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Susanne Klein

60 Tools für den New Work Coach

Transformation aktiv gestalten

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Inspirierend für Führungskräfte, Trainer, Coachs, Moderierende, Workshopleitende, Scrum Master und vergleichbare Rollen

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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http//dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-96740-004-5

Lektorat: Susanne von Ahn, Hasloh

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Coverabbildung: nd3000/AdobeStock

Autorinnenfoto: Ditmar Kerkhoff

Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de

© 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

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Dieses Buch ist, so gut es möglich war, gegendert. Zur Seite stand mir Geschicktgendern.de. Wenn ich für einen Begriff keine Formulierung gefunden habe, die beide Seiten bedient und gut lesbar ist, habe ich entweder zwischen den Geschlechtern gewechselt oder mich für die einfachste Version entschieden, mit der ich mich auf alle Gender beziehe.

Inhalt

New Work Coaching

i New Work Culture

1. Das Leitungsteam

Tool 1 Komische Phänomene

Tool 2 Den Korridor definieren

Tool 3 Drei Boxen

Tool 4 Iterative Prozesse

Tool 5 Evolutiv vorgehen

Tool 6 Reverse Mentoring

2. Kultur und Vertrauen

Tool 7 Onboarding mit Heldengeschichten

Tool 8 Transparenz

Tool 9 Kultur? Struktur!

Tool 10 Szenario-Training

Tool 11 Balance Day

Tool 12 5 : 1 – konsequent ermutigen

3. Mindset

Tool 13 Spiegel-Session

Tool 14 Fokus? Außen!

Tool 15 Stop doing

Tool 16 Implizite Regeln

Tool 17 Customer Bowl

Tool 18 Side-Effects

Tool 19 Ideen.Blog

Tool 20 Imperfektion

II New Work TeAm

4. Working Sessions

Tool 21 Single Working Sessions

Tool 22 Duo Working Sessions

Tool 23 Team Working Sessions

Tool 24 50 + 10

Tool 25 Walk in, walk out

Tool 26 Fitness of Mind

Tool 27 3 MT und Co

Tool 28 Friendly User Session

5. Solution Sessions

Tool 29 1, 2, viele

Tool 30 Provokative These

Tool 31 Working Walk

Tool 32 Minimalismus

Tool 33 ROFL

6. Decision Sessions

Tool 34 Konsent oder die beste Lösung

Tool 35 Entscheiderbriefing

Tool 36 Beratungsregel

Tool 37 Beste Lösung +

Tool 38 25/5

Tool 39 Sekundäre Rationalisierung

7. Kollaboration

Tool 40 Zielfusion und Erwartungen

Tool 41 Interfaces und Co-Creation

Tool 42 Sprachlos

Tool 43 Stopp

Tool 44 Realität anerkennen

Tool 45 „Und jetzt?“-Session

Tool 46 Gelegenheiten schaffen

Tool 47 Feedback? Direkt!

Tool 48 Admin of the week

III New Work Self

8. Individuen begleiten

Tool 49 Bias als Filter

Tool 50 Die eigenen 90 Prozent

Tool 51 Sokratischer Dialog

Tool 52 Impostor-Phänomen

Tool 53 Überdurchschnittlich

Tool 54 Silent Finish

9. Konflikte und Krisen

Tool 55 Auf den Tisch

Tool 56 Bewährtes nutzen

Tool 57 Perspektivwechsel

Tool 58 Verstehen? Respektieren!

Tool 59 Faul? Feige? Eitel?

Tool 60 Persönliche Krisen

Silent Finish

Danksagung

Glossar

Quellen, Inspiration und Empfehlungen

Bücher

Vorträge

Links

Interessante Zeitschriften

Die Autorin

New Work Coaching

Wäre es nicht schön, wenn New Work ein Selbstläufer wäre? Dann würde es ausreichen, ein cooles Start-up zu gründen oder einen Changeprozess in einem etablierten Unternehmen anzukündigen und fest daran zu glauben, dass ein neues Design oder eine Ansage allein dazu ausreicht, kollaborative Verhaltensweisen auf allen Ebenen zu produzieren. Oder man erwartet einfach, dass alle Personen im Unternehmen ihre Projekte agil managen, stellt einen Scrum Master zur Verfügung oder benennt ganz einfach einen Abteilungsleiter in Chapter Lead oder Squad Lead um. Noch einfacher wäre es, hybrides Führen auszurufen, offene Schreibtischwelten zu bauen oder Menschen ins Homeoffice zu schicken.

Das wäre zwar schön, aber es reicht eben nicht. Zu New Work gehören eine innovative Struktur, eindeutige Spielregeln, eine Kompetenzkultur und Konsequenz. New Work bedeutet, jeder Person im Unternehmen zu ermöglichen, sich selbst zu führen und ihre Kompetenz vollumfänglich einzubringen. Dafür erhält jede Person zugeschnitten auf ihre Kompetenz die entsprechende Verantwortung. Im Gegenzug bemühen sich alle, übergreifend zu denken und entsprechend umsichtig zu handeln. Unabhängig von Hierarchie zählt in New Work nur die Expertise. Notwendig sind ein anderes Denken, eine neue Haltung, das Prinzip Selbstverantwortung und jede Menge Reflexion. Jede Person hat die Aufgabe, sich aktiv zu involvieren und sich der Themen anzunehmen. Anstatt einer Hierarchie gibt es verbindliche Spielregeln, auf deren Einhaltung alle achten. Auch eine besondere Form der Teamarbeit und eine Versunkenheit in Deep Work zeichnen die neue Form der Arbeit aus.

Und: New Work muss gelernt werden. Genauso wie das Spielen eines Instruments. Spaß, Begeisterung und tägliche Übung gehören ebenso dazu wie Erfolgserlebnisse. Weitere Zutaten sind Neugier, eine gute Anleitung und ein Mindset, das von Interesse und Offenheit geprägt ist – unabhängig von der Rolle. Sich als Experte zu verstehen und entsprechend einzubringen und zu handeln ist Aufgabe jedes Mitarbeitenden. Und das Ganze unterstützt von innovativen Tools.

Die meisten New Work Tools sind schnell und einfach zu verstehen. Sie virtuos einzusetzen braucht Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Jeder Mensch kann auch schnell begreifen, wie Klavierspielen funktioniert: wechselnd schwarze und weiße Tasten drücken. Der Ton kommt dann von alleine. Was einfach klingt, braucht einen langen Weg zur Virtuosität. „Klavierspielen geht nicht. Ich habe es selbst versucht“, wäre ein vorschnelles Urteil, das uns um einen Mozart oder Einaudi gebracht hätte, hätten diese nach den ersten Versuchen aufgegeben ... Und: Bei New Work sitzt man nicht alleine am Klavier. Es ist vielmehr eine Orchestrierung der Gegebenheiten.

Gegenseitige Unterstützung, Zielfokus und Innovation sind möglich, wenn Teamleistung belohnt wird. Das ist die Voraussetzung für Kollaboration. Der Wettbewerb in kollaborativen Teams findet nur außerhalb des Unternehmens statt. Und in außergewöhnlichen Situationen nicht einmal dort, wenn man an die Impfstoffentwicklung angesichts der Corona-Krise denkt. Die permanente Orientierung an den Geschehnissen des Marktes und der konsequente Fokus auf den Kunden machen stabile Zusammenarbeit und die Fähigkeit, sich als Team zu verstehen und entsprechend innerlich wie äußerlich aufzustellen, notwendig.

Die Entwicklung hin zu kompetentem und selbstverantwortlichem Handeln ist ein permanenter Prozess. Die meisten Menschen können es ja schon, wissen nur noch nicht, wie es im unternehmerischen Umfeld funktioniert. Denn in traditionellen Strukturen wurde ihnen diese Verantwortung abgenommen.

Dabei gibt es niemanden, der die neu gewählte Form der Zusammenarbeit „verordnen“ könnte. Die Entwicklung findet vielmehr evolutiv statt: ein Experimentieren und Konsolidieren im Wechsel. Und nach und nach etabliert sich ein neuer Umgang, eine Kollaboration, wenn alle in ihrem Denken und Tun darauf bedacht sind. Wird diese gepflegt, bleibt sie erhalten. Auch das gehört zur Evolution. Diese Erfahrung machen wir alle im Alltag beim Gebrauch des Gehirns und bei der Benutzung der Muskulatur. Nach kurzer Zeit schon stehen neue Fähigkeiten und Kräfte zur Verfügung – wenn man dranbleibt.

In einem klassischen hierarchischen System zu arbeiten ist viel einfacher und fordert weniger. Mitarbeitende können sich immer rausziehen und sagen: „So wollten es die Führungskräfte ...“ Mit Verantwortung umgehen, sich selbst strukturieren, Aufgaben finden, priorisieren und sich immer aufmerksam mit seinem Umfeld abstimmen – auch das ist in konsequenter Form für viele Mitarbeitende neu. Sie damit alleine zu lassen, wäre nicht fair. Ein Lernbegleiter, eine Person, die Reflexion anleitet, die Muster bewusst macht und Impulse setzt, kann jetzt sehr hilfreich und unterstützend sein. Diese Aufgabe hat der New Work Coach.

Der New Work Coach ist mehr als ein Coach. Er ist gleichermaßen Mentor, Trainer, Berater und Begleiter. Er ist derjenige, der Unternehmensleitung und Fachkräfte unterstützt, der den Spiegel vorhält und der fordert. Denn das, was wir lernen sollen, ist für uns selbst nicht immer so offensichtlich. Manchmal entdeckt man es erst gemeinsam mit einer unterstützenden Person. Und auch bei dem Übergang von einer traditionellen zu einer modernen Organisation kann ein New Work Coach ein Katalysator sein.

Transition

Jeder Mensch kann sich selbst organisieren und verantwortlich handeln, vorausgesetzt, er ist körperlich und psychisch gesund und normal belastbar. Vielleicht hat dieser Mensch bisher in einem Unternehmen gearbeitet, in dem es wichtig war, genau umzusetzen, was die vorgesetzte Person wollte. Deswegen ist es möglich, dass eine Person nicht sicher ist, wie sie die neue Selbstverantwortung umsetzen soll. Vielleicht kommt sie auch zu dem Schluss, dass sie Selbstverantwortung nicht lernen oder umsetzen möchte. Möglicherweise ist es zu anstrengend, eventuell traut sie es sich selbst nicht zu oder sie ist einfach verunsichert. Selbstverantwortung kann man nicht aufzwingen. Man kann Menschen nur dafür interessieren und ihnen zeigen, wie sie in der Selbstverantwortung erfolgreich handeln können. Gleichzeitig ist es für viele vorsichtige Menschen wichtig zu lernen, wie sie sich selbst abgrenzen. Denn wenn sie tatsächlich in die Verantwortung gehen, dann fällt es manchem schwer, „Nein“ zu sagen oder abzuschalten. Und auch das kann gelernt werden.

New Work zu verordnen ist nicht nur ein Widerspruch in sich, es funktioniert einfach nicht. Es gibt Menschen, die möchten lieber auf Anordnung arbeiten und keine Verantwortung für ihre Ergebnisse übernehmen. Ein Unternehmen muss sich überlegen, in welchen Bereichen das sinnvoll sein kann. Und ein Unternehmen, das sich weiterentwickeln möchte, hat eher die Aufgabe, Arbeitsgruppen für eine neue Herangehensweise zu interessieren. Für New Work finden sich Menschen in Organisationen, die Lust haben und ausreichend neugierig sind, um sich auf ein Experiment einzulassen. Ein kleines gallisches Dorf, das die Dinge anders tut. Beobachtet von allen anderen. Und wenn es dort gut läuft, es den Menschen gut geht und die Ergebnisse stimmen, dann steigen weitere Gruppen und Teams darauf ein. Sie beobachten, schauen ab, erproben und wenden Dinge für sich an. So schafft eine Organisation neue Erfahrungen und nach und nach entwickelt sich die gesamte Organisation weiter. Ganz ohne Ansage, ohne Projekt oder Rollout. „Evolutiv“ eben.

Die Unternehmensleitung zuerst

Voraussetzung für neues Arbeiten ist, dass die Leitung sich zuerst auf New Work ausrichtet – sie startet mit der Umstellung. Diese Personen entscheiden, mit welchen Elementen sie arbeiten wollen, erproben Tools, entwickeln sich weiter und finden so zu einem neuen Denken und Handeln. Nach diesem Vorbild können dann interessierte Einheiten folgen. Nicht umgekehrt. Ist der Prozess erst einmal gestartet und die Unternehmensleitung interessiert und als Vorbild dabei, können gegenseitige Impulse der wichtigste Auslöser für Weiterentwicklung sein. Jeder kann Neues initiieren. Denn Menschen entwickeln sich gerne durch Beobachtung und Voraussagen.

Durch die Entdeckung der Simulationsneuronen wurde in den letzten Jahren bewusst, dass Menschen andere beobachten und deren Handlungen und Entscheidungen gedanklich vorwegnehmen. Sie sind nach einiger Bobachtungszeit dazu in der Lage, das Denken und das Verhalten eines Gegenübers vorauszusagen. Und es besteht die Tendenz, dieses Verhalten zu kopieren. Sind wir also nach der Beobachtungsphase selbst in der Situation, eine vergleichbare Entscheidung treffen zu müssen, orientieren wir uns an unserem Vorbild.

Es ist mithin innerhalb einer Transition möglich, dass es in einem Unternehmen weiterhin Bereiche gibt, die klassisch arbeiten, während andere schon in der neuen Struktur zu Hause sind. In Ersteren gibt es noch eine Führungsperson, die die Dinge für das Team regelt. Der New Work Coach kann in diesen Teams Impulse setzen und Kooperationen mit anderen Personen anregen und initiieren, damit die Mitarbeitenden sehen, inwieweit die neue Arbeitsweise passen könnte. Vielleicht gibt es einzelne interessante Elemente? Die Entscheidung trifft jedes Team für sich selbst. Und so kann es sein, dass es nach einer Transition immer noch Bereiche gibt, die für sich entscheiden, dass die klassische Struktur für ihre Aufgaben die bessere ist. Und dann gibt es vielleicht einige Teams, die sich aus beiden Systemen das herauspicken, was für sie machbar ist. Pragmatisch eben. Solange etwas funktioniert, ist es nicht notwendig, eine Gleichheit der Arbeitsformen zu fordern. Was funktioniert und alle zufriedenstellt, darf sein. Auch über die Transition hinaus. Wobei wir durch den evolutiven Charakter von New Work im Grunde genommen immer in einer Transition sind. Denn je nach neuen Gegebenheiten geht es weiter – auf allen Ebenen.

Mindset, Strukturen und Zusammenarbeit anpassen oder ändern – das schreibt sich so leicht dahin. Dabei ist es alles andere als leicht. Meist verbirgt sich dahinter ein intensiver Prozess. Hier gilt das Pull-Prinzip: Wer anders arbeiten möchte, kann es, muss sich aber selbst darum kümmern. Es gibt keinen Lieferservice für New Work.

Um als Unternehmen erfolgreich sein zu können, braucht es allerdings mehr als New Work. Wenn es gut läuft, haben die Mitarbeitenden mehr Spaß, es gelingt mehr, es wird ergebnisreicher und es können in Folge auch die Umsätze steigen. Voraussetzung dafür ist aber auch, dass das Unternehmen in einem sich entwickelnden Markt tätig ist, den Nerv seiner Kunden trifft und akkurat geführt wird. Auch andere Faktoren spielen hier eine Rolle, denn die Interaktion zwischen einem Unternehmen und dem Markt ist äußerst komplex. Eindimensional etwas zuzuschreiben ist eher ungünstig.

Für junge, gut ausgebildete Menschen sind moderne Formen der Arbeit meist deutlich attraktiver. Viele haben schon im Kindergarten gelernt, Verantwortung zu übernehmen, in der Grundschule an Stationen gearbeitet, sich selbst die Zeit in ihren Wochenplänen eingeteilt und auch in der Schule, in der Ausbildung oder im Studium mussten sie selbstverantwortlich handeln. Ein Unternehmen kann also, wenn es selbst organisiertes Arbeiten anbietet, damit rechnen, dass mehr interessante und gut ausgebildete Menschen sich für diese Firma interessieren und eine Zeit lang in die Organisation kommen möchten. Das ist bereits ein erheblicher Wettbewerbsvorteil.

New Work Coach: Kontext und Rolle

Der New Work Coach sorgt dafür, dass alle Personen im Unternehmen optimal arbeiten können. Er unterstützt die Kultur, achtet auf die Zusammenarbeit, bietet neue Formate an, beobachtet und macht aufmerksam. Er ist Sparringspartner für Einzelpersonen und Teams. Der New Work Coach klinkt sich aktiv – auch ungefragt – ein, zeigt Muster auf und bietet Lösungen und Tools für Situationen an. So entwickelt er systematisch Einzelne, Teams und damit die Organisation weiter. Er kommt entweder als Freiberufler von außen ins Unternehmen oder ist als Coach angestellt, er steht auf jeden Fall außerhalb der Linienorganisation. In traditionellen Unternehmen beginnt er als Stabsfunktion, in neu organisierten Strukturen ist er positioniert wie jeder andere Mitarbeitende auch.

Der New Work Coach betreut 30 bis 50 Personen und hält einen intensiven Kontakt zur Unternehmensleitung. Wenn in kleinen Einheiten bis etwa 250 Personen zusammengearbeitet wird, braucht es keine mittlere Führungsebene mehr. Durch das selbstverantwortliche Arbeiten und ein New Work Coachteam von etwa fünf bis sieben Personen ist eine ausreichend stabile Verbindung geschaffen.

Die Coachs bilden ein Team, in dem sie ihre Beobachtungen austauschen. Ein New Work Coach ist ein Experte auf seinem Gebiet und kann sich nicht zum Chefcoach entwickeln. Ein New Work Coach wechselt etwa nach drei Jahren die Gruppe, die er betreut, um seinen Außenblick zu erhalten. Möglicherweise wechselt er auch das Unternehmen und kommt später wieder zurück. Denkbar ist ferner, dass mehrere Unternehmen über einen Coachpool verfügen und diesen gemeinsam nutzen. So bleibt der Coach in einem Kontext, wechselt aber spätestens nach drei Jahren die Organisation.

Der New Work Coach versteht sich als Impulsgeber für die Unternehmensleitung und für das Team. Er sorgt dafür, dass alle Personen den Markt dezidiert wahrnehmen, versteht die Richtung und fördert und hinterfragt Entscheidungen. Er kann kommunizieren, Brücken bauen und Konflikte antizipieren. Er versteht sich als aufmerksamer Beobachter, bringt Unangenehmes auf den Tisch und ist verantwortlich dafür, dass mit allen Ereignissen und Situationen konstruktiv umgegangen werden kann.

In einem integrativen Konzept, in dem New Work neben traditionellen Organisationsformen steht, betreut der New Work Coach die Führungskräfte gleichermaßen und sorgt dafür, dass nach und nach mehr Selbstverantwortung und Augenhöhe gelingen können.

Führungskräfte in traditionellen Strukturen können genauso mit New Work Coachingtools umgehen und so ihr Denken und Handeln weiterentwickeln. Denn wenn sie ihr Team stärken wollen, bedeutet das auch, dass sie ihre Rolle neu definieren werden. Genau wie ein Coach können sie ihr Team dabei unterstützen, zu neuen Formen der Zusammenarbeit zu finden und sich selbst anders zu organisieren. Sehr viele der hier beschriebenen Tools können eine gute Unterstützung leisten.

Auch Trainer, Coachs, Moderierende und Scrum Master können sich von den Tools inspirieren lassen und sie in ihren Kontexten und für ihre Herausforderungen nutzen.

Mehr als Coaching

Der New Work Coach unterstützt die neue Kultur. Er sorgt für das unternehmerisch relevante Mindset und die damit verbundene erfolgreiche Zusammenarbeit. Darüber hinaus trainiert er selbst die fehlenden Skills oder sorgt in anderer Form dafür, dass die Personen gut ausgestattet sind. Der New Work Coach ist auch dafür verantwortlich, dass sich die richtigen Personen für eine Mitarbeit im Unternehmen interessieren. Er führt die Erstgespräche und lotet aus, wie das Fitting stimmt. Dabei steht das Mindset im Vordergrund. Skills können leichter trainiert werden.

Der New Work Coach arbeitet nicht nur als Coach. Seine Spannbreite ist deutlich weiter. Seine Vorgehensweise bewegt sich zwischen Anleitung und Coaching. Es kann sein, dass er eine neu ins Unternehmen eingetretene Person anleitet, indem er ihr zeigt, welche Regeln es gibt, wie zusammengearbeitet wird, wo sie Informationen findet oder wie sie sich am besten organisiert. Oft geht der Coach auch in den Beratungsmodus. Dieser ist immer dann sinnvoll, wenn jemand nicht weiß, wie er methodisch vorgehen sollte, und eine Beratung sucht. Dies könnte geschehen, wenn mehrere Optionen vorliegen und eine Person nicht sicher ist, nach welchen Kriterien sie entscheiden sollte.

Wenn beispielsweise ein Team nach einem guten Format für eine Entscheidungsfindung sucht, ist der Coach als Trainer oder Moderator gefragt. Er kann dem Team verschiedene Formate anbieten und diese mit den Mitarbeitenden trainieren oder er kann auf Wunsch moderieren. Ziel bleibt, möglichst viel Kompetenz bei den Personen zu belassen bzw. auf sie zu übertragen. Im Mentoring gibt der New Work Coach seine Erfahrungen weiter, transformiert auf die aktuelle Situation. Denn Erfahrungen aus der Vergangenheit kommen aus einer „alten“ Welt und sind heute oft nicht mehr uneingeschränkt übertragbar. Aktuelle Erfahrungen anderer Personen aus anderen Bereichen erweitern sein Repertoire. Alles, was er von anderen erzählt bekommt und miterlebt, bereichert seinen Fundus. Er sammelt Best Practice und gibt diese weiter. Der New Work Coach geht aktiv auf Personen zu und tippt freundlich und ermutigend auf die Schulter: „Magst du mal etwas Neues ausprobieren?“

Spektrum des New Work Coachs:

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Coaching im eigentlichen Sinne kann ein New Work Coach immer dann anwenden, wenn eine Person oder ein Team dazu bereit ist, die volle Verantwortung für ihr Handeln und für ihre Entscheidungen zu übernehmen, wenn es Spielraum gibt und wenn er explizit beauftragt wird. Sonst sind andere Formen zielführender. Herauszufinden, für welche Person, für welches Team oder für welche Situation welcher methodische Schwerpunkt im Moment genau der richtige ist, bleibt Kernaufgabe des Coachs. Im Laufe der evolutiven Entwicklung des Unternehmens wird es immer mehr Situationen geben, in denen ein Coaching passend ist. Alle anderen Formen bleiben aber relevant.

Kompetenzen des New Work Coachs

Das Aufgabenspektrum des New Work Coachs legt nahe, dass es sich um eine erleuchtete Person handeln muss. Das, was hier beschrieben ist, kann eine einzelne Person nur schwer zu jedem Zeitpunkt liefern. Deswegen agieren auch die Coachs im Team. Und auch hier hat jeder seine Stärken und kann Aufgaben für die Kollegin übernehmen, die wiederum in einem anderen Bereich unterstützt.

Eine Kernkompetenz ist die Fähigkeit, Spannungen in Einzelpersonen und Teams zu identifizieren und aufzulösen. Darüber hinaus wünschenswert sind Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Menschen, eine solide Coachausbildung mit einem hohen Anteil an Selbstreflexion, ein souveräner Umgang mit Tools, eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe und ein Gespür für die richtige Intervention zur richtigen Zeit. Unnötig zu betonen, dass der New Work Coach vom Konzept überzeugt sein muss und daran arbeitet, es jeden Tag zu verbessern. Souveränität im Umgang mit der Unternehmensleitung und mit Fachleuten ist genauso Voraussetzung wie eine sensible Beobachtungsgabe bei Eingriffen in Situationen und Szenen. Der Verführung, zu polarisieren oder sich instrumentalisieren zu lassen, sollte er standhaft widerstehen. Dabei unterstützen ihn die Reflexionsprozesse mit seinen Coachkollegen.

Peer-Coaching und Supervision für den New Work Coach

Ein New Work Coach ist vielleicht ein bisschen erleuchtet, aber nicht so, dass er ohne Feedback einen guten Job machen könnte. New Work Coachs brauchen eine Peergroup, um gründend auf ihren Wahrnehmungen und Erfahrungen im Unternehmenssystem hinreichend gute Schlüsse ziehen zu können. Um seine Eindrücke zu objektivieren, braucht der New Work Coach die Wahrnehmungen und Ideen anderer Coachs. Gemeinsam gelingt es so, ein Bild des Systems zu entwerfen, das der Realität näherkommt, und Überlegungen zur Unterstützung und Justierung abzuleiten.

Coachs agieren in den Teams, die ihnen zugewiesen sind. Und sie empowern einzelne Personen. Die Abstimmung im Coachteam dient dem Alignment. Man betrachtet gemeinsam Muster und es gibt aufgrund der unterschiedlichen Vorbildung mehr Ideen zum Umgang mit Personen, Teams und Situationen.

Meist schätzen es Einzelne und Teams sehr, einen Coach im Hintergrund zu wissen, mit dem sie hin und wieder Themen besprechen können. Sie nehmen einen Impuls oder eine Idee dankend an und optimieren damit ihre Kompetenz. Und es ist einfach gut, wenn einer ab und zu mit dem Finger auf die Schulter tippt und fragt: „Merkste was?“ Denn jeder steht mal vor der Wand und schlägt mit dem Kopf dagegen, anstatt die Tür zu benutzen.

Drei Felder – neun Themen – sieben Basisprinzipien

Der New Work Coach ist vor allem in drei Feldern aktiv:

  1. New Work Culture
  2. New Work Team
  3. New Work Self

Für diese drei Felder sind hier Tools in neun Kapiteln zusammengestellt. Die Felder beschreiben keine Abfolge. Sie stehen nebeneinander und können entsprechend genutzt werden. Allein die Tools für die Unternehmensleitung haben einen zeitlichen Vorrang. Das Leitungsteam braucht eine konkrete Vorstellung von der Art und Weise der Zusammenarbeit. Der Korridor sollte definiert und eine kulturelle Richtung festgelegt sein. Ausgehend von diesem Konzept entwickelt sich das Unternehmen evolutiv weiter.

Diese neun Bereiche werden in den nächsten Kapiteln mit Tools gefüllt. Dafür wird immer das gleiche Format genutzt: Es gibt einen Namen für das Tool, eine Einführung und eine kurze Zielformulierung. Dann kommen die Story und eine Beschreibung. Abschließend folgen Tipps und Erfahrungen und Ideen zur digitalen Umsetzung, denn diese gewinnt zunehmend an Bedeutung. Es ist erstaunlich, wie einfach – sobald man sich einmal an eine Remote-Zusammenarbeit gewöhnt hat – eine digitale Umsetzung der Tools möglich ist. Vorausgesetzt, die technischen Möglichkeiten passen.

Die kurzen Storys zeigen oder ergänzen das Tool und spielen alle im gleichen Unternehmen, einem Softwarehaus mit Schwerpunkt Medizintechnik. Mit folgenden Protagonisten werden Sie es zu tun haben: Marc ist der Unternehmensgründer. Seine Partnerin Hannah gehört mit ins Leitungsteam. Sie ist kurz nach der Gründung hinzugestoßen und hat Finanzmittel bereitgestellt. Als Experten finden sich Martina, eine sehr erfahrene Mitarbeiterin, die von Anfang an dabei ist, und Henrik, der seit einem Jahr mitarbeitet. Peter und Annika sind seit vier Jahren im Unternehmen, beide sehr erfahren, aber sehr unterschiedlich in ihren Bedürfnissen und Erwartungen an ihr Arbeitsumfeld. Und dann sind da noch Eleonora und Paul, die gerade starten. Und nicht zu vergessen Aron, der Betriebspraktikant. Auf Coachseite gibt es Justus, ein sehr erfahrener Coach, Konstantin und Johanna, die beide jünger sind, auch schon Erfahrungen sammeln konnten, aber noch im engen Austausch mit Justus arbeiten. Johanna mehr als Konstantin.

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Mit dieser Struktur können Sie ein Tool aus drei Richtungen erfahren: Beschreibung, Story und Erfahrungen. Fragen, die möglicherweise bei der Beschreibung offenbleiben, klären sich bei den Tipps oder in der Story. Vermutlich ist es nicht möglich, alle Eventualitäten abzubilden. Deswegen sind Sie eingeladen, mit den Tools zu experimentieren und diese für Ihre Situationen und für Ihre Zwecke entsprechend anzupassen und Ihren Toolkoffer damit zu erweitern.

Die Tools, die Sie hier zusammengestellt finden, haben sich in der Praxis bewährt – ohne Vollständigkeit zu beanspruchen. Sie bilden den Basis-Werkzeugkasten. Und: Man kann die Tools sinnvoll kombinieren. Auch Führungskräfte, die ihre Führungsarbeit weiterentwickeln möchten, können mit diesen Tools neue Ansatzpunkte für sich, ihren Vorgesetzten und ihr Team finden.

Jedes Tool ist eine Anregung, die auf die entsprechende Situation angepasst werden muss und hier in einer besonderen Kombination mit anderen Tools wirken kann. Es wird ein Vorgehen vorgeschlagen, das der New Work Coach kreativ ein- und umsetzen, erweitern und ergänzen kann. Und bei jeder Anwendung entwickelt sich das Tool. Ganz im Sinne der modernen Unternehmensführung sind diese Tools evolutiv nutzbar.

So verschieden wie einzelne Menschen, Teams und Unternehmen sind, so flexibel müssen auch die Arbeitsprinzipien und -formen auf sie ausgerichtet sein. Was in der Produktion gelingt, passt nicht zum Handel oder zur Beratung, und umgekehrt. Jedes Umfeld ist anders spannend, jede Aufgabe herausfordernd und jedes Unternehmen neu zu denken. Deswegen passt für jedes Unternehmen eine andere Form von New Work.

New Work folgt verschiedenen Basisprinzipien, die sich hier als Tool oder auch in Tools zeigen. An diesen Basisprinzipien orientiert sich der Coach bei seiner Arbeit. Folgende sieben Prinzipien werden hier fokussiert:

Basisprinzip 1: Aktiv zur Reflexion bringen

In diesem Modell wartet der Coach nicht, bis er beauftragt wird. Der New Work Coach beobachtet und schaltet sich – auch ungefragt – ein. Sein Ziel ist es, die Arbeit des Einzelnen und die Zusammenarbeit zu optimieren – über Reflexion und konsequente Außenorientierung. Durch seine Vorgehensweise ist er Vorbild und Ideengeber zugleich. Denn er verfügt über vielfältige Tools, die er zur Verfügung stellt.

Basisprinzip 2: Minimax – mehr Ergebnis durch Timeboxing

Es gilt, mehr gemeinsam zu tun, anstatt viel zu reden. Denn reden bringt nicht immer weiter. Erst im gemeinsamen Tun im vorgegebenen Zeitrahmen können Ergebnisse erkannt und bewertet werden. Eine vorgegebene Zeit hilft, um sich nicht zu verzetteln. Denn mehr geht immer. New Work basiert auf dem Minimax-Prinzip: möglichst geringer Aufwand mit möglichst hohem Ergebnis. In jeder Hinsicht.

Basisprinzip 3: Evolutiv vorgehen

Idee, Plan und Durchführung sind keine getrennten Prozesse. Es wird in jedem Fall pilotiert und probiert. Die Ergebnisse dieser Piloten werden zur Verfügung gestellt. Jeder, der möchte, kann die Erfahrungen für sich nutzen und auf seine Arbeitsweise übertragen. Es herrscht ein striktes Pull-Prinzip. Wir fangen einfach da an, wo wir sind.

Basisprinzip 4: Imperfektion

Dinge werden nicht erst dann umgesetzt, wenn sie zu 100 Prozent sicher funktionieren. Das erste Ziel ist, 10 bis 15 Prozent zu erreichen und diese bereits zu nutzen. Erst wenn sich das bewährt, wird überlegt, ob ein weiterer Ausbau sinnvoll ist. Bei New Work strebt man nicht die Perfektion an, sondern arbeitet mit der Imperfektion. Ganz pragmatisch.

Basisprinzip 5: Funktionalität

Unsere Umwelt ist hochgradig ambig. Richtig und falsch sind heute irrelevante Kategorien. Die meisten Dinge sind in Teilen günstig und in Teilen ungünstig – gleichzeitig. In New Work strebt man nicht nach dem richtigen Weg, sondern betrachtet die Zieldienlichkeit der gefundenen Lösungen. Dabei behält man eine Lösung so lange bei, bis man etwas Besseres gefunden hat. Ganz pragmatisch.

Basisprinzip 6: Fokus auf Gelingendes

Dinge gelingen dann besonders gut, wenn man das Funktionierende im Blick hat und immer weiter ausbaut, ohne dysfunktionale Anteile aus dem Auge zu verlieren. Der konsequente Blick auf das Gelingende trägt zur Stimmung und zu einem positiven Umgang bei. Denn das Prinzip bezieht sich auch auf Menschen.

Basisprinzip 7: Distanz

Pausen sind Teil der Leistung. Eine hohe Leistungsfähigkeit kann über einen langen Zeitraum nur aufrechterhalten werden, wenn dem ein diszipliniertes Pausenverhalten gegenübersteht. In der Pause regenerieren Menschen nicht nur ihre Kräfte, sie bekommen auch Distanz zum Geschehen und können es neu betrachten. Aus der Distanz heraus finden sich ganz neue Lösungsansätze.

Diese Basisprinzipien leiten das Denken und Handeln im Umfeld von New Work. Alleine diese Prinzipien bieten schon Lösungsideen für viele verschiedene Situationen.

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New Work Culture