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Todd Davis

Werde besser!

15 bewährte Strategien zum Aufbau
effektiver Beziehungen im Job

Aus dem Amerikanischen
von Nikolas Bertheau

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Die amerikanische Originalausgabe »Get Better: 15 Proven Practices to Build Effective Relationships at Work« erschien 2017 bei Simon & Schuster, New York, USA.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-904-4

ISBN epub: 978-3-95623-838-3

Lektorat: Claudia Franz, Oberstaufen | info@text-it.org

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Autorenfoto: FranklinCovey

Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de

© 2019 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

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Das E-Book basiert auf dem 2019 erschienenen Buchtitel "Werde besser!" von Todd Davis, ©2019 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

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Inhalt

Vorwort von Bob Whitman

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Einführung

1.Strategie: Schauen Sie durch die richtige Brille

2.Strategie: Bringen Sie Ihr eigenes Wetter mit

3.Strategie: Verhalten Sie sich glaubwürdig

4.Strategie: Werden Sie Ihren Rollen gerecht

5.Strategie: Sehen Sie schon im Setzling den Baum

6.Strategie: Vermeiden Sie das Flipper-Syndrom

7.Strategie: Denken Sie »wir« statt »ich«

8.Strategie: Überprüfen Sie Ihre emotionalen Beziehungskonten

9.Strategie: Entdecken Sie Ihre wahren Motive

10.Strategie: Reden Sie weniger und hören Sie mehr zu

11.Strategie: Finden Sie das richtige Maß

12.Strategie: Schenken Sie anderen Ihr Vertrauen

13.Strategie: Lassen Sie ehrliches Feedback zu

14.Strategie: Tun Sie das Richtige

15.Strategie: Beginnen Sie mit Demut

Anmerkungen

Index

Über den Autor

Über FranklinCovey

Leserstimmen

Vorwort von Bob Whitman

FranklinCovey ist ein weltweit tätiges Beratungs- und Trainingsunternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, die Leistungen und die Effektivität von Menschen in Organisationen zu verbessern. Konkret heißt das: Wir helfen Organisationen, durch Veränderungen im menschlichen Verhalten deutlich bessere Ergebnisse zu erzielen. Wie also lässt sich Verhalten verändern? Denken Sie nur daran, wie mühsam es ist, die eigenen Einstellungen und das eigene Verhalten zu ändern – ganz zu schweigen vom Verhalten eines anderen oder vieler anderer Menschen!

In Werde besser – 15 Strategien zum Aufbau effektiver Beziehungen im Job zeigt Todd Davis, warum wir bei uns selbst beginnen und zuerst unsere eigenen Paradigmen und Verhaltensweisen verändern müssen, wenn wir unsere Effektivität, unsere Beziehungen und damit auch unsere Ergebnisse verbessern wollen. Das ist der Schlüssel, um einen nachhaltigen positiven Einfluss auf die Menschen um uns herum auszuüben – insbesondere auf diejenigen, zu denen wir enge private und berufliche Beziehungen haben.

Warum ist es so wichtig, dass wir beim Aufbau unserer bedeutendsten Beziehungen effektiver werden? Weil Beziehungen die Kultur des Umgangs miteinander in unserem beruflichen und privaten Umfeld bestimmen. Diese Kultur wiederum ist die Basis für alles andere. Alles wird besser und nachhaltiger, wenn unsere beruflichen und privaten Beziehungen bereichernd und effektiv sind.

Überlegen Sie einmal: Was wären unsere Unternehmen ohne gute Beziehungen zu den Kunden? Alles würde sich langsamer abspielen oder ganz zum Stillstand kommen. Was würde ohne gute Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und den Unternehmen passieren? Es würden Grabenkämpfe ausbrechen und die Produktivität würde drastisch sinken. Und was wären wir ohne gute private Beziehungen? Unser Leben wäre nicht erfüllend und wir wären weniger glücklich und zufrieden.

Die meisten Unternehmen verkünden: »Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital.« Auch Todd ist davon überzeugt, dass das größte Kapital einer Organisation die Mitarbeiter sind. Doch er geht noch einen Schritt weiter und sagt: »Die Basis für unseren Wettbewerbsvorsprung sind nicht die Mitarbeiter per se, sondern die Qualität der Beziehungen zwischen ihnen.«

Das stimmt. In den letzten zehn Jahren hat FranklinCovey die Ergebnisse von Teams und Abteilungen in zahlreichen Unternehmen auf der ganzen Welt analysiert. Das Fazit? Je besser die Qualität der Beziehungen, desto besser die Leistung. Die Teams und Abteilungen mit den effektivsten Beziehungen zu ihren Kunden und Beschäftigten erzielten wesentlich bessere Ergebnisse als diejenigen mit durchschnittlichen Kunden- und Mitarbeiterbeziehungen.

FranklinCovey wurde vor Jahrzehnten unter der Prämisse gegründet, dass das Fundament besonders leistungsstarker und erfolgreicher Organisationen effektive Beziehungen zu allen maßgeblichen Interessengruppen sind. Ob der Weltbestseller Die 7 Wege zur Effektivität oder die Bestseller Schnelligkeit durch Vertrauen, Die 4 Disziplinen der Umsetzung und Die 5 Entscheidungen für außergewöhnliche Produktivität: FranklinCovey fokussiert sich darauf, Potenziale von Menschen zu erkennen, gezielt zu fördern und eine Kultur des nachhaltigen Lernens zu schaffen. Die Expertise von FranklinCovey wird daher von Unternehmenslenkern und Entscheidungsträgern aller Länder und Kontinente geschätzt.

Todd Davis schöpft aus einem enorm großen Wissens- und Erfahrungsfundus rund um zwischenmenschliche Beziehungen. Als langjähriger Chief People Officer von FranklinCovey ist er wie kaum ein anderer in der Lage, uns wichtige Denkanstöße und wertvolle Tipps in Sachen Beziehungen und kontinuierliche Verbesserung unserer Verhaltensweisen mit auf den Weg zu geben. Er ist ein beharrlicher Verfechter der allgemeingültigen Prinzipien der menschlichen und unternehmerischen Effektivität, für die FranklinCovey steht. Zugleich ist er ein lebendes Beispiel für die praktische Umsetzung dieser Prinzipien.

In diesem Buch beschreibt er einige der häufigsten Steine, über die viele von uns von Zeit zu Zeit stolpern: Wir geben anderen die Schuld an unseren Problemen, konzentrieren uns auf das Dringende und nicht auf das Wichtige oder preschen mit Lösungen vor, bevor wir überhaupt das Problem verstanden habe. Voller Lebensklugheit macht er ebenso einfache wie praxistaugliche Vorschläge, wie wir diese Stolpersteine in unseren Beziehungen umgehen und in unserem gesamten Tun besser werden können.

Todd belegt auf vielfältige Weise, dass unser wichtigster Schatz die Stärke unserer Beziehungen ist. Mehr noch: Er zeigt, dass unsere Beziehungen nicht nur der Schlüssel zum Erfolg sind, sondern zugleich die wertvollste Belohnung für unseren Erfolg.

Zu den wichtigsten Zielen von FranklinCovey gehört es, zum Arbeitgeber der Wahl für Leistungsträger mit Herz zu werden. Als CEO verlasse ich mich auf Todds Wissen und Erfahrung, wenn es darum geht, die besten Talente für unser Unternehmen zu gewinnen und zu halten. Ich bewundere sein Fingerspitzengefühl als Berater und Coach für unsere vielen Tausend Mitarbeiter auf der ganzen Welt.

Es ist für mich von unschätzbarem Wert und eine große Freude, von Todds umfassendem Wissens- und Erfahrungsschatz zu profitieren und das alles jetzt auch schwarz auf weiß lesen zu können. Und ich bin sicher, dass es Ihnen auch so gehen wird.

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Kennen auch Sie das Gefühl, etwas bewegen zu wollen und doch nicht recht voranzukommen? Wir alle wollen einen Beitrag leisten, sei es im privaten oder im beruflichen Umfeld. An Ideen, Visionen oder Strategien mangelt es uns dabei meist nicht. Entscheidend aber für die erfolgreiche Umsetzung unserer Vorstellungen ist die Qualität der Beziehungen, die wir zu anderen Menschen pflegen. Darauf kommt es an!

Hier setzt Todd Davis, Chief People Officer von FranklinCovey International, mit seinem neuen Buch »Werde besser!« an und gibt uns 15 Strategien für effektive Beziehungen im Job an die Hand. Die meisten Unternehmen verkünden: »Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital.« Das stimmt. Todd geht allerdings noch einen Schritt weiter und erklärt, dass nicht die Mitarbeiter an sich den Wettbewerbsvorteil ausmachen, sondern dass die Qualität der Beziehungen zwischen den Mitarbeitern den Unternehmenserfolg ganz entscheidend beeinflusst. Ein Paradigmenwechsel.

Todd Davis’ Gedanken zu Beziehungen zwischen Menschen sind zeitlos, prinzipienorientiert und schöpfen aus seiner langen und reichen Erfahrung in der Personalentwicklung. Seine 15 Strategien helfen uns, den Blick auf Wesentliches zu schärfen, das Zuhören und Verstehen zu schulen und Vertrauen aufzubauen. Oder anders formuliert: an der Qualität der Beziehungen zueinander zu arbeiten. Das klingt plausibel und logisch. Nur: Eine nachhaltige Änderung von Verhaltensweisen geschieht nicht über Nacht, sondern ist ein andauernder Prozess, der kontinuierlich verinnerlicht werden sollte.

Für Organisationen und Privatpersonen bieten wir vom FranklinCovey Leadership Institut eine Reihe von Lernformaten für die Veränderung von Verhalten: von persönlichen Coachings und interaktiven Workshops bis hin zu Webinaren und digitalem Lernen. Nachhaltige Verhaltensveränderung ist unsere Kernkompetenz!

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg beim Umdenken und bei der Entwicklung effektiver Beziehungen im Beruf. Und denken Sie daran: Auch lange Wege beginnen mit dem ersten Schritt. Lassen Sie uns gerne wissen, wenn wir von FranklinCovey Sie dabei unterstützen können.

Curtis Bateman

President und CEO

FranklinCovey Leadership Institut GmbH

Deutschland | Schweiz | Österreich

Einführung

Ein berühmtes Zitat aus Jean-Paul Sartres Theaterstück Geschlossene Gesellschaft lautet: »Die Hölle, das sind die anderen.«1 In dem Stück begegnen sich drei Seelen in der Nachwelt – eingesperrt in einen Raum ohne Türen und Spiegel. Nach und nach müssen sie erkennen, dass es für sie nicht nur kein Entrinnen gibt, sondern dass sie selbst es sind, die sich gegenseitig die Hölle heißmachen. Wenn Sie schon einmal in einem vollbesetzten Flugzeug auf einem Mittelplatz saßen, kennen Sie vielleicht das Gefühl.

Für Sartre waren menschliche Beziehungen so glücksentscheidend, dass sich ihr Misslingen buchstäblich wie die Hölle anfühlen konnte. Seit ich als Chief People Officer für ein Unternehmen arbeite, das wie kaum ein anderes den Menschen in den Mittelpunkt stellt, habe ich ähnliche Gefühlsschilderungen häufig zu hören bekommen. Ob Vorgesetzte, Mitarbeiter oder Kollegen: Wer das Gefühl hat, in seinem beruflichen Umfeld nicht eingebunden zu sein und kein Mitspracherecht zu haben, sieht die Ursache dafür häufig im mangelnden Miteinander am Arbeitsplatz. Deshalb gründe ich dieses Buch auf einer einfachen, aber folgenschweren Prämisse: Unsere Fähigkeit, im beruflichen wie im privaten Leben Erfüllung zu finden und etwas zu bewirken, hängt ganz entscheidend von der Qualität unserer Beziehungen ab.

Vieles deutet auf diese wichtige Rolle von Beziehungen hin. So stellt der Leiter der Grant-Studie der Harvard Universität, Dr. Robert Waldinger, fest: »Menschen, die weniger Kontakt zu anderen haben, als sie es sich wünschen, sind weniger glücklich. Ihre Gesundheit verschlechtert sich in der Lebensmitte rascher, ihre Gehirnleistung nimmt schneller ab und sie sterben früher.«2 Und eine interne Google-Analyse ergab, dass qualitativ hochwertige Beziehungen der Schlüssel zu erfolgreichen Teams sind.3

Sie haben vermutlich schon den Spruch gehört, dass die Mitarbeiter das größte Kapital eines Unternehmens sind. Ich möchte gerne noch einen Schritt weiter gehen: Meiner Erfahrung nach sind es die Beziehungen zwischen den Mitarbeitern, die die Unternehmenskultur prägen und damit letztlich die Basis für den entscheidenden Wettbewerbsvorsprung bilden. Beziehungen sind also nicht nur auf der individuellen, sondern auch auf der unternehmerischen Ebene der Faktor, auf den es wirklich ankommt. Fast alles wird besser, wenn wir uns auf die Stärkung unserer Beziehungen konzentrieren. Dabei stehen uns jedoch oft alte Gewohnheiten und Vorurteile im Weg. Was passiert, wenn wir uns in Sartres metaphorischem Raum gefangen glauben? Wenn wir von Menschen umgeben sind, mit denen wir uns nicht gut verstehen, die uns nerven oder ärgern? Dann zeigen wir unwillkürlich mit dem Finger auf die anderen. Die anderen sind schuld! Wenn mich mein Chef nur besser verstehen, meine Kollegen mich mehr respektieren oder meine Partnerin mir aufmerksamer zuhören würde … Das ist Sartres Hölle. Hier gefallen wir uns in der Opferrolle und schieben die Schuld lieber auf die anderen, als Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Oft streichen wir resigniert die Segel und fügen uns einfach in unser Schicksal. Oder wir versuchen, die Flucht zu ergreifen. Das kann dazu führen, dass wir einer Mannschaft, einem Team oder sogar einer Ehe den Rücken kehren. Die Versuchung ist groß, die Lösung in einer äußeren Veränderung zu suchen. Wir glauben, dass ein besserer, schönerer Raum, mit vernünftigeren und umgänglicheren Menschen hinter der nächsten Tür auf uns wartet. Was aber, wenn wir dort ankommen? Häufig finden wir uns in einem neuen Raum mit anderen Menschen wieder, die nicht weniger fehlbar sind und nicht weniger Schwächen haben als diejenigen, denen wir gerade erst den Rücken gekehrt haben. Woran das liegt? Wir haben den Raum gewechselt. Doch wir sind immer noch dieselbe Person. Wir sind nach wie vor in den alten Vorurteilen verhaftet, die uns auf ewig gefangen halten. Und das kann sich tatsächlich wie die Hölle selbst anfühlen.

Und doch gibt es einen Ausweg.

Dieser beginnt, wie fast alles, mit einer neuen Denkweise. Als einer der Verantwortlichen für die Unternehmenskultur bei FranklinCovey habe ich die einmalige Gelegenheit, das Tag für Tag aus erster Hand zu erleben. In vielen Organisationen kümmern sich Manager um Löhne und Zulagen, Compliance, Fortbildung und andere klassische Aufgaben des Personalwesens. Das alles sind Dinge, die mit den Mitarbeitern geschehen. Natürlich ist das alles wichtig. Doch wir leisten einen viel größeren Beitrag, wenn wir auf das achten, was sich zwischen den Mitarbeitern abspielt – wenn wir lernen, unsere Beziehungen zu verstehen und zu verbessern. Für mich ist genau das der People-Anteil in meiner Berufsbezeichnung Chief People Officer.

Als ich diese Aufgabe vor vielen Jahren übernommen habe, bin ich davon ausgegangen, dass nichts die Arbeit so sehr bremst wie problematische Beziehungen. Nach und nach hat sich diese Anfangsvermutung bestätigt. Effektive Beziehungen führen zu effektiven Ergebnissen. Ich lernte, dass wir positive Veränderungen nur anstoßen können, wenn wir unseren Blick auf die Verbesserung unserer Beziehungen richten. Um Dr. Stephen R. Covey zu zitieren, den Autor des Weltbestsellers Die 7 Wege zur Effektivität und Mitbegründer von FranklinCovey, der vom Time Magazine als einer der 25 einflussreichsten US-Amerikaner bezeichnet wurde: »Jede bedeutsame Veränderung erfolgt von innen nach außen.«

Die Prinzipien und Paradigmen, die dieses großartige Unternehmen hervorgebracht hat, stammen nicht von mir. Aber ich hatte die Gelegenheit, sie in Aktion zu sehen. Dabei konnte ich direkt miterleben, welchen großen Nutzen ihre Einhaltung bringt und welchen hohen Preis ihre Vernachlässigung einfordert. Meine Erfahrungen der letzten 20 Jahre habe ich in diesem Buch als Sammlung von Gesprächen und Erlebnissen für Sie zusammengestellt. Es sind Gespräche, die ich selbst geführt, und Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe. Einiges wurde mir auch von Kunden, Freunden und Bekannten aus aller Welt berichtet.

Die Geschichten, die Sie in diesem Buch lesen können, sind mir sehr zu Herzen gegangen. Bitte haben Sie Verständnis, dass manche Details zum Schutz der Privatsphäre der beteiligten Personen verändert wurden. Alle Geschichten zeigen, wie unsere Paradigmen unsere Erfahrungen und unser Verhältnis zur Welt prägen. Sie handeln davon, wie Beziehungen im Laufe der Zeit stärker werden oder zu Bruch gehen und wie Karrieren sich entwickeln oder im Sand verlaufen. In den Geschichten geht es um einzigartige Menschen, die mir und vielen anderen in unserer Organisation geholfen haben, in allen entscheidenden Lebensbereichen besser zu werden. Ich habe vieles aus Niederlagen gelernt. Dennoch beziehe ich mich hier überwiegend auf positive Gespräche, die ich im Laufe meines Lebens geführt habe. Damit möchte ich Ihnen die Kraft der hier vorgestellten Strategien veranschaulichen. Denn im Überschneidungsbereich von Theorie und Praxis habe ich meine tiefgreifendsten und wichtigsten Erkenntnisse gewonnen.

Natürlich könnte man noch viele weitere Strategien zum Thema Beziehungen hinzufügen. Aber ich habe beschlossen, mich auf die 15 zu beschränken, die meiner Erfahrung nach die größte Wirkung haben. Ich werde darüber sprechen, warum ihre Nichtbeachtung sich anfühlen kann wie Sartres Hölle. Zudem werde ich jedem Kapitel eine Frage voranstellen, die Ihnen die Möglichkeit gibt, sich Ihre eigenen Erfahrungen im Zusammenhang mit der jeweiligen Strategie bewusst zu machen. Die meisten Kapitel beginnen mit einer Geschichte, die am Ende noch einmal aufgegriffen wird. Diese »Buchstützen« liefern den Hintergrund zur jeweiligen Strategie. Sie verdeutlichen, wo Menschen typischerweise auf Probleme stoßen und wie Sie diese lösen können. Bei der Wiederanknüpfung am Kapitelende wiederhole ich immer einen Teil der Geschichte, um Sie an die Ausgangssituation zu erinnern.

Natürlich können Sie dieses Buch ganz klassisch von vorn bis hinten lesen. Sie können aber auch die Fragen, die Sie am Beginn jedes Kapitels finden, durchgehen. Wenn hier ein Problem angesprochen wird, das Ihnen besonders auf der Seele brennt, können Sie die Lektüre des entsprechenden Kapitels gerne vorziehen. Jedes Kapitel schließt mit einer »Übung« – einer Kurzanleitung, die Ihnen hilft, die jeweilige Strategie erfolgreich in die Praxis umzusetzen.

Das Wichtigste ist jedoch, dass Sie offen an dieses Buch herangehen. Dabei sollten Sie unbedingt beherzigen, dass Sie die Qualität Ihrer Beziehungen zu anderen nur verbessern können, wenn Sie bei sich selbst beginnen. Dieser Ansatz – das kann ich aus eigener Erfahrung sagen – trägt in allen Lebensbereichen reiche Früchte.

Werde besser!

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1. Strategie

Schauen Sie durch die richtige Brille

Haben Sie schon einmal feststellen müssen, dass Ihre Version von der vermeintlichen Wahrheit am Ende gar nicht so zutreffend oder so vollständig war, wie Sie zunächst gedacht haben?

Dann ist die 1. Strategie vielleicht etwas für Sie:

image Schauen Sie durch die richtige Brille.

Solange Sie nicht durch die richtige Brille schauen, fühlt sich Ihr »Raum« möglicherweise wie Sartres Hölle an, weil …

• Sie sich in Ihrem Handeln auf unzutreffende Informationen stützen,

• Sie nicht die Ergebnisse erzielen, die Sie sich wünschen,

• Sie sich dämlich vorkommen, weil Sie erkennen müssen, dass Ihre Version der Wahrheit unvollständig und fehlerhaft ist.

Perfekt gekleidet und große Eile ausstrahlend kam Jon in mein Büro. Er leitete ein Team, das permanent unter Druck stand. Seine Leute mussten hohe Qualitätsziele erreichen und enge Fristen einhalten. Jon hatte den Ruf, sich über jeden und alles zu ärgern, was den Gang der Dinge verlangsamte. Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel zu: Er war unzufrieden.

»Todd, hast du einen Augenblick?«, fragte er und schloss die Tür hinter sich. Dabei wusste er ganz genau, dass ich als Chief People Officer eine Politik der offenen Tür praktizierte.

»Natürlich«, erwiderte ich und bot ihm einen Platz an. Er zögerte einen Augenblick. Jon war es gewohnt, während des Sprechens ständig auf und ab zu gehen. Schließlich nickte er. Er setzte sich und sah aufgrund des plötzlichen Mangels an Bewegung noch gestresster aus.

»Worum geht es?«, half ich ihm auf die Sprünge. Jon rieb sich die Augen und ordnete seine Gedanken.

»Es ist wegen Isabel«, sagte er sichtlich frustriert. »Sie werkelt gemächlich vor sich hin und gefährdet damit unsere Deadline. Und das nicht zum ersten Mal!«

Isabel war Projektmanagerin und Jons Kollegin. Umsichtig, intelligent und mit einem Blick für die größeren Zusammenhänge war sie ein wertvolles und verlässliches Mitglied unseres Unternehmens. Zudem schien sie immun gegenüber Jons Dringlichkeitswahn zu sein.

»Ich verstehe. Wie kann ich helfen?«

»Ich brauche jemanden wie dich, der mit ihr redet«, erwiderte Jon.« Ich bin nicht der Menschen-Typ.«

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Bei Jons Erklärung, er sei kein »Menschen-Typ«, musste ich daran denken, dass wir nicht nur uns selbst, sondern auch die Menschen um uns herum durch eine Brille sehen. Und wie das bei Brillen nun mal so ist, stellen sie die Wirklichkeit entweder viel schärfer oder aber ziemlich verzerrt dar. Ich weiß, warum ich diesen Vergleich hier bringe. Denn ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, als ich als Kind eine Brille bekam. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als Zweitklässler zum ersten Mal eine Brille trug: Plötzlich konnte ich die Blätter an den Bäumen mehrerer Straßenblocks vor mir erkennen. Tausende weitere Details, die mir bislang komplett entgangen waren, wurden sichtbar. Auf einmal zeigte sich mir die ganze Welt in nie geahnter Klarheit.

Das Komische war, dass ich früher gar nichts vermisst hatte. Für mich hatte alles so ausgesehen, wie es aussehen sollte. Alles schien seine Richtigkeit zu haben. Kein Wunder, dass mir mein Kunstlehrer vorgeschlagen hatte, Buchhalter zu werden. Erst die Brille machte mir bewusst, was mir bislang alles entgangen war. Vielleicht denken Sie, ein paar zusätzliche Blätter an irgendwelchen Bäumen machen keinen großen Unterschied. Doch hier geht es um etwas wesentlich Grundsätzlicheres. Etwas, das der Philosoph Thomas Kuhn ganz wunderbar beschreibt: »Alle entscheidenden Durchbrüche gehen mit einem Bruch alter Denkweisen einher.« Oder anders ausgedrückt: Unsere Sicht der Dinge beeinflusst unser Denken und unser Fühlen. Das wirkt sich wiederum auf unser Tun und unsere Ergebnisse aus. Das zeigt auch die folgende Geschichte:

Vor etlichen Jahren beschloss ein Bekannter von mir, etwas für seine Figur zu tun und regelmäßig joggen zu gehen. Dieser Entschluss war für ihn aus zwei Gründen sehr wichtig: Erstens wollte er gesünder leben und zweitens wünschte er sich mehr Schwung und Energie, um für seine Familie da sein zu können. Zwei Tage lang hielt er durch. Doch am dritten Tag stolperte er und verstauchte sich das Sprunggelenk. Das war äußert schmerzvoll. An Joggen war erst mal nicht zu denken. Im Gegenteil: Die Verletzung brauchte mehrere Monate, um auszuheilen.

Als die Zeit gekommen war, die Krücken gegen die Joggingschuhe zu tauschen, konnte er sich allerdings nicht dazu entschließen. Er verzichtete aufs Joggen, obwohl es der Schlüssel zu einer gesünderen, verantwortungsvolleren Lebensweise war. Woran das lag? Mein Bekannter nahm die Welt durch eine Brille wahr, die ihm vorgaukelte, dass er kein sportlicher Typ und die Welt ohnehin voller Fallstricke sei. Diese Sichtweise beeinflusste sein Denken: Er glaubte, dass die Joggingidee von Anfang an ein großer Fehler gewesen war. Dieses Denken wiederum löste bestimmte Gefühle bei ihm aus: Er fühlte sich antriebslos und ängstlich. Und diese Gefühle beeinflussten sein Verhalten: Er wurde wieder zum Couchpotato. Die Ziele, die ihm so wichtig gewesen waren, waren schnell vergessen.

Wie wir uns selbst und die Welt um uns herum sehen, bezeichnen wir als Paradigma. Dieser Begriff ist mittlerweile stark verbreitet. Wahrscheinlich sind Sie beim Buzzword-Bingo-Spielen in der Meeting-Pause schon mal dem Wort »Paradigmenwechsel« begegnet. Was das genau bedeutet? Hier möchte ich gerne Dr. Covey zitieren:

Solange wir uns lediglich kleinere Veränderungen wünschen, genügt es, wenn wir an unserem Verhalten arbeiten. Wollen wir jedoch Veränderungen, die einem Quantensprung gleichkommen, müssen wir an unseren grundlegenden Paradigmen arbeiten.

Wenden wir uns wieder meinem Bekannten zu und schauen genauer hin, was hier passiert ist. Sein Sprunggelenk war wieder in Ordnung. Er hatte zwei funktionierende Beine und war in guter, wenn auch nicht in überragender gesundheitlicher Verfassung. Sein Arzt meinte, dass er wieder mit dem Joggen beginnen könnte – besser gesagt: sollte! Und im Schrank wartete ein fast neues Paar Laufschuhe darauf, endlich wieder getragen zu werden. Sicher, die Welt ist voller Stolpersteine. Aber er hätte nur die Augen offen halten und seine Schritte sorgfältiger setzen müssen. Stellen Sie sich vor, was passiert wäre, wenn mein Bekannter seine »Brille« gegen eine hilfreichere eingetauscht hätte:

Sehen: Ich bin in der Lage zu joggen und dabei den kleinen Hindernissen, die sich mir in den Weg stellen, auszuweichen.

Denken: Ich kann, soll, will und werde wieder mit dem Joggen beginnen.

Fühlen: Ich bin zuversichtlich, dass ich die Ziele, die mir so wichtig sind, erreichen kann.

Tun: Ich hole die Schuhe aus dem Schrank und laufe einfach los.

Es genügt schon, dass wir beschließen, uns selbst durch eine andere Brille zu sehen. Allein dadurch lösen wir einen Dominoeffekt aus, der unser Denken, Fühlen und Handeln maßgeblich beeinflusst. Hier haben wir es mit einem grundlegenden, universellen Prinzip zu tun. Es hilft uns, bedeutsame Veränderungen in unserem Leben anstoßen. Haben Sie auch immer wieder ein unzutreffendes Bild von sich selbst? Denken Sie beispielsweise:

• Ich gehöre nicht dazu.

• Ich bin zu faul.

• Ich habe keine Geduld.

• Ich werde niemals gut genug sein.

• Ich kann mich nicht ändern – ich bin, wie ich bin.

Auch von anderen und der Welt um uns herum machen wir uns oft ein falsches Bild:

• Alles hat sich gegen mich verschworen.

• Am Ende geht immer alles schief.

• Meine Bekannte ist total rücksichtslos.

• Mein Kollege weiß einfach nicht, was er tut.

• Auf andere ist eben kein Verlass.

• Meine Mitarbeiter werden sich nie ändern.

Auch für mich war das Joggen der Anlass, um mich einmal näher mit dem Bild, das ich von mir und anderen habe, zu befassen. Das hatte weitreichende Folgen für mich und für eine sehr wichtige Beziehung in meinem Leben. Bei meiner Vorliebe für Jogging-Geschichten muss ich an einen alten Witz denken: Woher wissen Sie, ob jemand an einem Marathon teilnimmt? Keine Sorge, er oder sie wird es Ihnen ganz bestimmt erzählen!

Vor einigen Jahren hatte meine Tochter Sydney ein Problem, das viele andere Jugendliche auch haben. Sie hatte einfach kein Selbstvertrauen. Erschwerend kam hinzu, dass sie schon sehr früh ihr Hörvermögen verloren hatte. Die Verständigung mit anderen machte ihr oft Mühe. Deshalb wurde sie häufig gehänselt. Zu dieser Zeit hatte ich gerade damit begonnen, regelmäßig zu joggen. Also überlegte ich, ob ihr die Teilnahme an einem Marathon vielleicht guttun würde. Ihr schien die Idee zu gefallen – und so starteten wir unser gemeinsames Trainingsprogramm. Doch ihr Eifer ließ ganz schnell nach. Das frühe Aufstehen und die große Anstrengung waren zu viel für sie, sodass sie keine Lust mehr hatte und resigniert die Segel strich. Meine erste Reaktion war Enttäuschung. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, war ich auch erleichtert. Denn jetzt konnte ich mich wieder auf mein eigenes Ziel konzentrieren: Ich wollte den Marathon unbedingt in weniger als vier Stunden schaffen.

Der Marathon kam. Doch ich verpasste mein Ziel. Und Sydney hatte weiter mit sich selbst zu kämpfen.

Im nächsten Jahr fragte ich sie, ob sie einen neuen Anlauf starten wollte. Sie war einverstanden – und wir beide legten wieder los. Diesmal hielt Sydney etwas länger durch. Aber als es morgens immer kälter wurde, schmiss sie wieder das Handtuch. Auch dieses Mal war ich enttäuscht, konzentrierte mich dann aber intensiv auf mein Training. Der Marathon kam. Doch ich verpasste wieder mein Ziel. Und Sydney hatte noch immer mit sich selbst zu kämpfen.

Im Jahr darauf legte ich eine Pause ein. Ich wollte mir Zeit nehmen, um herauszufinden, was genau passiert war. Offensichtlich führten meine guten Absichten allein nicht zum Ziel. Ich dachte intensiv über meine Tochter nach. Mir wurde klar, wie stark sie in Wahrheit war. Im Zusammenhang mit ihrem Gehörverlust hatte sie Hindernisse gemeistert, die mir selbst absolut unüberwindlich erschienen. Sydney zeichnet sich durch eine geradezu unglaubliche Kombination aus Stärke und Beharrlichkeit aus. Das Problem lag also nicht bei ihr. Es lag an mir! Ich hatte meiner Tochter nicht wirklich zugetraut, den Marathon zu meistern. Und das hatte sich auf unser Training ausgewirkt. Um ein Beispiel zu nennen: Weil sie langsamer war als ich, lief ich oft um sie herum. Ja, wirklich, ich lief um sie herum! Heute schäme ich mich dafür. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie entmutigend es sein muss, jemanden neben sich zu haben, der jeden Morgen im Kreis um einen herumrennt. Ich bin sicher, dass Sydney das Gefühl hatte, mich nur aufzuhalten. Deshalb fiel ihr das Aufhören auch so leicht. Sie wollte mir nicht im Weg stehen!

Dennoch gab ich nicht auf. Ich frage Sydney zum dritten Mal, ob sie am Marathon teilnehmen wolle. Dabei betonte ich, dass ich fest daran glaubte, dass sie es schaffen würde. Und diesmal war meine Überzeugung echt! Das übertrug sich auf Sydney. Sie begann, an sich zu glauben. Wir starteten wieder mit dem Training. Doch jetzt konzentrierte ich mich voll und ganz auf meine Tochter. Beispielsweise trug ich die Wasserflaschen für uns beide oder ich lief mit etwas Abstand hinter ihr her, damit sie das Tempo bestimmen konnte. Und dieses Mal gab Sydney nicht auf. Allein das war schon ein großer Erfolg. Allerdings wusste ich, dass noch viel mehr möglich war: Ich war sicher, dass meinen Tochter die innere Stärke hatte, nicht nur an den Start zu gehen, sondern es auch bis ins Ziel zu schaffen.

Der Marathon kam – und ich war felsenfest davon überzeugt, dass Sydney die Ziellinie überqueren würde. Doch ich hatte eine große Sorge. Ich hatte Angst, dass wir das Ziel erst erreichen würden, nachdem die Ballons schon abgenommen worden waren und die Zuschauer bereits wieder nach Hause gegangen waren. In Anbetracht unserer letzten Trainingsläufe nahm ich an, dass wir ungefähr bei fünfeinhalb Stunden landen würden. Wenn wir uns mächtig ins Zeug legten, vielleicht auch bei fünf Stunden und 20 Minuten …

Der Startschuss fiel und wir liefen los. Ich kann mich noch erinnern, dass ich bei der 25-Kilometer-Marke zu Sydney sagte, der Marathon verginge zu schnell. Sie schaute mich an, als ob ich verrückt sei. Wo hat sich schon einmal ein Marathonläufer darüber beschwert, dass das Rennen zu schnell vorbei ist? Aber genau das war mein Gefühl. Es machte mir einfach eine riesengroße Freude, zu sehen, wie Sydney dieses unglaubliche Ziel erreichte. Wir überquerten die Ziellinie, lange bevor die Ballons abgenommen wurden – mit einer Zeit von vier Stunden und 23 Minuten. Wir waren überglücklich. Sydney fühlte sich wie auf dem Gipfel der Welt. Diesen Moment werde ich niemals vergessen. Der Zieleinlauf bei meinem ersten Marathon war eine aufregende Sache. Aber es war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, gemeinsam mit meiner Tochter ihre erste Ziellinie zu überqueren. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, wenn ich Sydney weiterhin durch die falsche Brille gesehen hätte!

Und so bewährte sich die Strategie »Schau durch die richtige Brille« für mich im Zusammenhang mit meiner Tochter:

Sehen: Ich beschloss, in Sydney jemanden zu sehen, der die Stärke und die Fähigkeit hatte, den Marathon bis zum Ende zu laufen.

Denken: Ich veränderte meine Trainingsstrategie dahingehend, dass ich mich voll und ganz auf meine Tochter konzentrierte.

Fühlen: Ich war überzeugt, dass sie es schaffen würde. Und ich wusste, dass sie diese Zuversicht spürte.

Tun: Wir trainierten so, dass wir die Ziellinie am Ende gemeinsam überqueren konnten.

Immer, wenn ich an den Marathon mit meiner Tochter und die erste Strategie aus diesem Buch denke, kommen mir die Worte in den Sinn, die angeblich in den Grabstein eines anglikanischen Bischoffs in der Westminster Abbey gemeißelt sind:

Als ich jung und frei und meine Fantasie grenzenlos war, träumte ich davon, die Welt zu verändern.

Als ich älter und weiser wurde, verstand ich, dass ich die Welt nicht verändern konnte. So engte ich meinen Blick ein wenig ein und beschloss, nur noch mein Land zu verändern.

Aber auch mein Land, so schien mir bald, konnte ich nicht verändern.

Als ich in die Jahre kam, beschloss ich in einem letzten verzweifelten Anlauf, meine Familie und die Menschen in meinen engsten Umkreis zu verändern. Aber, oh weh! Auch das war mir nicht möglich.

Und jetzt, wo ich auf dem Sterbebett liege, wird mir schlagartig klar: Hätte ich nur mich selbst zuerst verändert, so hätte ich mit meinem Beispiel meine Familie verändert. Mit ihrer Inspiration und Ermutigung wäre ich in der Lage gewesen, mein Land zu verändern. Und, wer weiß, vielleicht hätte ich sogar die Welt verändert!

Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir durch die sichtverzerrende Brille schauen, die wir allzu oft aufhaben. Die gute Nachricht lautet: Wir haben die Wahl, diese Brille gegen eine bessere einzutauschen. Und das gilt natürlich auch für meinen Kollegen Jon.

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»Ich brauche jemanden wie dich, der mit ihr redet«, erwiderte Jon. »Ich bin nicht der Menschen-Typ.«

Und da war es: Die so sehr verbreitete Vorstellung, dass wir nun einmal sind, wie wir sind, und uns nicht ändern können. Mir war klar, dass Jon in mein Büro kam, um mich als Verbündeten zu gewinnen, der ein ernstes Wörtchen mit Isabel reden sollte. Aber ich spürte, dass sich dahinter noch etwas wesentlich Wichtigeres verbarg. Also fragte ich ihn: »Jon, sag mir, warum glaubst du das?«

»Warum ich was glaube?«

»Dass du nicht der Menschen-Typ bist.«

Ich konnte an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass das nicht die Antwort war, die er erwartet hatte. Er räusperte sich, bevor er fortfuhr. »Na ja, du weißt schon …«

Ich ließ nicht locker: »Was genau weiß ich?«

Jon seufzte: »Sieh mal, ich bin jemand, dem Ergebnisse wichtig sind.« Das war eine Litanei, die ich schon unzählige Male von ihm gehört hatte. »Ich will vorwärtskommen und Ziele erreichen. Damit schrecke ich manche Leute ab. Ich habe einfach kein Talent für Soft Skills und das Zwischenmenschliche.«

»Sag mal: Wie lange bist du jetzt schon verheiratet?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort sehr genau kannte.

»19 Jahre.«

Ich wusste, dass Jon ein wunderbarer Ehemann und Vater war. Deshalb nahm ich ihm seine Selbsteinschätzung nicht ab und sagte: »Das klingt, als ob dir die zwischenmenschlichen Dinge doch nicht so fremd wären.«

Jon wollte schon widersprechen. Aber dann hielt er inne. Ich denke, er kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich nicht einfach die Segel streichen würde. Also hob er die Hände und ließ sich tief in den Sessel sinken. »Okay. Gut. Ich ergebe mich!«

»Sagen wir also, dass du in Wahrheit sehr wohl der Menschen-Typ bist«, fuhr ich fort. »Wie würdest du dann die Situation mit Isabel regeln?«

»Also, vermutlich sollte ich nicht mit dir, sondern mit ihr reden.«

Ich nickte. »Mir gefällt das mit dem Reden, weil es hier um gegenseitigen Respekt und gemeinsame Ziele geht. Ich stelle mir vor, dass ihr beide, Isabel und du, dasselbe wollt. Mein Vorschlag lautet, dass du dich von der Vorstellung verabschiedest, du wärst kein Menschen-Typ, und stattdessen ein konstruktives Gespräch mit deiner Kollegin führst. Vielleicht solltest du auch dein Bild von Isabel überdenken.«

»Wie meinst du das?«

»Nun, es fällt mir schwer zu glauben, dass Isabel die Einhaltung des Termins nicht genauso wichtig ist wie dir.«

Jon überlegte einen Augenblick. »Ja, das werde ich bedenken. Du könntest recht haben.«

Als Jon aufstand, konnte er sich das Grinsen kaum verkneifen: »Dir macht das mit den ›Menschen‹ wirklich Spaß, oder?«

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Übung zur 1. Strategie

Schauen Sie durch die richtige Brille

Nehmen Sie sich etwas Zeit. Bewerten Sie die Brille, die Sie momentan aufhaben. Entscheiden Sie dann, ob Sie Ihre Brille möglicherweise gegen eine andere austauschen sollten, die Ihnen ein besseres Bild liefert. Die folgende Übung hilft Ihnen herauszufinden, ob Sie die richtige Brille tragen:

1.Überlegen Sie, welche Ihrer Beziehungen sich problematisch oder schwierig anfühlt.

2.Erstellen Sie wie im Beispiel unten eine Liste mit Gründen, warum diese Beziehung nicht so funktioniert, wie sie sollte.

3.Unterstreichen Sie in Ihrer Liste die Gründe, die tatsächlich zutreffen. Markieren Sie die Einschätzungen, denen sich die meisten Menschen anschließen würden.

4.Die übrigen »Gründe« sind wahrscheinlich unzutreffende oder unvollständige Meinungen und Paradigmen, die Sie von der Person haben, zu der Sie eine problematische Beziehung haben. Denken Sie sorgfältig über jeden Punkt nach. Fragen Sie sich: Sind das Meinungen, die ich möglicherweise revidieren sollte? Welche Meinungen, die ich zuvor für »Fakten« hielt, sollte ich ändern? Was würde das in Bezug auf meine Sichtweise bewirken?

5.Entwickeln Sie ein Paradigma über die andere Person, das zutreffender und vollständiger ist.

6.Beschließen Sie anhand Ihrer neuen, unverzerrten Brille, was Sie als Nächstes tun werden, um die Beziehung zu verbessern.

Gründe

Neues Paradigma: Durch die richtige Brille schauen

Aktionsplan

Marietta ist immer sehr distanziert und stößt andere oft vor den Kopf. Sie tut so, also ob sie alles wüsste. Aber sie ist auch einer der Leistungsträger in unserem Team und hat den besten Abschluss in ihrem ganzen Studienjahrgang. Trotzdem ist sie unsicher. Das versucht sie zu überspielen, indem sie alles perfekt machen und sich überall als Expertin präsentieren will.

Marietta möchte erstklassige Leistungen bringen, und eigentlich meint sie es nur gut. Vielleicht braucht sie mehr Unterstützung von mir und noch etwas mehr Erfahrung, um zu lernen, wie man gut mit anderen zusammenarbeitet.

Ich werde einen Termin für ein Gespräch mit Marietta vereinbaren. Das hilft mir, sie besser zu verstehen. Ich werde ihr gezielt Feedback geben und ihr sagen, dass sie hervorragende Arbeit leistet. Zudem werde ich sie coachen, um ihr zu zeigen, wie sie besser mit anderen zusammenarbeiten kann.

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2. Strategie

Bringen Sie Ihr eigenes Wetter mit

Hatten Sie schon mal das Gefühl, dass andere Menschen, die Umstände oder Ihre eigenen Kurzschlussreaktionen Ihr Verhalten gesteuert haben?

Dann ist unsere 2. Strategie vielleicht etwas für Sie:

image Bringen Sie Ihr eigenes Wetter mit.

Solange Sie Ihr eigenes Wetter nicht mitbringen, fühlt sich Ihr »Raum« möglicherweise wie Sartres Hölle an, weil …

• das Leben mit Ihnen macht, was es will.

• die Rolle des Märtyrers Ihr Markenzeichen wird.

• Ihre positiven Einflussmöglichkeiten auf andere stark begrenzt sind.

»Musstest du schon mal jemanden entlassen, der bei allen im Unternehmen total beliebt war?«

Die Frage erwischte mich unvorbereitet. Ich stellte mein Glas ab und schaute mir den Mann, der mir gegenübersaß, genau an. Wir hatten gelegentlich beruflich miteinander zu tun. Im Laufe der Zeit sind wir Freunde geworden. Hin und wieder war er in der Stadt und dann trafen wir uns zum Mittagessen.

»Ich überlege, ob da vielleicht eine Frage hinter der Frage steckt?«, setzte ich an. Mein Freund nickte. Dieses Nicken strahlte eine gewisse Müdigkeit aus.

»Gestern habe ich Stunden damit verbracht, mit den Kollegen eines Mitarbeiters zu sprechen, den ich entlassen musste. Alle regten sich mächtig darüber auf. Um ehrlich zu sein: Mir geht das Ganze auch extrem an die Nieren! Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich versucht habe, diesem Mitarbeiter zu helfen.«

Natürlich gibt es viele Gründe, warum es unvermeidbar sein kann, sich von einem Mitarbeiter zu trennen. Ich wollte mich bestimmt nicht in persönliche Details einmischen. Aber offensichtlich lag meinem Freund etwas auf der Seele.

»Auch ich musste schon Mitarbeitern kündigen«, erwiderte ich mitfühlend. »Das ist nie leicht.«

Mein Freund nickte. »Ich hatte ihn wirklich gern und habe viel für ihn getan. Und er hat auch kein Geld veruntreut oder so. Das macht die Sache für mich allerdings noch schlimmer.«

»Schlimmer? Was meinst du damit?«

»Er hat in seiner Freizeit für eine Konkurrenzfirma gearbeitet. Aber das hat er nie gesagt. Das zeigt, wie wenig er von mir und dem Unternehmen hält, das ihn so sehr unterstützt hat«, erwiderte er mit zunehmender Empörung. »Unfassbar, dass er das alles praktisch für nichts aufs Spiel gesetzt hat!«

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»Und wie wurde aus einem Gespräch dann eine Entlassung?«

»Ein Gespräch hat nicht wirklich stattgefunden. Als ich erfahren habe, was da läuft, habe ich ihn sofort gefeuert. Aber jetzt stellt sogar der CEO meine Entscheidung infrage und alle halten mich für den Buhmann in der Geschichte.«

Ich versuchte, meine wachsenden Zweifel zu verbergen. Womöglich lag der CEO gar nicht so falsch? Aber vielleicht steckte ja auch noch mehr dahinter?

»Sieh mal, Loyalität ist mir extrem wichtig. Zudem weiß jeder, dass ich meine Entscheidungen nicht auf die lange Bank schiebe«, fuhr mein Freund fort. »Ich hatte also gar keine andere Wahl.«

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Ich bin überzeugt, dass es immer eine Alternative gibt. Natürlich geschehen Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben. Und natürlich sind unsere Möglichkeiten manchmal stark begrenzt. Vom Neurologen, Psychiater und Holocaust-Überlebenden Viktor Frankl wissen wir, »dass man dem Menschen … alles nehmen kann, nur eins nicht: die letzte menschliche Freiheit, seine Einstellung zu den gegebenen Umständen selbst zu wählen«.4

Einer meiner Kollegen erzählt gerne von einem seiner Professoren. Wenn dieser kleine, ein wenig korpulente Herr mit einem Kaffee in der Hand über den Campus ging, schien er gar nicht anders zu können, als gute Laune auszustrahlen. Der Professor grüßte die Studenten herzlich und blieb oft stehen, um mit ihnen zu plaudern. Er gehörte zu den beliebtesten Professoren an der gesamten Universität. Eines Morgens schüttete es wie aus Eimern. Der Professor hatte keinen Schirm dabei. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, wie üblich zu Fuß zum Vorlesungssaal zu gehen. Als er dort ankam, war er genauso fröhlich wie immer. Im Gegensatz dazu schauten die Studenten wegen des unerwarteten Wolkenbruchs äußerst mürrisch drein. Obwohl er klitschnass war und aussah wie ein begossener Pudel, strahlte der Professor übers ganze Gesicht. Da fragte einer der Studenten: »Macht Ihnen der Regen denn gar nichts aus?«

Der Professor antwortete grinsend: »Doch, doch. Aber mein Vorteil ist, dass ich so klein bin. Da dauert es viel länger, bis der Regen mich erwischt!«