Mein Leben, meine Firma,
meine Strategie
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Das E-Book basiert auf dem 2020 erschienenen Buchtitel »Claus Hipp – Mein Leben, meine Firma, meine Strategie« von Beat Balzli (Hg.) und Martin Seiwert © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-006-3
ISBN epub: 978-3-95623-988-5
Lektorat: Anke Schild, Hamburg
Umschlaggestaltung: Martin Zech, Bremen | www.martinzech.de
Coverillustration: Nigel Buchanan
Beratung Coverillustration: Patrick Zeh
Bildredaktion: Patrick Schuch, Düsseldorf
Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de
Copyright © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
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Vorwort
ERSTES KAPITEL
Das Leben heute und damals
Zwischen Natur und Büro
Kindheit im Krieg und in der Nachkriegszeit
Religion und Familie: Fürchte Gott, tue recht und scheue niemand
Studentenjahre: Vorgezeichnete und zufällige Wege
Einsatz auf allen Ebenen
Unternehmerfamilie und Familienunternehmen
ZWEITES KAPITEL
Exkurs: Die nächste Generation – ein Interview mit Stefan Hipp
Einstieg der vierten Generation
Hipp-Produkte in Deutschland und der Welt
Die Welt und die Umwelt im Blick
Neue Märkte und Innovationen: Windeln und mehr
Markenpositionierung heute
Corona: Krisenerfahrungen und Erkenntnisse
DRITTES KAPITEL
Erfolgsgeheimnisse
Mit begeisterten Menschen Begeisterung schaffen
Kunst: Der Meisterschüler
Innovation und Wachstum
VIERTES KAPITEL
Politik und Wirtschaft
Deutschland, Europa und Bayern
Anstand
FÜNFTES KAPITEL
Der Unternehmer und sein Umfeld
Führung: Mit Wohlwollen und Gerechtigkeit
Geld: Sparsamkeit, Wohlstand, Luxus
Ökologie: Klimawandel, Bioprodukte und Artenschutz
Die Coronakrise
Claus Hipp privat
Zeittafel: Von der Konditorei zum Bioimperium
Über die Autoren
Bildnachweis
Die zentralen Fragen des Lebens kommen meist schlicht daher. »Wie baue ich erfolgreich ein Unternehmen auf?« ist so eine. Ein Heer von Gründerinnen und Gründern stellt sie sich regelmäßig. Ein Heer von Coaches, Unternehmensberatern und Managementgurus glaubt, die Antwort zu kennen.
Doch in Wahrheit ist alles viel komplexer. Von der DNA des Erfolges gibt es beinahe so viele Varianten wie von der menschlichen. Aber das richtige Zusammenspiel unzähliger Bausteine funktioniert nach ein paar Gesetzen, die sich in vielen Aufsteigergeschichten wiederholen. Diesen Regeln des richtigen Handelns will die WirtschaftsWoche mit der neuen Buchreihe Mein Leben, meine Firma, meine Strategie nachspüren. Ganz bewusst handelt es sich dabei nicht um herkömmliche Biografien. Stattdessen erzählen prominente Unternehmerpersönlichkeiten, die in ihrem Leben Außergewöhnliches geschaffen haben, über Höhen und Tiefen, ihre Stärken und Schwächen, ihre Tops und Flops. So kommen Nahaufnahmen von Menschen zustande, die sich sonst nur einem engen Kreis Vertrauter öffnen. Sie lüften Geheimnisse, sprechen über richtiges Timing, falsche Freunde, einmalige Chancen, umstrittene Entscheidungen, großes Glück, große Fehler – und den unbedingten Willen, es trotzdem zu schaffen.
Kaum einer wirkt bei diesen Erzählungen so authentisch wie Claus Hipp. Er ist der Mann, dem ein ganzes Land den Appetit seiner Kleinkinder anvertraut. In der legendären Fernsehwerbung für seine Babynahrung steht er in blühenden Landschaften und sagt: »Dafür stehe ich mit meinem Namen.« Glaubwürdiges Marketing eben. Hier spricht kein bonusgetriebener Konzernmanager, sondern ein tiefgläubiger Unternehmer, der für seine Verfehlungen haftet – und darum schon vor Jahrzehnten den Gedanken der ökologischen Verantwortung verinnerlichte. Er hat die Generation Greta mit aufgezogen, ist er überzeugt: »Man müsste sich mal anschauen, wie die Generation Greta in der Kindheit ernährt wurde. Meine Vermutung ist: Die haben viele Bioprodukte von Hipp bekommen.« Als Visionär würde er sich selbst nie bezeichnen. Alle anderen schon. Hat er Fehler gemacht? Garantiert. Hat der Hobbymaler, Messdiener und Musterschüler mehr falsch als richtig gemacht? Unwahrscheinlich. Selbst die Nachfolge scheint vorbildlich geregelt. Seine Söhne übernahmen schon vor Jahren das Ruder.
WiWo-Redakteur Martin Seiwert traf Vater und Sohn Stefan mehrmals zu stundenlangen Gesprächen – und kam so dem Hipp-Geist auf die Spur.
Beat Balzli
Claus Hipp ist für Millionen Menschen der Mann aus der Fernsehwerbung. Der, der in der blühenden Natur steht und sagt: »Dafür stehe ich mit meinem Namen.« Bei kaum einem anderen Produkt zählt Vertrauen in ein Unternehmen so sehr wie bei Babynahrung: Die Kleinsten sollen nur das Beste bekommen. Dass Claus Hipp dafür persönlich bürgt, ist cleveres Marketing – aber nicht nur: Hier verschmelzen für den Kunden ein Unternehmen, das als eines der ersten weltweit den Gedanken der ökologischen Verantwortung verinnerlichte, und ein Unternehmer, der keine Scheu hat, religiöse und ethische Überzeugungen zu vertreten und sich an diesen hohen Ansprüchen auch selbst messen zu lassen. So logisch diese einzigartige Verbindung von Hipp und Hipp-Gläschen heute auch erscheinen mag, der Weg dorthin war alles andere als vorgezeichnet. Er war kurvenreich, inspirierend und voller Überraschungen.
Herr Hipp, viele Deutsche kennen Ihr Gesicht aus der Werbung. Sonst weiß man aber nicht viel über Sie. Verraten Sie uns doch mal: Wie leben Sie?
Ganz einfach, wie ein Bauer. Ich habe meinen Hof und die Tiere; dort lebe ich mit meiner Frau, meiner Tochter und ihrem Mann. Mein Schwiegersohn ist Diplomlandwirt und leitet den Betrieb, der macht das alles sehr gut und professionell. Wenn Not am Mann ist, dann helfe ich auch mit. Seit über 60 Jahren wird auf unserem Hof biologischer Landbau betrieben. Heute kümmern wir uns besonders um den Erhalt der Artenvielfalt. Wir machen das aber nicht selbstgestrickt, sondern in engem Austausch mit Universitäten und Umweltorganisationen. Dabei haben wir beachtliche Erfolge.
Wie groß ist der Hof?
Wir bewirtschaften 180 Hektar. Unsere Rinder sind Original Braunvieh. Das ist eine Rasse, die ursprünglich aus der Schweiz und dem Allgäu kommt. Die ist schon so selten geworden, dass der Staat ihren Erhalt aus Artenschutzgründen unterstützt. Das ist eine Rinderrasse, die leichter ist als die heutigen Arten, sie ist robuster und nicht so krankheitsanfällig. Die Tiere können deshalb im Freien leben, im Wald oder auf der Wiese. Die Kälber kommen in der Natur zur Welt und bleiben bei der Mutter, bis sie groß genug sind.
Ein typischer Tag im Leben des Claus Hipp, wie muss man den sich vorstellen?
Ins Detail will ich eigentlich nicht gehen. Sonst hat die Polizei Sorge, dass ich möglichen Tätern in die Hände spiele.
Fürchten Sie eine Entführung?
Die Polizei rät zur Vorsicht, weil ich eben eine gewisse Bekanntheit habe. Aber ich kann Ihnen verraten, dass ich vor 5 Uhr aufstehe. Nach dem Frühstück fahre ich los und schließe eine Kirche auf, die ich vor über 40 Jahren einmal renoviert habe.
Warum haben Sie eine Kirche renoviert?
Es handelt sich um eine allein stehende Wallfahrtskirche auf einem kleinen Berg im Wald, sie war sehr verfallen. In den 1970er-Jahren habe ich mich dafür eingesetzt, dass sie renoviert wird. Das Ordinariat hat Material und Farbe zu Verfügung gestellt und ich habe mit freiwilligen Helfern die Arbeiten übernommen. Als der emeritierte Papst Joseph Ratzinger noch Kardinal in München war, hat er mich gebeten, mich um die Kapelle zu kümmern – und das mache ich auch.
Sie stehen so früh auf, um die Kirche zu öffnen? Das kann doch auch jemand anderes machen.
Bestimmt, aber ich mache das gern. Dort habe ich ein paar ruhige Minuten zu Tagesbeginn. Das verhindert, dass der Tag zu hektisch wird. Danach gehe ich in die Firma. Meine Sekretärin ist schon ab 6 Uhr hier. Dann kümmere ich mich um die Dinge, die man erledigen sollte, bevor der Geschäftsbetrieb so richtig losgeht, lese zum Beispiel meine Post.
Sie sind aber nicht nur in Pfaffenhofen, sondern auch oft in München.
Ja. Dort habe ich auch ein Büro. Ich bin Honorarkonsul von Georgien für den Amtsbezirk Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. Manche Leute, die mich treffen wollen, kommen lieber in das Konsulat nach München als an den Hauptsitz von Hipp in Pfaffenhofen, weil München besser zu erreichen ist.
Sie haben Ihre Firma mit rund 3500 Mitarbeitern, den eigenen Hof, die Verpflichtungen als Honorarkonsul, Sie halten Vorlesungen als Professor, Sie malen und musizieren in einem Orchester. Habe ich etwas vergessen?
Das war es im Wesentlichen, glaube ich.
Welchen Platz kann bei einem solchen Programm die Familie noch haben?
Die Familie ist mir das Wichtigste und hat immer Priorität. Sie kann jederzeit vorbeikommen. Wir sehen uns hier in der Firma, wir sehen uns zu Hause beim Essen. Wenn jemand mehr Zeit braucht, dann muss er sich nur melden, dann kriegt er sie. Das weiß jeder in der Familie.
Hätten Sie als junger Student gedacht, dass Sie einmal ein solches Leben führen würden?
Nein.
Sie wurden 1938 geboren, kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Was waren das für Verhältnisse, in die Sie hineingeboren wurden?
Ich wurde in München geboren. Das Unternehmen war dorthin umgezogen, weil mein Vater und die ganze Familie gegen die Nazis waren. Auf dem Land kannte jeder jeden, wusste, wie er eingestellt ist. In der Stadt war es anonymer.
Können Sie sich an den Krieg erinnern?
Ja, ich habe einige Erinnerungen an den Krieg. In München gab es natürlich Luftangriffe, die sich mir eingeprägt haben. Dann sind wir in den Luftschutzkeller gerannt, was ich als Kind sehr lustig fand. Das war für mich ein Spiel. Dort war es so eng, dass einmal einer stolperte und dann alle anderen umgefallen sind wie Dominosteine. In der Nachkriegszeit habe ich gesehen, wie die Flüchtlinge bei uns angekommen sind und dann einen sehr erheblichen Teil der Bevölkerung ausgemacht haben.
Wie hat das Zusammenleben mit den Fremden geklappt?
Die Lehrer haben wir teilweise sehr schlecht verstanden, weil wir eben doch einen ganz anderen Dialekt gewöhnt waren. Wir mussten langsam sprechen, dann ging es. Nur dreimal in der Woche hatten wir für eine Stunde Schulunterricht. Das Schulhaus war im Krieg in ein Lazarett umgewandelt worden, deshalb hat der Unterricht in Wirtshäusern stattgefunden. Die Kinder mussten ein Stück Holz oder ein Stück Kohle zum Heizen mitbringen. Das meiste haben wir zu Hause gelernt, es gab immer Hausaufgaben. Unsere Lehrer waren vielfach aus dem deutschen Osten. Von der bayerischen Lebensart und Kultur hatten sie kaum eine Ahnung. Unser Unterricht bestand dann mehr aus Riesengebirge und Rübezahl als aus bayerischer Geschichte. Aber es hat uns nicht geschadet.
Für Ihre Eltern war es sicher keine leichte Zeit nach dem Krieg.
Sie waren natürlich froh, dass der Krieg zu Ende war. Aber die Not war nicht vorbei. Es kam eine ökonomisch sehr schwere Zeit, in der wir wirtschaftlich wirklich sehr auf der Kippe standen.
Wie kam das?
Als sich die Währungsumstellung abzeichnete und die D-Mark eingeführt werden sollte, hat der Handel mit der alten Währung riesige Warenmengen eingekauft und die Lager gefüllt. Als dann die neue Währung da war, wurden die Läden mit der gelagerten Ware geflutet. Mein Vater, der ein sehr ehrbarer Kaufmann war, musste feststellen, dass die Ware, die vom Handel auf Vorrat gekauft worden war, nach einiger Zeit nicht mehr in Ordnung war. Das war alles voller Klumpen. Er wollte aber, dass seine Produkte die besten sind. Deshalb hat er gesagt: Wir müssen die alte Ware umtauschen und neue liefern. Sie können sich sicher vorstellen, dass das nur eine Zeit lang gut gegangen ist. Produzieren und liefern ohne neue Erlöse, das hält kein Unternehmen lange aus.
Stand eine Insolvenz im Raum?
Das hätte passieren können. Die Mitarbeiter haben das natürlich mitbekommen. Die Führungskräfte sind zu meinem Vater gegangen und haben gesagt: Wenn Sie uns nur das geben, was wir zum Leben brauchen, um unsere Familien über Wasser zu halten, dann sind wir damit erst einmal zufrieden. Das andere können Sie uns vielleicht später einmal nachzahlen.
Und, hat das geholfen?
Kurzfristig sorgte es für Erleichterung. Und dann hat sich plötzlich die korrekte Einstellung meines Vaters ausgezahlt. Die amerikanischen Besatzer haben für die sogenannten Schulspeisungen Lebensmittel geschickt: Zucker, Mehl, Milchpulver, Kakaopulver. Das sollte vermischt werden, sodass in der Schule nur noch Wasser hinzugefügt werden musste. Diese Aufträge wurden an örtliche Unternehmen vergeben. Da wurde dann ausgehandelt, dass ein gewisser Schwund durch den Mischprozess stattfinden darf. Manche haben sieben Prozent ausgehandelt, aber mein Vater hat gesagt: Ein Prozent ist genug. Dadurch erhielt er so viele Aufträge, dass wir wirtschaftlich erst mal über den Berg waren.
Ihre erste Lektion über den ehrbaren Kaufmann?
Ja. Die anderen Unternehmen konnten sich zwar einiges von den Lebensmitteln der Amerikaner abzweigen, aber das hat ihnen nur kurzfristig geholfen. Auf lange Sicht standen wir besser da.
Was war eigentlich noch übrig von dem Unternehmen Hipp nach dem Krieg? Waren die Mitarbeiter noch da, die Maschinen, die Gebäude?
An unserem Stammsitz in Pfaffenhofen hatten wir keine Bombenschäden. Aber in München. Dort war unsere Verwaltung ansässig. Wegen des Schadens mussten wir sie nach Pfaffenhofen verlegen. Aber nach zwei Wochen ist alles normal gelaufen.
(Das Handy klingelt. Er telefoniert kurz.)
Sie gehen konsequent an Ihr Handy. Wird Ihnen das manchmal nicht ein bisschen viel?
Nein, denn nicht jeder hat die Nummer. Wer anruft, mit dem spreche ich auch. Für mich ist es ein gutes Gefühl, erreichbar zu sein. Das beruhigt mich. Wenn ich nicht erreichbar bin, dann denke ich, es könnte dieses und jenes passiert sein. Natürlich prasseln jeden Tag auch viele nutzlose Informationen auf uns ein, was eine Belastung ist.
Es war jetzt unvermeidlich zu lauschen. Das muss ein Anruf von der Schweizer Verwandtschaft gewesen sein. Sie haben direkt auf Schwyzerdütsch umgeschaltet.
Ja, der Anruf kam aus der Schweiz.
Ihre Mutter war Schweizerin, Ihr Vater Deutscher. Aufgewachsen sind Sie aber vor allem in Deutschland. Was bedeutet Ihnen die Schweiz?
Mein Lebensmittelpunkt war die meiste Zeit in Deutschland. Aber ich habe schon auch Heimatgefühle für die Schweiz. Nach dem frühen Tod meines Vaters ist meine Mutter in die Schweiz gegangen. Die Hälfte meiner Verwandtschaft lebt dort. Also das ist schon auch meine Heimat.
Wie haben Sie die amerikanischen Besatzer wahrgenommen? Ihre Familie war gegen die Nazis. Waren die Amerikaner die Guten, die Deutschen die Bösen?
Die Amerikaner waren die Retter. Aber man hat schon auch einige unschöne Dinge über sie gehört. Sie sollen recht ungeniert und brutal mit den Leuten umgegangen seien. In München gab es zum Beispiel die Familie Böhmler, die ein großes Möbelhaus hatte. Ihre Villa ist im Krieg nicht zerstört worden, also sind die Amerikaner dort reingegangen und haben die Böhmlers rausgeschmissen. Sie mussten dann in unser beschädigtes Haus ziehen, das in der gleichen Straße war. Die Böhmlers hatten eine sehr schöne Einrichtung in ihrer Villa. Was haben die Amerikaner gemacht? Sie haben die Türfüllungen rausgeschnitten, damit ihre Hunde vom einen Zimmer in das andere gehen konnten. Vielfach waren die Amerikaner echte Banausen und hatten überhaupt kein Gespür für Kultur. Darunter leiden sie manchmal noch heute …
Der Aufstieg der Nazis in den 1930er-Jahren hat auch innerhalb Ihrer Familie zu Spannungen geführt, denn Ihre Mutter war Schweizerin, Ihr Vater Deutscher. Die Gräben zwischen beiden Familien sollen anfangs sehr tief gewesen sein.
Es war so schlimm, dass die bevorstehende Heirat meiner Eltern von der Schweiz aus hintertrieben wurde. Mein Vater durfte meine Mutter nicht mehr treffen, durfte ihr nicht mehr schreiben. Aber meine Mutter hat Wege gefunden, dass es doch noch Kontakt geben konnte, ohne dass sie ihr Versprechen gebrochen hätte. Schlussendlich hat meine Mutter ihn geheiratet. Aber im Krieg war es für meine Mutter natürlich nicht leicht in Deutschland. Ein paar Hundert Kilometer weiter südlich, in der Schweiz, wäre sie in Sicherheit gewesen und es hätte ihr an kaum etwas gefehlt. Nach dem Krieg waren wir einmal im Kino, der Film hieß Marie-Louise. Es ging um ein Mädchen aus Frankreich, das im Krieg seine Heimat verlassen musste und in die Schweiz gebracht wurde. Dort im Kino sah ich zum ersten Mal in meinem Leben meine Mutter weinen. Sie hatte ihr Heimatland gesehen, die Natur, die Schweizer Fahne. Das hat sie sehr berührt.