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KAY-SÖLVE RICHTER
CHRISTOPH MÜNZNER

Viel mehr als nur Körpersprache

Executive Presence

WIE SIE ALS FÜHRUNGSKRAFT ÜBERZEUGEND AUFTRETEN, WENN ES DARAUF ANKOMMT

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©2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2020 erschienenen Buchtitel »Executive Presence - Viel mehr als nur Körpersprache« von Kay-Sölve Richter und Christoph Münzner © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-008-7

Mitarbeit: Victoria Rieß

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

www.gabal-verlag.de

Inhalt

(Statt) Einleitung:
Die Top 25 unserer Coachingfragen – und wie Sie in diesem Buch Ihre ganz persönlichen Antworten finden

TEIL A »Ich bin nun mal leider nicht witzig.«

Über Individualität und Authentizität und warum sich Top-Führungskräfte viel zu oft mit durchschnittlichen Auftritten zufriedengeben

imageSmartphone-Übung 1: »Videocheck. Die Begrüßungsmoderation in 60 Sekunden«

1Executive Presence zu haben reicht nicht. Es gilt, sie in den entscheidenden Momenten sichtbar zu machen

1.1Okay, es gibt Blackouts. Vor allem aber gibt es verschenkte Chancen

1.2Executive Presence? Sie erkennen sie, wenn sie Ihnen begegnet

1.3… übrigens auch im virtuellen Raum: Über Chancen und Stolperfallen in Telefon- und Videokonferenzen

1.4Persönlicher Zugang versus unternehmensstrategische Wir-Botschaften

1.5Executive Presence sichtbar machen. Oder: Nicht authentisch ist auch keine Lösung

2Bitte sagt mir die Wahrheit! Schritte aus der Feedbackfalle

2.1Führungskräfte und ihr ganz persönliches Feedbackdilemma

2.2Ehrlich und konkret? Chancen und Grenzen externer Feedbackgeber

2.3Selbstbild, Fremdbild. Zwei Beispiele aus dem Coaching und wie Sie mit diesem Buch arbeiten können

imageSmartphone-Übung 2: »In 90 Sekunden über den persönlichen Bezug zum souveränen Auftritt im freien Setting (Vortrag, Präsentation, Pitch)«

TEIL B »Überzeugen, wenn es darauf ankommt«

Interview und Vortrag, Podiumsdiskussion und Videokonferenz Wie Führungskräfte ihre Executive Presence sichtbar und hörbar machen

3Klare Struktur und verständliche Botschaften

3.1Sprache für die Ohren: Ihre Präsentation als Magazinlayout

3.2Vom Monolog zum Dialog: Fragen als Takt- und Strukturgeber

3.3Mach mal halblang: Durch Kürzen würzen

3.4Das erste Bild entscheidet: Starker Vortrag ab Sekunde eins

4Haltung, bitte!

4.1E wie echt. Oder: Wie Sie die hochriskante Copy/Paste-Falle vermeiden

4.2E wie Empathie: Sein Publikum zu kennen, ist eine Frage des Respekts

4.3E wie Entschiedenheit: Soll ichs wirklich machen oder lass ichs lieber sein?

4.4E wie Emotionen: Spüren, erwecken und sichtbar werden lassen

imageSmartphone-Übung 3: »Dialog, Bild, Pointe? In 120 Sekunden über Struktur und Haltung zur überzeugenden Videobotschaft an Ihre Mitarbeiter«

5Sprache und Stimme

5.1Klartext statt Kauderwelsch: Plädoyer für eine konkrete, aktive Sprache

5.2Was ist mit Peter O’Toole passiert? Über kurze Sätze und die verzweifelte Suche nach dem Verb

5.3Bilder und Geschichten: Es muss auch nicht gleich das »große Storytelling« sein

5.4Das »Wow!« muss in den Köpfen Ihrer Zuhörer entstehen: Überzeugen, statt überreden

5.5Mit der Stimme Stimmung machen: Modulation, Variation und die Kraft der Stille

6Körpersprache? Können Sie vergessen! Über Gestik und Mimik

6.1»Oh, mein Gott. Ich hab ja Hände!«

6.2Bleiben Sie standhaft! Oder: Wie viel Bewegung ist erlaubt?

6.3Der Blick in das große schwarze Unbekannte namens Publikum

6.4Runter mit dem Regelrucksack: Über passende Gestik und unpassende Ticks

6.5Ein Beispiel als Fazit: Durch sprachliche Bilder zur authentischen Körpersprache

imageSmartphone-Übung 4: »Aktiv und konkret, überzeugend und standhaft? Kernaussagen sichtbar machen – in Statement und Interview (240 Sekunden)«

TEIL C »Aber ich hab doch keine Zeit!«

Die Kunst der zielgerichteten Vorbereitung

7Schlecht vorbereitet? Eine »Typologie des kommunikativen Scheiterns«

Typ 1: Der Faktenhamster

Typ 2: Das geklonte Chamäleon

Typ 3: Der lichtscheue Hakenwaran

Typ 4: Das Floskelkatapult

8Alles spontan? Von wegen! Der steinige Weg vom Buzzword zum Bild

8.1Kernbotschaften hörbar machen: Sechs Fragen für Ihre Vorbereitung

8.2Zum Beispiel auf der Bühne: Vortrag, Präsentation, Panel und Videobotschaft

8.3Zum Beispiel in den Medien: Interview, Statement und Talkformate

8.4Eine Kladde voller Ideen, Geschichten und Beispiele

(Statt) Schlusswort:
Die Antworten zu unseren 25 Top-Coachingfragen – und wie Sie das Buch auch später noch gezielt nutzen können

Quellen

Stichwortverzeichnis

Die Autoren

(Statt) Einleitung:
Die Top 25 unserer Coachingfragen – und wie Sie in diesem Buch Ihre ganz persönlichen Antworten finden

»Ich hab’ schließlich nichts zu verschenken!«, klagen viele Führungskräfte im Top-Management. Und dann tun sie, wenn es um das Thema öffentliche Kommunikation geht, genau das. Sie verschenken die besten Gelegenheiten, von vielen Menschen nicht nur gehört, sondern auch verstanden zu werden. Sie verschenken Sympathien und Kompetenzen, weil sie sich hinter leeren Worthülsen verstecken, statt klare Botschaften zu transportieren. Und nicht zuletzt verschenken und verschwenden sie das, was sie nach eigener Auskunft am wenigsten zu verschenken haben: Zeit. Eine wertvolle Ressource, die für alles Mögliche draufgeht: für die wenig zielführende Vorbereitung auf das wichtige Interview, für unzureichend gesetzte Prioritäten in Vortrag und Rede und für falsche Strategien auf dem Podium, die an den Interessen des Publikums weit vorbeigehen. Und so weiter und so fort.

Wir möchten erreichen, dass Ihre Executive Presence in jeder Kommunikation sichtbar wird und Sie mit Persönlichkeit und klaren Botschaften überzeugen.

Die gute Nachricht lautet: Sie verteilen diese Geschenke ohne Not. Will heißen, es gibt sehr wohl Mittel und Wege, eine zeitsparende Vorbereitung und die Rückbesinnung auf die eigenen Stärken zu einem stimmigen, präsenten Gesamtbild zusammenzuführen. Und das führt uns direkt zu unserem Ansporn für dieses Buch: Wir möchten erreichen, dass Ihre Executive Presence in jeder Kommunikation sichtbar wird und Sie mit Persönlichkeit und klaren Botschaften überzeugen – ob in Interview und Talk, in Meeting und Panel oder vor Fernsehkameras und Livepublikum.

Sie werden in diesem Buch von einem Universitätsprofessor erfahren, der zum ersten Mal mit einem Witz in seine Präsentation startet – und gnadenlos scheitert. Es tauchen Finanzvorstände mit Atemnot auf und Top-Manager, die ihre Kinder »bestehlen«, bevor sie vor die Presse treten. Sie werden einen möbelrückenden Nobelpreisträger kennenlernen, einen CEO auf der Suche nach seinem eigenen Schreibtisch und einen weltberühmten Geigenbauer. Um sie alle – ihre Nöte, Sorgen und Erfolge auf der Bühne und vor der Kamera – geht es in diesem Buch.

In erster Linie geht es bei all diesen Episoden öffentlicher Kommunikation aber immer um Sie. Ihre Fragen sind es, die wir in den folgenden Kapiteln beantworten wollen. Und da wir nur erahnen (aber natürlich nicht wissen), welches Ihre Baustellen sind, starten wir mit einer Übersicht von Fragen, die uns während unserer Coachings und am Rande von Bühnenmoderationen und Keynotes häufig gestellt werden. Wir hoffen, diese Top-25-Liste ist eine hilfreiche Inspiration für Sie – bedienen Sie sich jedenfalls gerne.

Die 25 meistgestellten Fragen aus unseren Coachings:

1.»Auf der Bühne und vor der Kamera: Wohin mit meinen Händen?« Oder: »Ich brauche was in den Händen, kann ich bitte mal einen Pointer haben?«

2.»Wie kann ich meine Botschaften so formulieren, dass sie wirklich gehört – und am besten auch noch gedruckt und gesendet werden?«

3.»Ach, wenn Sie meinen Kalender kennen würden … Wie kann ich im Interview und in der Q&A-Runde ganz spontan gute Antworten geben?«

4.»Wenn das alle so machen, kann es so verkehrt nicht sein, oder?«

5.»Wenn ich mich warm geredet habe, läufts. Aber wie krieg ich die ersten zwei Minuten rum?«

6.»Was ist die beste Strategie bei kritischen Fragen? Und wie kann ich eine Frage beantworten, ohne (wirklich) etwas zu sagen?«

7.»Großer Saal, ein paar Hundert Leute: Wie ist es mit dem Blickkontakt?«

8.»Ich fand wirklich nicht, dass das zu viele Fremdwörter waren. Oder was meinen Sie?«

9.»Was halten Sie von der Idee, eine Präsentation mal mit einem Witz zu beginnen, um das Eis zu brechen?«

10.»Thema Powerpoint-Folien: Gibts da eine Grundregel?

11.»Nächste Woche steht bei mir wieder eine Videobotschaft an. Was meinen Sie: Besser mit oder ohne Teleprompter?«

12.»Wenn ich mich selbst jetzt so höre … Ich sage oft ›Äh‹. Wie bekomme ich das weg?«

13.»Ich spreche viel zu schnell, finden Sie nicht auch?«

14.»Videokonferenzen sind ein heikles Thema bei uns. Was muss ich tun, um alle Kollegen bei der Stange zu halten, und welches sind die größten Fehler?«

15.»Meine Stimme gefällt mir überhaupt nicht. Geht das nur mir so? Und vor allem: Bekomme ich sie irgendwie tiefer?«

16.»Authentisch zu sein trainieren – ist das kein Widerspruch in sich?

17.»Haben Sie, Frau Richter und Herr Münzner, eigentlich noch Lampenfieber? Und vor allem: ein Rezept dagegen?«

18.»Wieso sitzen eigentlich immer dieselben Experten in den Talkshows?«

19.»Origineller Einstieg schön und gut. Aber ist das nicht zu informell, wenn ich mich zu Beginn nicht erst einmal vorstelle und bedanke?«

20.»Konkrete Sprache … ich weiß nicht. Ist das nicht zu riskant?«

21.»Haben Sie einen Tipp, was zu tun ist, wenn ich den Faden verliere oder mich verspreche?«

22.(Bei unserem Vorgespräch mit der Unternehmenskommunikation) »Können Sie unseren CEO bitte mal so richtig schön grillen (also: mit schwierigen Interviewfragen in die Enge treiben)?«

23.»Positive Stimmung schön und gut; aber wie soll ich lächeln, wenn ich absolut nicht in Stimmung bin?«

24.»Die Bilanzpressekonferenz ist keine Showveranstaltung. Das Thema ist nun mal trocken, wie soll ich das bitte spannend präsentieren?«

25.In der Videoanalyse: »Nicht im Ernst! Hab ich das wirklich gesagt?«

Wahrscheinlich haben Sie die eine oder andere Frage entdeckt, die Ihnen auch unter den Nägeln brennt, und ganz sicher auch solche, von denen Sie denken: »Betrifft mich nicht direkt, doch die Antwort könnte spannend sein.« Einige dieser Fragen – wie zum Beispiel »Wohin mit meinen Händen?« – wurden uns schon bei unserem allerersten Coaching gestellt, das Thema Videokonferenzen dagegen ist erst in den letzten Monaten verstärkt aufgetaucht, als Covid-19 die Kommunikation nach innen und außen maßgeblich veränderte.

Auf den folgenden Seiten werden Sie Ihren individuellen Antworten auf all diese Fragen näherkommen. Welches die geeignete Strategie auf dem Panel ist, wie Ihre Vorbereitung auf das nächste Interview aussehen könnte oder mit welcher Vortragsdramaturgie Sie Ihre Botschaften hörbar machen – jede Leserin, jeder Leser* wird andere Lösungen für sich entdecken. Und falls unser Fragenkatalog Sie neugierig auf die möglichen Antworten gemacht hat: Fühlen Sie sich frei, jetzt schon einmal ins Schlusskapitel zu springen. Die Kurzantworten, die Sie dort finden, geben einen guten Eindruck, was Sie von uns in diesem Buch erwarten dürfen.

Zur Orientierung: Eine Übersicht über die Inhalte der einzelnen Kapitel

Die Logik dieses Buches folgt unserer Coachingarbeit mit konkreten Kunden und ihren konkreten Fragen direkt aus der Praxis. Wir haben im Vorfeld überlegt, welche Aspekte des Themas »öffentliche Kommunikation« in unser Buch gehören. Bei dieser Entscheidung hat uns unter anderem unser »Augenbrauentest« geholfen. In so gut wie jedem Training gibt es diese Momente, in denen unser Gegenüber die Augenbrauen unbewusst noch ein Stückchen weiter nach oben zieht – ein klares körpersprachliches Indiz für gesteigerte Neugier: »Ah, das ist gut, darüber muss ich mehr erfahren, das ist extrem relevant für mich!« Bei dem einen ist es die Idee, Vorträge durch stumme Fragen zu gliedern statt durch Headlines, bei der anderen ist es die Erkenntnis, welche Wirkung Inhalte und Worte auf die Stimme haben können, wieder ein anderer findet über die Idee von starken Einstiegs- und Ausstiegsbildern seinen Zugang zu einer guten Präsentation. Darüber hinaus ist die Frage der praktischen und unmittelbaren Umsetzbarkeit auf Ihrer Bühne ein wichtiges Kriterium; wir werden daher versuchen, auf den folgenden Seiten möglichst viele dieser »Augenbrauenmomente« abzubilden.

Unser Ausgangsgedanke ist, dass Sie in Ihrer Position im Top-Management eigentlich alles mitbringen, um in Interviews, den verschiedenen Bühnensettings und auch in jeder Videokonferenz einen starken Auftritt hinzulegen – dass Sie diese Chancen aber nicht ausreichend nutzen. Es reicht nicht, Executive Presence zu haben; es kommt darauf an, sie in den wichtigen Momenten sichtbar zu machen. (Kapitel 1)

Es reicht nicht, Executive Presence zu haben; es kommt darauf an, sie in den wichtigen Momenten sichtbar zu machen.

Gar nicht so einfach, wenn Sie für Ihren »Auftritt« kaum einmal ehrliches und direkt umsetzbares Feedback erhalten. Wenn es Ihnen jedoch gelingt, die eigene Wirkung besser einzuschätzen und Ihrem Umfeld konkrete Kriterien für eine Rückmeldung an die Hand zu geben, kann Sie das zumindest ein Stück aus dem Feedback-Dilemma herausführen. (Kapitel 2)

Damit haben Sie eine Basis für die vier Felder, auf denen sich aus unserer Sicht entscheidet, ob Ihre Executive Presence sichtbar wird. Das beginnt mit der Struktur – vom passenden Einstieg bis zum starken Schlussbild. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Botschaften so klar zu kommunizieren, dass sie nicht nur ausgesendet, sondern auch empfangen werden. (Kapitel 3)

Alles eine Sache der richtigen Haltung, um die wir uns in Kapitel 4 kümmern und dabei »vier E« in den Vordergrund rücken: Echt-Sein, Empathie, Entschiedenheit und Emotionen. Und es ist Ihre Haltung, die sich direkt auf ein gleichermaßen wichtiges wie hochsensibles Thema auswirkt: auf Stimme und Sprache. Warum viele Menschen auf der Bühne und vor der Kamera ihre Stimme verlieren und (un)freiwillig eine Fremdsprache sprechen – und wie es doch so viel leichter sein könnte –, darum geht es in Kapitel 5.

Struktur, Haltung, Stimme und Sprache führen auf direktem Weg zu Gestik und Mimik. Ihre Körpersprache spielt in der öffentlichen Kommunikation eine entscheidende Rolle, und trotzdem – oder besser: gerade deswegen! – sagen wir: »Körpersprache? Können Sie vergessen!« Denn wer in den entscheidenden Momenten über seine Mimik nachdenkt, den richtigen Stand oder die beste Handhaltung, der wird kaum einen überzeugenden und authentischen Auftritt aufs Parkett oder vor die Kamera bringen. (Kapitel 6)

Wir haben zu Beginn gesagt, dass viele Führungskräfte unnötig kostbare Zeit verschwenden, die sie mit zielgerichteter und anderer Vorbereitung schnell wieder einspielen könnten. Wie das aussehen kann, beschreiben wir in Teil C. Dabei bildet die nicht ganz, aber doch ein bisschen ernst gemeinte »Typologie des kommunikativen Scheiterns« den Einstieg (Kapitel 7), gefolgt von einem kurzen praktischen Handlungsleitfaden zur Vorbereitung öffentlicher Kommunikationssituationen (Kapitel 8).

Unser Ansporn

Wir, die Autorin und der Autor dieses Buches, werfen unsere langjährigen Erfahrungen als Journalisten und Kommunikationstrainer in den Ring, um Ihnen gangbare Wege zu starken Auftritten in der Kommunikation nach innen und außen aufzuzeigen. Was Ihnen aus unserer Sicht dabei hilft, ist eine geschärfte Selbstwahrnehmung Ihrer Wirkung sowie ehrliches und konkretes Feedback von außen, das auf klaren Kriterien beruht.

Auf dieser Basis gilt es, die vier, fünf oder sechs Elemente zu identifizieren, an denen Sie arbeiten sollten, um Ihre Wirkung in den verschiedenen Kommunikationssituationen auf ein höheres, präsenteres Level zu heben. Unabhängig davon, ob Sie sich für das geplante Fernsehinterview, für Town Hall Meetings und Bilanzpressekonferenzen fit machen, oder ob Sie in Meetings, Vorträgen, Videokonferenzen und Podiumsdiskussionen glänzen wollen. Wir möchten lieber Sie vorbereiten als nur ein Setting. Es geht weniger um die Frage, wie Präsenz entsteht und was man dafür tun muss. Es geht darum, zu erkennen, an welchen Schrauben Sie drehen sollten, damit Ihre vorhandene Executive Presence genau dann sichtbar wird, wenn es darauf ankommt.

Zusammengefasst gilt es, die verschiedenen Wirkungskriterien kennenzulernen (1), dadurch die eigene Selbstwahrnehmung zu schärfen (2), auf diese Weise Ihre individuellen Baustellen zu identifizieren, die einer stärkeren Präsenz im Wege stehen (3), um diese schließlich mit konkreten Tools zu eliminieren (4).

*Hierzu eine wichtige Anmerkung: Natürlich wenden wir uns stets an Leserinnen und Leser, und wenn wir beispielsweise von Teilnehmern sprechen, sind nicht nur Männer gemeint. Wir haben uns für dieses Buch um einen bewussten, eher spielerischen als dogmatischen Ansatz in puncto Gendern bemüht. Gut lesbar soll es außerdem sein.

TEIL A

»Ich bin nun mal leider nicht witzig.«

Über Individualität und Authentizität und warum sich Top-Führungskräfte viel zu oft mit durchschnittlichen Auftritten zufriedengeben

Ein Seminarraum in der Universität. Wir waren zu sechst: zwei Trainer und vier Dozenten, allesamt erfahrene, renommierte Wissenschaftler. Einer von ihnen, Professor der Physik, Mitte 50, schilderte uns, was ihm bei seinem letzten Vortrag passiert war:

»Ich mach das jetzt auch schon eine Weile mit diesen Reden und Vorträgen. So richtig wohl fühle ich mich vor Publikum eigentlich nicht, und ich dachte, ich muss mal was anders machen. In einem Ratgeber habe ich gelesen, man sollte zum Beispiel mit einem knackigen Witz einsteigen, um das Eis zu brechen.«

Wir (stumm): Oha, gefährlich. Ganz dünnes Eis …

»Das hab ich dann auch gemacht, tja, das Blöde war nur: Keiner hat gelacht.«

Wir (stumm): Hm, wir haben schon so was vermutet …

»Der Rest des Vortrags war dann so gut wie gestorben. Selten hab ich mich so unwohl gefühlt auf einer Bühne. Katastrophe.«

Wir (stumm): Ja, das geht schnell …

Schwierige Situation. Woran kann es gelegen haben? An ihm, am Publikum, am Witz, am Anlass? Wir baten ihn, den Witz noch einmal in unserer kleinen Runde zu erzählen, und das tat er dann auch. Wir müssen zugeben: So schlecht war er gar nicht, der Witz, aber leider … nachdem er den Witz zu Ende erzählt hatte: Schweigen im Trainingsraum. Niemand hat gelacht. Keiner von uns fünf.

Wir ließen ein paar Sekunden verstreichen, bevor wir ihn fragten: »Ähm, haben Sie eine Idee, warum niemand gelacht hat? Gerade eben nicht und vermutlich auch nicht bei Ihrer Rede?«

»Sagen Sie es mir.«

»Hm, wir wollen nicht drumherum reden. Aber Sie sind einfach nicht so der witzige Typ …«

Wir hatten den Satz noch nicht zu Ende gebracht, da schlug er mit der flachen Hand auf den Konferenztisch. »Wissen Sie was«, rief er, »das sagt meine Frau auch immer. Ich erzähle sonst auch nie Witze, niemals! Und wenn es dann doch mal vorkommt, dann können Sie sicher sein, dass meine Frau sagt: »Schatz, du kannst wirklich eine Menge, aber das leider nicht. Lass es einfach.«

Nach diesem Bekenntnis hatte er dann doch die Lacher auf seiner Seite. Es ist aber auch absurd. Da gibt es etwas, was jemand im normalen Leben nie tut (in diesem Fall: Witze erzählen) und von dem die schärfste Kritikerin (die Ehefrau) sagt, er solle es lassen. Und was macht derjenige? Wagt sich ausgerechnet in einem fremden Setting, in dem sich die meisten sowieso alles andere als wohl fühlen – Scheinwerfer, Mikrofon, skeptische Blicke im Publikum, womöglich eine Fernsehkamera – auf dieses unsichere Terrain. Er glaubt, Erwartungen gerecht werden zu müssen, statt den eigenen Stärken zu vertrauen. Traut einem Ratgeber mehr als seinem Bauchgefühl und jahrzehntelanger Erfahrung.

Sie sollten doch gerade in diesen Situationen alles versuchen, um bei sich und Ihrer Persönlichkeit zu bleiben.

Sie sollten doch gerade in diesen Situationen alles versuchen, um bei sich und Ihrer Persönlichkeit zu bleiben. Um sich dadurch zumindest einigermaßen wohlzufühlen – als Grundlage sichtbarer Präsenz. Witze erzählen, wenn man das nun mal nicht so gut kann, gehört jedenfalls nicht dazu.

Status quo: Testen Sie sich selbst

Was aber gehört zu Ihnen? Humor oder Ernsthaftigkeit? Enthusiasmus oder Sachlichkeit? Tempo oder Gelassenheit? (Wobei sich diese Punkte nicht ausschließen müssen. Dazu später mehr.) Was zeichnet Sie aus und was davon können Sie auf die Bühne bringen? Auf all diese Fragen möchten wir Ihnen in unserem Buch Antworten geben.

Im Trainingsraum haben wir es leichter, das herauszufinden, denn dort lassen wir Sie machen. Die erste Kameraübung absolvieren unsere Teilnehmer in der Regel schon in der ersten halben Stunde; noch ohne theoretischen Input und ohne komplexen Arbeitsauftrag. Einfach machen, anschauen, analysieren. Wo lässt sich ansetzen, um Präsenz zu steigern, und was lässt sich getrost ausklammern? Warum sollten wir unsere (und Ihre) kostbare Zeit mit Anmerkungen zu Körperhaltung oder Mimik verschwenden, wenn es hier nichts zu korrigieren gibt? Um dies alles herauszufinden, ist die Ermittlung des Status quo sinnvoll – darum möchten wir Ihnen eine erste Übung vor der Kamera beziehungsweise vor Ihrem Smartphone ans Herz legen.

Aus eigener Ratgeber-Leseerfahrung wissen wir, dass man gerne auf einen Praxistest verzichtet und erst einmal nur lesen, lesen, lesen will. Kein Problem – das Buch »funktioniert« auch ohne diese erste Videoübung. Wir empfehlen sie trotzdem – und zwar aus folgenden Gründen:

1.Es ist Ihre letzte Gelegenheit, sich unbelastet und ohne theoretischen Input auszuprobieren. Wie tun Sie es unverkopft? Was ist Ihr Stil in der freien Präsentation? Wie halten Sie einen Vortrag, wenn man Sie jetzt darum bittet?

2.Das produzierte Handyvideo wird Ihnen bei der weiteren Lektüre viele Aha-Momente bescheren. Wenn es um Ihre Stimme geht, um Variationen, Lautstärke und Präsenz, um Gestik und Mimik, um Ihr Sprechtempo, um Pausen, Punkte, Absätze und so weiter: Immer dann werden Sie das Video anschauen und sich selbst prüfen können – und sich auf diese Art ein sehr viel konkreteres Feedback geben.

3.Sie sind von der ersten Sekunde an aktiv. Ein Phänomen, das für das Thema Haltung eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, wie wir später erläutern werden.

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Smartphone-Übung 1:
»Videocheck. Die Begrüßungsmoderation in 60 Sekunden«

In Hamburg ernteten wir mit dieser Aufgabe kürzlich Kopfschütteln von einem der Teilnehmer: »60 Sekunden? Ich sag Moin, dann bin ich fertig.« Andere wiederum brauchen weit mehr als diese eine Minute, um nur den ersten Satz zu beenden. Wie gesagt, ein sehr individuelles Thema. Versuchen Sie, sich dieser Minute anzunähern, ohne streng nach der Uhr zu schauen. Es geht weder um die sekundengenaue Punktlandung noch um ein cineastisches Meisterwerk; es geht um einen ungeschminkten ersten Eindruck. (Ohne zu weit vorzugreifen: Für Ihre grundsätzliche Vorbereitung ist es wichtig, diese kurzen Zeitspannen immer mal wieder zu trainieren, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie lang 15, 30 oder 60 Sekunden sind. Gerade in Hinblick auf Ihre Kernbotschaften in den engen Zeitfenstern der diversen Medien.)

Schritt 1: Technische Vorbereitung (2 Minuten)

Platzieren Sie Ihr Smartphone in einem Abstand von zwei bis drei Metern so auf einem Stativ, dass Sie als ganze Person (inkl. Ihrer Füße) zu sehen sind. Alternativ können Sie das Smartphone so ausrichten, dass Sie in der »amerikanischen Einstellung« zu sehen sind. Diese Einstellung wurde oft in Western verwendet und zeigt die Cowboys mitsamt ihrem Colt, also etwa von den Knien aufwärts. Bitten Sie eventuell einen Freund oder Kollegen, das Smartphone zu halten, und achten Sie auf eine ruhige Umgebung, ohne laute Störgeräusche.

Schritt 2: Definieren Sie Setting und Zielsetzung anhand folgender Fragen (5 Minuten)

A) Welches Publikum stelle ich mir vor? Wer hört mir eigentlich zu?

B) Was sind das konkrete Thema und der Anlass meiner Begrüßung?

C) Warum spreche ich – oder auch: Was will ich mit meiner Rede erreichen?

Zur Inspiration einige Settingbeispiele

Bei einem Town Hall Meeting heißen Sie Ihre Mitarbeiter / Kollegen willkommen und geben einen kurzen Überblick über den Tag.

Sie eröffnen als Gastgeberin einen Fachkongress und machen neugierig auf die geplanten Programmpunkte.

Beim offiziellen »Tag der offenen Tür« begrüßen Sie die Gäste, die sich für Ihr Unternehmen interessieren.

Sie treffen einen potenziellen neuen Geschäftspartner und es kommt zum klassischen Elevator Pitch: Was machen Ihr Unternehmen und Ihr Bereich eigentlich konkret?

Zum 75. Geburtstag Ihrer Schwiegermutter halten Sie die feierliche Eröffnungsrede vor der versammelten Großfamilie.

Anmerkung: Das Setting ist frei wählbar; es geht nicht um inhaltliche Details, sondern darum, wie Sie sich -präsentieren und eine Botschaft kommunizieren.

Schritt 3: Struktur: Ihr »60-Sekunden-Skript« (10 Minuten)

Nachdem Thema, Anlass, Publikum und Ziel definiert sind, können Sie sich mit der Redestruktur beschäftigen. Führen Sie sich die Situation vor Augen und machen Sie sich Notizen auf einer Karteikarte. Sie erhalten so ein Stichwortmanuskript Ihrer Begrüßungsworte.

Schritt 4: Die Videoaufnahme (3 Minuten)

Legen Sie die Stichwortkarte beiseite (Sie brauchen sie nicht. Auch nicht zum Festhalten – dazu später mehr). Starten Sie die Aufnahme und gehen Sie auf Ihre Bühnenposition. Beginnen Sie mit Ihrem Vortrag erst dann, wenn Sie sich bereit fühlen. Ob Sie Ihren Blick in die Kameralinse richten oder hin zu einem imaginären Publikum, spielt in dieser ersten Übung keine Rolle.

Top! Sie haben die letzte Chance genutzt, ohne unseren Input einen Status quo Ihrer Kamerawirkung zu produzieren. Eine Art »Aircheck«, der für alle professionellen On-air-Reporter und Moderatoren ein selbstverständliches Feedbackinstrument ist. Betrachten Sie nun Ihre Präsentation: Was fällt Ihnen auf, was gefällt Ihnen gut und was nicht? Gibt es etwas, von dem Sie noch gar nicht wussten, dass Sie es tun? Machen Sie sich Stichworte und speichern Sie Ihre Aufnahme. Während der Lektüre werden Sie immer wieder einen Blick auf Ihre Präsentation werfen und sie jedes Mal neu, mit anderen Augen sehen.

KAPITEL 1

Executive Presence zu haben reicht nicht. Es gilt, sie in den entscheidenden Momenten sichtbar zu machen

Viele Führungskräfte aus dem Top-Management bringen eigentlich alles mit, was sie für ein überzeugendes Auftreten in der Öffentlichkeit benötigen. Dennoch ist der erste Gedanke vor wichtigen Vorträgen, Fernsehinterviews und Videobotschaften häufig: Was muss ich korrigieren oder abschalten, wie muss ich mich »verstellen«, welcher »Bühnenmensch« muss ich werden, um die bestmögliche Figur abzugeben? Einer unserer Teilnehmer hat das einmal entlarvend offen formuliert: »Wer soll ich sein? Seriöser Finanzwissenschaftler oder spontaner Entertainer?«

Unser Vorschlag: Oft ist es eine gute Idee, möglichst viel von sich selbst zu sein. Denn es gibt nicht die eine Form der Executive Presence. Was es aber sehr wohl gibt, sind Bausteine, die dafür sorgen, dass Ihre individuellen Stärken in den entscheidenden Momenten sichtbar werden. Rhetorik, Körpersprache, Stimme, Haltung, Empathie, Präsenz und die Klarheit der Argumente entscheiden letztendlich darüber, ob eine Botschaft nur ausgesprochen wird oder ob sie beim Gegenüber wirklich ankommt und dadurch ihre kraftvolle Wirkung entfalten kann.

1.1 Okay, es gibt Blackouts. Vor allem aber gibt es verschenkte Chancen

Wenn man sich als Kommunikationstrainer nach fast 15 Jahren noch an eines seiner allerersten Coachings erinnert, hatte man seitdem entweder sehr wenige Aufträge, oder es muss etwas wirklich Außergewöhnliches geschehen sein. Damals dachten wir zumindest noch, einem seltenen Phänomen auf der Spur zu sein, mittlerweile wissen wir: Wir waren Zeuge eines Managementschicksals, das sehr viele Top-Führungskräfte miteinander teilen, wenn es in die öffentliche Kommunikation geht.

Wir befanden uns im Konferenzraum eines internationalen Finanzinstituts und hatten unser mobiles Fernsehstudio aufgebaut. Drei Scheinwerfer waren bereits installiert, der Kameramann hatte die Kamera geschultert und ein weiterer Kollege verkabelte unsere Teilnehmerin mit einem Ansteckmikrofon. Durch die bodentiefen Fenster konnten wir die leuchtenden Türme der Frankfurter Skyline sehen. Unsere Kundin: Bereichsleiterin, Anfang 40, kurze, blonde Haare, Hosenanzug, Brille, freundlich und offenherzig. Wir waren noch am Anfang unserer Session und wollten nach einem kurzen Vorgespräch mit der ersten Interviewübung beginnen. Nichts Kompliziertes, kein heikles Krisenszenario, ein harmloses »Level 1«-Interview über den Status quo im Unternehmen, die Ziele der Bank und ein konkretes Event im kommenden Monat. So zumindest war der Plan.

Also alle in Position, Lampen an, Kamera auf Rotlicht, kurze Tonprobe und eine erste, ungefährliche Einstiegsfrage. Unsere Klientin schaffte knappe zehn Sekunden, bevor es ihr, im wahrsten Sinne des Wortes, die Sprache verschlug. Ihr kompliziert komponierter Einstiegssatz führte schnell ins Nichts, ihre Stimme wurde brüchig, das von uns dringend herbeigesehnte Verb geriet außer Sichtweite, ihre Konzentration wich wachsender Unruhe. Und dann: Nichts mehr. Blackout. »Wie kann mir so was passieren?«, war in ihren Augen zu lesen. Eine Top-Managerin, gewohnt zu präsentieren. Kopfschütteln über sich selbst.

Im nächsten Moment öffnete sich die Tür des Konferenzraums und zwei Damen vom Catering schoben einen Wagen mit belegten Brötchen hinein. Unsere Klientin hatte offensichtlich andere Pläne, drehte sich mit einem offenen Lächeln zu den beiden um und sagte: »Besten Dank, dass Sie kommen. Sieht ja wieder lecker aus. Aber bitte geben Sie uns noch zehn Minuten, seien Sie so nett. Wir stecken mitten in einer Übung. Ich sage Ihnen dann Bescheid, sobald wir durch sind. Dankeschön.«

Fünf Sätze. Knapp, freundlich, bestimmt, souverän und klar. Ohne Versprecher, ohne Suche nach einem Verb, ohne jeden Fehler. Verbindlich statt verwirrend. Vorgetragen mit offener Haltung und deutlicher Stimme. Man könnte sagen: Mit der sichtbaren und hörbaren Executive Presence, die ihr zu eigen ist. Und dies wenige Sekunden nach einem fürchterlich missratenen Interviewversuch vor unserer Kamera. Wir schauten uns an, sie realisierte, was soeben passiert war, und wir wussten in diesem Moment, dass uns ein interessanter, fruchtbarer Coachingtag bevorstand.

Zugegeben, unsere Bereichsleiterin ist ein extremes Beispiel. Das, was in alltäglichen Situationen jederzeit abrufbar war und was sie auszeichnete – Klarheit, Persönlichkeit, Überzeugungskraft –, wurde im Scheinwerfermoment plötzlich unsichtbar. Doch dieses Phänomen zieht sich, wie wir in den folgenden Jahren feststellten, quer durch alle Chefetagen, vom kleinen Familienunternehmen bis in die Dax-Konzerne. Bei den einen ist es die Kamera, bei den anderen der Schritt auf die Bühne – viel zu oft sind starke (Führungs-)Persönlichkeiten ausgerechnet in diesem entscheidenden Moment so viel schwächer, als sie sein könnten. Und in ihrer Position sein müssten. Nicht ohne Grund. Aber ohne Not.

Es geht uns im Rahmen dieses Buches weniger um die wirklich gravierenden Blackouts, die Top-Manager zum Gesprächsthema des Unternehmens machen oder millionenfach bei Youtube geklickt werden. Das sind die Ausreißer, die alle fürchten, die aber doch relativ selten passieren. Relevanter, weil viel häufiger, sind unserer Ansicht nach die unzähligen öffentlichen Auftritte, die bestenfalls als durchschnittlich durchgehen, obwohl so viel mehr drin gewesen wäre. Sie sind es, die uns ärgern und beschäftigen.

Graues Mittelmaß, zähe Präsentationen, floskelbeladene Interviews, unkonkrete und ergebnislose Verhandlungen. Vergebene Chancen und verschwendete Zeit. Executive Presence bleibt unsichtbar, weil entscheidende Kleinigkeiten aus den wichtigen Feldern Sprache / Stimme, Gestik / Mimik, Struktur und Haltung eben nicht zusammenspielen und die Wirkung des Redners schwächer wird, als sie sein müsste.

Ein Beispiel, wie die Summe der Kleinigkeiten einem starken Auftritt im Weg steht

»Vielleicht kurz zu meiner Person. Mein Name ist Melanie Fink und ich bin verantwortlich für den Bereich Nachhaltigkeit der Firma XY. Es ist uns bewusst, dass es nur diesen einen Planeten gibt, wir sind aber überzeugt, dass neue technische Innovationen die Lösung für viele der aktuellen Probleme bringen werden.«

Melanie Fink (die eigentlich anders heißt) ist das, was man eine Powerfrau nennt. Sie brennt für ihr Thema im gleichen Maße, wie sie an den bürokratischen Hürden verzweifelt. Für eine nachhaltige Produktion zu kämpfen, den Planeten grüner und besser zu machen, ist für sie kein Job, es ist ihre Mission. Sie ist leitende Führungskraft, ihr Wort hat Gewicht und wird umgesetzt. Eine sympathische Frau, die uns mit hellwachen und neugierigen Augen gegenübersitzt.

Wenn man sich ihren Einstieg näher ansieht, wird eines ganz deutlich: Sprache, Gestik, Stimme und Struktur (die vier Felder, die wir in Teil B ausführlich analysieren) wirken bei Melanie Fink so unglücklich zusammen, dass ihre Präsentation zwar immer noch okay ist, aber nichts von der Kraft und Persönlichkeit widerspiegelt, die sie eigentlich auszeichnet. Ein Beispiel für die vergebene Chance, Punkte für ein wichtiges Thema zu sammeln und zu setzen. Kein einziger ihrer »Fehler« ruiniert, für sich genommen, einen Vortrag. Kein Zuschauer sitzt mit Block und Stift auf seinem Stuhl und macht sich Notizen, wie wir es in einem Coaching tun. In Summe bleibt jedoch ein ungutes Gefühl zurück, es entsteht ein Eindruck, der deutlich schwächer ausfällt, als er müsste. Sehen Sie die folgenden Anmerkungen zu diesem Intro bitte nicht als kleinliches Kritisieren am Detail, sondern als Sensibilisierung dafür, wie eben jene Details in Summe die Wirkung deutlich schwächen können.

Erstens: Die Sprache (siehe auch Kapitel 5)

»Vielleicht kurz zu meiner Person.«

Reicht schon als Beispiel. Selbstverständlich hat sie das Recht, sich vorzustellen; und sie hat die Entscheidung, das im Rahmen ihrer Präsentation zu tun, ja bereits getroffen; für ein »vielleicht« gibt es also keinen Grund. »Kurz«? Natürlich kurz – sie wird nicht ihre ganze Vita vortragen. Es ist überflüssig, gleich zum Einstieg (vom Eindruck her: entschuldigend) zu signalisieren, dass sie niemandem die Zeit stehlen will. Kürze zeugt häufig von Respekt vor dem Zuhörer, dennoch bleibt es ihre Bühne. Sie entscheidet – auch über die Länge ihrer Rede. Und was die Formulierung »zu meiner Person« betrifft: Nicht falsch, aber allemal distanziert und passiv, von sich in der dritten Person zu sprechen. Ebenso passiv wie die »technischen Innovationen, die Lösungen bringen werden«.

Zweitens: Die Gestik (siehe auch Kapitel 6)

Die Daumen locker in den Taschen ihrer Jeans. Passt zu ihr – also erst mal nichts dagegen zu sagen. Außer, dass es ihre natürliche Gestik behindert. Sie hat wichtige Themen, die sie vor unseren Augen zum Leben erwecken könnte. Sie braucht Gesten, um zu illustrieren, zu unterstreichen, hervorzuheben. Diese Chance nimmt sie sich mit ihrer starren Haltung, und es ist schwierig, fest verankerte Hände wieder zu lösen. Außerdem beraubt sie sich der Möglichkeit, überschüssiges Adrenalin allein durch die Bewegung aus ihrem Körper fließen zu lassen. Sie wirkt angespannter, als sie in Wirklichkeit ist. Dem Zuschauer ist das egal; er sieht nicht, wie sie sich wirklich fühlt, sondern nur, was sie von sich zeigt.

Drittens: Die Haltung (siehe auch Kapitel 4)

Ihr zentrales Thema. Sie hakt ab, statt klare Punkte zu setzen. Ihre Stimme wandert am Ende der Sätze nach oben, klingt oft beliebig wie ein ruhiger, dahinplätschernder Fluss. In den Ohren ihrer Zuhörer werden so aus klaren Statements Fragezeichen. Hat da jemand etwas zu sagen, oder stellt sie ihre eigenen Argumente etwa infrage? Ihre Verzweiflung an den internen Strukturen schimmert durch. Ihre Resignation wird hörbar, als glaube sie selbst nicht an Besserung.

Viertens: Die Struktur (siehe auch Kapitel 3)

In Ordnung. Aber eben auch sehr konventionell. Wie man es halt so macht. Zum Einstieg den Namen nennen, dann die Funktion, dann die Agenda. Auch hier gilt: Grundsätzlich kein Problem, aber für Melanie Fink nicht der richtige, weil uninspirierte Einstieg in ein Thema, das sie selbst doch so sehr umtreibt.

Melanie Fink ist ein Musterbeispiel für verschenkte Präsenz und ungehört gebliebene Botschaften. Im Training war es ein Leichtes, ihre Wirkung auf ein deutlich höheres Level zu heben. Struktur? Kein Problem, das ist Handwerkszeug; ein bis zwei gute Ideen und der Gedanke, es »mal anders zu machen«, reichten bereits. Sprache? Auch dies eine Mischung aus Handwerkszeug und der Bereitschaft zu klaren und konkreten Worten. Stimme? Folgt dem Inhalt, den sprachlichen Bildern und der Einstellung zum Thema. Und all dies zusammengenommen führt – zur Haltung. Körperspannung, Gestik und Mimik sind das Resultat und nicht der erste Gegenstand des Trainings. Eine geschärfte Selbstwahrnehmung, klare Kriterien und umsetzbare Tools – mehr brauchte Melanie Fink nicht.

Körperspannung, Gestik und Mimik sind das Resultat und nicht der erste Gegenstand des Trainings.

Noch einmal: Das in der Übung vorgetragene Statement unserer Teilnehmerin war nicht schlecht, nicht verkehrt, es war