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Tinka Beller

30 Minuten

Gendergerechte
Sprache

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlaggestaltung: die imprimatur, Hainburg

Umschlagkonzept: Martin Zech Design, Bremen

Foto der Autorin: Stefan Bungert, Hamburg

© 2019 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2019 erschienenen Buchtitel "30 Minuten Gendergerechte Sprache" von Tinka Beller, ©2019 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Hinweis:

Das Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autorin noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-917-4

ISBN epub: 978-3-95623-862-8

In 30 Minuten wissen Sie mehr!

Dieses Buch ist so konzipiert, dass Sie in kurzer Zeit prägnante und fundierte Informationen aufnehmen können. Mithilfe eines Leitsystems werden Sie durch das Buch geführt. Es erlaubt Ihnen, innerhalb Ihres persönlichen Zeitkontingents (von 10 bis 30 Minuten) das Wesentliche zu erfassen.

Kurze Lesezeit

In 30 Minuten können Sie das ganze Buch lesen. Wenn Sie weniger Zeit haben, lesen Sie gezielt nur die Stellen, die für Sie wichtige Informationen beinhalten.

imageAlle wichtigen Informationen sind blau gedruckt.

imageZahlreiche Zusammenfassungen innerhalb der Kapitel erlauben das schnelle Querlesen.

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imageEin Fast Reader am Ende des Buches fasst alle wichtigen Aspekte zusammen.

Inhalt

Vorwort

1. Gleichberechtigung und Sprache – wie hängt dies zusammen?

Hegemoniale Männlichkeit und ihre Folgen

Berufe und Gender

Die Wirkung der Medien und Stereotype

Gendergerechtigkeit in der Erziehung

2. Diskriminierung durch Sprache

Mittelbare und unmittelbare Diskriminierung

Auf der Suche nach angemessenen Begriffen

Wie viel Gender verträgt der Sprachgebrauch?

3. Gendergerechte Sprache in der Praxis

Warum das generische Maskulinum keine Lösung ist

Alternativen zum generischen Maskulinum

Besondere Herausforderungen und Tipps

Gendergerechte Sprache – Pro und Kontra

Fast Reader

Die Autorin

Weiterführende Literatur

Vorwort

„Jeder isst, so viel er kann, nur nicht seinen Nebenmann!“ Dieser Reim ist in vielen Kindertagesstätten der Höhepunkt vor dem gemeinsamen Essen. Mir gefällt der zweite Teil besonders gut: „Und nimmt man es ganz genau, auch nicht seine Nebenfrau!“ Denn so sichtbar wie in diesem Vers sind Mädchen bzw. Frauen längst nicht in allen Bereichen.

„In diesem Text wird der Einfachheit bzw. besseren Lesbarkeit halber nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.“ Noch immer ist diese oder eine ähnliche Anmerkung, die sogenannte Legaldefinition, vielen Texten vorangestellt. Was hier übersehen wird: Gleichberechtigung findet auf allen Ebenen statt. Gesprochene und geschriebene Sprache bilden die Realität ab. Tatsächliche Gleichberechtigung erfordert also eine Sichtbarkeit beider Geschlechter.*

Die (fast) ausschließliche Verwendung der männlichen Form – das sogenannte generische Maskulinum – ist auch heute noch die Norm. Fast 50 Prozent der Bevölkerung sind nur „mitgemeint“. Sprache bedeutet Macht. Und durch Sprache entstehen Bilder. Welche Bilder entstehen, solange in den Medien von „Ärzten und Krankenschwestern“, „Polizisten im Einsatz“ oder „Piloten und Flugbegleiterinnen“ berichtet wird? Welche Möglichkeiten gibt es, sowohl verbal als auch schriftlich Männer und Frauen anzusprechen, ohne eine Hierarchie bzw. Wertung zu vermitteln? Gibt es Alternativen zu der Schreibweise „Leserinnen und Leser“?

Dieses Buch dient als Hilfestellung für den Erstkontakt mit dem Thema gendergerechte Sprache. Es soll ein Bewusstsein für die Problematik schaffen – aber keine sprachwissenschaftliche Analyse darstellen. Durch die momentan begrenzten Möglichkeiten der deutschen Sprache kann das dritte Geschlecht noch nicht vollständig und angemessen in den Sprachgebrauch integriert werden. Daher bezieht sich dieses Buch auf die Implementierung gendergerechter Sprache im Hinblick auf die Gleichstellung von Männern und Frauen. Als Frau formuliere ich persönliche Erlebnisse aus meiner, das heißt weiblicher Sicht. Selbstverständlich sind männliche Leser stets mitangesprochen!

Tinka Beller

*2017 wurde ein neues Gesetz zur Feststellung des Personenstands verabschiedet. Neben der bisher zwingend erforderlichen Einordnung des Geschlechts in „männlich“ oder „weiblich“ gibt es seitdem die Möglichkeit, ein sogenanntes „drittes Geschlecht“ zu wählen. Im Folgenden beschränke ich mich hauptsächlich auf die Kategorien „männlich/weiblich“, da die Komplexität der Thematik der Berücksichtigung weiterer Geschlechter den Rahmen dieses Buchs übersteigen würde.

1.Gleichberechtigung und Sprache – wie hängt dies zusammen?

Für den jetzigen Stand der Gleichberechtigung war die sogenannte „erste Frauenbewegung“ unverzichtbar. Errungenschaften wie zum Beispiel das Wahlrecht für Frauen sind weder von allein entstanden noch kamen Männer auf die Idee, dass sich da etwas ändern müsste. Frauen sind für diese Rechte, teilweise gegen große Widerstände, aktiv geworden und haben sich letztlich durchgesetzt. Welchen Einfluss Sprache auf Wahrnehmung hat, lässt sich in diesem Zusammenhang gut am Wahlrecht der Schweiz erkennen: Erst 1971, also vor weniger als 50 Jahren, wurde es Frauen dort ermöglicht, zu wählen. Begründet wurde die Ablehnung des Frauenwahlrechts bis dahin mit folgender Formulierung in der Verfassung: „Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat (…).“ Demnach war es nur folgerichtig und konsequent, dass nur „Schweizer“ wählen durften, aber keine „Schweizerinnen“. Schon hier ist die Relevanz gendergerechter Sprache abzusehen.

1.1Hegemoniale Männlichkeit und ihre Folgen

Für die jüngere Generation, das heißt für all diejenigen, die mit „Selbstverständlichkeiten“ aufgewachsen sind wie dem Frauenwahlrecht oder der Tatsache, dass Frauen autonom ein Bankkonto eröffnen oder einen Arbeitsvertrag unterzeichnen dürfen (ohne die bis 1977 in Deutschland nötige Unterschrift des Ehemannes), mag sich der Wunsch nach einer gleichberechtigten Sprache „gestrig“ oder „total übertrieben“ anhören. Vielleicht hilft hier ein Blick auf die Realität: Frauen sind – auch in Deutschland – noch weit davon entfernt, Männern gegenüber gleichberechtigt zu sein.

Gleichberechtigung bezieht sich definitiv auf mehr Bereiche als nur auf die Themen Berufstätigkeit und Gehalt. Doch gerade hier gibt es besonders viel Handlungsbedarf. Das macht eine Studie der AllBright Stiftung, die sich für mehr Diversität einsetzt, deutlich: Demnach gab es 2017 in deutschen Aufsichtsräten mehr Männer, die Thomas oder Michael heißen (49 Personen), als Frauen insgesamt (46 Personen). Aufsichtsräte waren zum Zeitpunkt der Studie zu 93 Prozent männlich und ähnelten sich auch im Hinblick auf das Alter (im Durchschnitt 53 Jahre), die Herkunft (Westdeutschland) und die Ausbildung (71 Prozent Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieure). Hier sind Frauen in keiner Weise präsent, weder optisch noch sprachlich.

Was ist hegemoniale Männlichkeit?

„Hegemonie“ bedeutet Vorherrschaft oder Überlegenheit, „hegemoniale Männlichkeit“ bezeichnet also die Überlegenheit des Männlichen bzw. der Männer. Hier geht es nicht darum, ob Männer tatsächlich das überlegene Geschlecht sind, sondern um die Tatsache, dass sie aktuell eine dominante soziale Position innehaben. Die hegemoniale Männlichkeit ist aktuell noch die Norm in der Gesellschaft.

Im Vergleich zu einem Hegemonen, hier der Gruppe der weißen, heterosexuellen Männer, werden „die anderen“ viel weniger wahrgenommen. Grundlegend sind hierfür die verschiedenen Formen der Privilegierung. In der patriarchalischen, hegemonial männlichen und eurozentrischen Welt ist die Gruppe weißer, heterosexueller Cis-Männer am meisten privilegiert. (Unter „Cis-Mann“ bzw. „Cis-Frau“ werden Personen verstanden, bei denen Geschlechtsidentität und Geschlecht qua Geburt übereinstimmen. Das Gegenteil wird als „Transgender“ bezeichnet.) Das bedeutet, dass diese Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Identität und Orientierung und ihres Geschlechts keine Diskriminierung erfahren. Letztlich lassen sich durch eine derartige Analyse Machtstrukturen aufzeigen, die durchbrochen werden sollen.

Die Einflussmöglichkeiten von Personen, die (zum Beispiel) qua Geschlecht abweichen, sind durch die dominante soziale Position von Männern sehr gering. Vereinfacht dargestellt werden alle, die dem Bild nicht entsprechen, als untergeordnet wahrgenommen.

Das Gesetz der Sympathie

Diese Prozesse laufen häufig unbewusst ab. Das, was wenn überhaupt nur als diffuses Gefühl wahrgenommen wird, lässt sich mit dem „Gesetz der Sympathie“ erklären. Ein Beispiel:

Eine Führungskraft, die eine Stellenbesetzung vorzunehmen hat, wird – wie jede andere Person auch – sehr viele Entscheidungen treffen. Neben den „harten Fakten“, wie einer geforderten Qualifikation oder Berufserfahrung, spielen viele weitere Faktoren eine Rolle, die nicht logisch zu erklären sind. Wesentlich ist zum Beispiel, ob uns unser Gegenüber sympathisch ist. Diesen Personen vertrauen wir eher, wir halten sie für kompetent und zweifeln seltener an dem, was sie uns mitteilen.

Doch was trägt dazu bei, ob uns jemand sympathisch oder unsympathisch ist? Ein wesentlicher Faktor für Sympathie ist Ähnlichkeit. Jemand, der uns ähnlich ist, kann ja nicht so verkehrt sein, suggeriert uns unser Gehirn. Ähnlichkeit kann in vielen Details erkannt werden. Sprechen Sie dieselbe Sprache wie Ihr Gegenüber? Haben Sie einen ähnlichen Bildungsstand? Oder gleiche Interessen? Während einige dieser Details sich erst später erschließen, gibt es Ähnlichkeiten, die sich auf den sprichwörtlichen ersten Blick erkennen lassen: Ist Ihr Gegenüber männlich oder weiblich? Und schon haben Sie eine Menge, was Sie miteinander verbindet – oder auch nicht.

Das, was uns bekannt ist, erscheint uns sympathischer als Unbekanntes. Unbekanntes ist eher befremdlich und wird eher als trennend wahrgenommen. So wird auch klar, warum es in bestimmten Positionen immer noch zu sogenannten „Reproduktionen“ kommt: Die Führungskraft, die eine neue Stelle besetzt, lässt – unbewusst – den Faktor Geschlecht als Sympathiemerkmal in ihre Bewertung einfließen. Das gleiche Geschlecht bedeutet viel Ähnlichkeit und damit einen Sympathievorsprung gegenüber „den anderen“, also (in den meisten Fällen) allen, die nicht männlich sind.