Beziehungsebene analog zu dem beschriebenen Eisberg-Modell. Im Modell der »Vier Seiten einer Nachricht« werden zusätzlich zur Sach- und Beziehungsebene die Selbstoffenbarungs- und die Appellebene verwendet. Dieses sehr anschauliche Modell der vier Seiten einer Nachricht hat in den meisten Kommunikationsseminaren Einzug gehalten und eignet sich nach meiner Erfahrung besonders gut zur Vermeidung von Missverständnissen und Konflikten.

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Eine typische Situation im Verkauf, in der das Vier-Ohren-Modell anschaulich und hilfreich bei der Konfliktvermeidung oder Lösung ist, ist das Reklamationsgespräch. In der Mitarbeiterführung sorgt dieses Modell bei den Feedback- und Kritikgesprächen für gutes Verständnis.

Nach Friedemann Schulz von Thun kann jede Aussage mehrere Botschaften gleichzeitig enthalten – das zeigt die Abbildung. Es wird nicht nur die ausdrücklich formulierte Nachricht gehört, sondern auch etwas, was nicht direkt gesagt wurde. Dies kann die gewollte Wirkung der Aussage verstärken, abschwächen oder ins Gegenteil verwandeln.

Bei jeder Art von verbaler Kommunikation gibt es den Sender, der etwas kodiert und das Kodierte in seine Worte fasst und es dann sagt. Danach dekodiert der Empfänger das Gesagte und »versteht« es aufgrund seiner Erfahrungen. Diesen Vorgang, der auch als Sender-Empfänger-Modell bezeichnet wird, gilt auch für das Kommunikationsquadrat, das die folgende Abbildung zeigt.

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Friedemann Schulz von Thun beschreibt die vier Aspekte einer Nachricht wie folgt:

Genauso wie der »Sender« in einer Nachricht vier verschiedene Botschaften unterbringen kann, hat der »Empfänger« die Möglichkeit, mit vier verschiedenen Ohren zuzuhören.

Wenn der Vorgesetzte zum Beispiel sagt: »Herr Franke, ich finde, da hätten Sie dem Kunden etwas mehr Raum im Gespräch lassen sollen und seinen Bedarf besser erfragen können«, kann der Mitarbeiter unterschiedlich antworten, je nachdem, auf welchem Ohr er die Nachricht empfangen hat. Bevor er antwortet, könnte er denken:

Je nachdem, wie gut der Kontakt ist, wird der Mitarbeiter sich trauen, dies direkt oder in abgeschwächter Form zu sagen – oder gar nicht. Einen Einfluss auf das weitere Gespräch hat es auf jeden Fall.

Wenn die Führungskraft die Antwort des Mitarbeiters einem der vier Ohren zuordnen kann und genau darauf eingeht, kann sie genau diesen Aspekt erst einmal klären, bevor sie zur Sachebene übergeht. Durch diese Vorgehensweise werden oft Missverständnisse vermieden und für Klarheit gesorgt. Die Antworten könnten wie folgt lauten:

Ich freue mich sehr darüber, dass es ein deutscher Hochschullehrer geschafft hat, mit einem leicht nachvollziehbaren und praxisgerechten Kommunikationsmodell auf Dauer in die Bestsellerlisten zu gelangen. Ich empfehle und wende dieses Modell sehr gerne an, weil es praktisch und sofort umsetzbar ist. Meiner Ansicht nach ist es ein Muss für jeden Vertriebsleiter, der das Thema Kommunikation ernst nimmt. Zumal die drei Taschenbuchbände Miteinander Reden von Friedemann Schulz von Thun sehr unterhaltsam, witzig und leicht zu lesen sind.

3.4.2 NLP (Neuro Linguistisches Programmieren)

Der Shooting Star unter den Kommunikationsmodellen der letzten zwei Jahrzehnte ist eine Art Selfmade Story von Seiteneinsteigern. In den frühen 1970er-Jahren haben der amerikanische Mathematikstudent Richard Bandler und der Linguist John Grinder sich nebenbei damit Geld verdient, dass sie Mitschriften von Therapiesitzungen erstellten. Sie erkannten dabei bestimmte Interventions- und Kommunikationsmuster, die sie als logisch denkende Informatiker in eine Systematik überführten. Dass sie dabei drei epochemachenden Therapeuten zuhören durften, war ein glücklicher Zufall für die Methode, die die beiden aus einer Zufallssituation heraus NLP (= Neuro Linguistisches Programmieren) nannten. Besonders der Begriff »Programmieren« und einige andere unglückliche Begleitumstände wie das Fehlen der kulturellen Übersetzung in die »alte (europäische) Welt« sorgten Anfang der 1990er-Jahre bei deutschen Kommunikationswissenschaftlern und Personalentwicklern in Unternehmen zunächst für die Ablehnung dieser Methode. Zu dieser Zeit verschwiegen viele Trainer lieber, dass sie NLP-Elemente in ihre Trainings integrierten oder gar nach der Methode arbeiteten.

Heute, nach über 20 Jahren Anpassungs-, Adaptions- und Neuentwicklungszeit, ist NLP in Deutschland zum Standardrepertoire der meisten Kommunikationstrainings und Trainerausbildungen geworden. Aber auch viele Führungskräfte, die sich mit dem Thema Kommunikation beschäftigen, kennen und mögen die leicht verständliche Gliederung, mit der NLP die Kommunikation abbildet. Die NLP-Methode ist die Basis für viele umfangreiche Weiterbildungsangebote für Kommunikation in Deutschland. Die zum Teil noch bestehende kritische Haltung der Wissenschaft richtet sich mehr gegen die verschiedenen Kurzzeitinterventionen, die das NLP für Coaching- und Therapieprozesse beschreibt.

Die Beschreibung zum Gleichklang zur akzeptierten Führung mittels Pacing in Kapitel 3.2.2 entstammt dem NLP. Und auch drei der im nächsten Kapitel beschriebenen neun Mittel der Gesprächsführung werden so oder ähnlich im NLP aufgeführt.

3.5 Neun Mittel der Gesprächsführung in Mitarbeitergesprächen

Die folgenden Mittel der Gesprächsführung wurden von mir in vielen Seminaren gelehrt und entstammen den vorher genannten Modellen und Erkenntnissen. Sie werden mit viel Zustimmung von Führungskräften im Vertrieb aufgenommen und angewendet. Die ersten sechs Mittel haben einen lenkenden, eingreifenden Charakter, die restlichen drei sorgen für Gesprächshygiene: gute Stimmung, gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz auch bei unterschiedlichen Meinungen.

Natürlich haben beide Gesprächspartner, der Mitarbeiter und die Führungskraft im Vertrieb, das Recht, diese Mittel zur Gesprächsführung einzusetzen. Das tun sie auch oft, allein schon deswegen, weil Verkäufer und Führungskräfte häufig zielgerichtete Gespräche mit Kunden führen und dabei meistens intuitiv geeignete Stilmittel der Gesprächsführung einsetzen.

In jedem Gespräch findet immer eine Beeinflussung statt. Diese wird negativ gern als Manipulation bezeichnet, positiv oft als guter Austausch beschrieben. Beides ist richtig und drückt das Gefühl und die subjektive Wahrnehmung aus, die in dem Gespräch entstanden ist und danach in Erinnerung bleibt.

3.5.1 Fragetechnik

Fragen sind das stärkste Mittel in der Gesprächsführung. Jeder Verkäufer setzt Fragen mehr oder weniger (un-)bewusst als Mittel zur Gesprächsführung ein, auch wenn er noch kein Kommunikationsseminar besucht hat. Und zwar, weil Fragen das Gespräch in eine bestimmte Richtung lenken.

Offene Fragen können in Mitarbeitergesprächen helfen, etwa die Erwartungshaltung, das Verbesserungspotential, die Stimmungslage des Mitarbeiters und die Arbeitsmotive herauszufinden. Offene Fragen sind anspruchsvoll für den Antwortgeber, weil eine Erklärung eingefordert wird. Sie binden den Mitarbeiter ein, das Gespräch dauert dadurch länger, als wenn mit geschlossenen Fragen gearbeitet wird.

Wenn die offenen Fragen in Maßen eingesetzt werden, führen sie zu einer Wertschätzung des Mitarbeiters, der so Gelegenheit hat, seine Sicht der Dinge einzubringen. Übertriebene, insistierende, sich wiederholende offene Fragen können Einschüchterung und Unsicherheit bewirken. Die richtige Dosierung und Auswahl der Fragewörter sind ein Erfolgsfaktor.

In der deutschen Sprache gibt es mehr als zehn mögliche Fragewörter, die meisten beginnen mit einem W, etwa: weshalb, wann, woher, womit, wie, woran, warum, was, wo, wer, wozu, welche und worauf. Wenn wir die möglichen Erweiterungen hinzurechnen, werden es noch viel mehr: wie häufig, wie oft, zu welchem Zweck, durch wen, aus welchen Gründen, in welcher Situation, bei welchen Anlässen.

Allein durch die Wahl des Fragewortes entscheidet der Sender über die weitere inhaltliche Richtung des Gesprächs. Man zeigt dadurch erst einmal Interesse am anderen, egal, ob es nun wirklich vorhanden so ist oder nicht. Ob dieses Interesse echt ist, wird dann spätestens im Umgang mit der Antwort offenbar.

Im Gegensatz dazu fordert die geschlossene Frage immer eine Entscheidung, bremst den Gesprächsfluss und ergibt digitale, also Ja- oder Nein-Antworten. Wenn es schnell gehen muss oder einfache Zusammenhänge geklärt werden sollen, ist die geschlossene Frageform die richtige Wahl. Denn sie spart Zeit, gibt einen festen Rahmen vor und sorgt für Klarheit. In den Gesprächsleitfäden zu den vier Regelgesprächen der Mitarbeiterführung finden Sie mehr offene Fragen – viele aber können sowohl offen als auch geschlossen gestellt werden. Eine schöne Übung besteht darin, sich bei jeder offenen Frage auch die geschlossene Variante zu überlegen und dann noch einmal zu entscheiden – ein Beispiel: »Wie sollten wir den Schauraum am Wochenende dekorieren?« oder »Sollen wir den Schauraum …?«.

Die offene Frage sorgt meistens dafür, dass der Gesprächspartner zum Mitdenken angeregt wird und sein »Commitment« gibt, dem Überzeugungsprozess seines Gesprächspartners also zustimmt.

Welcher Frageart im Mitarbeitergespräch der Vorzug gegeben werden sollte, richtet sich zum Beispiel danach,

Je mehr von der oben aufgeführten Aufzählung im Mitarbeitergespräch gewünscht ist, umso sinnvoller ist es, die offene Frage zu bevorzugen.

Darüber hinaus sollte jede Führungskraft im Verkauf die Alternativfrage bewusst und gezielt anwenden können. Die meisten Verkäufer setzen die Alternativfrage ein, wenn es um die Entscheidungsbeschleunigung geht. Der am Umsatz beteiligte Kellner, der vom Gast wissen will, ob er die Hühnersuppe mit oder ohne – das die Suppe verteuernde – Ei haben möchte, wird sich der Alternativfrage bedienen, und fragen: »Lieber Gast, möchten Sie ein oder zwei Eier in Ihrer Suppe?« So einfach kann es sich ein Vertriebsleiter nicht machen: Jeder Verkäufer wird dies als Trick entlarven.

Die rhetorische Frage, gern auch Denkhilfefrage genannt, ist in ausführlichen Gesprächen oft sinnvoll, lässt sie doch den Mitarbeiter gedanklich eigene Lösungen ausprobieren oder Situationen durchspielen – ein Beispiel: »Was denken Sie – würde sich eine Erweiterung des Angebots um das xy-Produkt positiv auf die Kundenfrequenz auswirken?«

3.5.2 Gliederungen und Wechsel der Themenebene

Manchmal machen Mitarbeiter verallgemeinernde Aussagen, zum Beispiel über das Lieblingsthema »Preis«: Dann heißt es: »Wir sind zu teuer« oder »Unsere Preise sind zu hoch«. Um Begriffe und deren Bedeutung im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses zu klären, ist es sinnvoll, konkret nachzufragen, um von dieser verallgemeinernden Ebene zu einer darunterliegenden und spezifischeren Ebene zu gelangen (auch Chunking down genannt). Bei der Preis-Generalisierung kann das sein: »Im Vergleich wozu?«, oder: »Bei welchen Produkten sind wir Ihrer Meinung nach zu teuer?«

Umgekehrt kann es bei der Gesprächsführung genauso hilfreich sein, aus einer detaillierten Ebene in eine höhere, allgemeinere Ebene zu gelangen, um das große Ganze deutlich zu machen (Chunking up):

Dies geschieht mit dem Ziel, den Blick auch auf andere Möglichkeiten bei der Chancenverbesserung zu eröffnen und die Lieferfähigkeit zu relativieren. Der Ebenenwechsel ist im Gegensatz zur Fragetechnik ein strategisches Mittel in der Gesprächsführung, kein semantisches. Der Ebenenwechsel bedient sich aber oft der Fragetechnik.

3.5.3 Beispieltechnik

Wenn Unverständnis über den Standpunkt des Gesprächspartners die Sicht versperrt, hilft beim Ringen um die besseren Argumente oder um eine Lösung ein passendes Beispiel. Im Zwiegespräch verwenden die meisten Menschen oft Argumente aus ihrer persönlichen Sicht und Erlebniswelt. Da ist es naheliegend, mit einer anderen Referenzerfahrung den Standpunkt zu verändern, um einen anderen Blickwinkel auf das Thema zu ermöglichen. So kann ohne die Erläuterung des Für und Wider ein erster Schritt zur Akzeptanz des anderen Standpunktes erfolgen. Und darum geht es bei der Führung im Vertrieb ganz besonders: Akzeptanz und Einsicht statt Gehorsam bei den Mitarbeitern zu erreichen – dazu ein Beispiel:

Hier wird das Beispiel als Argument benutzt, ohne zu argumentieren. Es steht für sich – und ist kein Argument des Chefs. Die Anwendung der Beispieltechnik unterstützt besonders den Prozess in Feedbackgesprächen, weil sie eine andere und zusätzliche Sicht auf eine (kritisierte) Vorgehensweise anbietet.

3.5.4 Ich-Botschaften versus Du-Botschaften