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Christoph Maria Michalski

DIE KONFLIKT-BIBEL

Wie der Konflikt in die Welt kam und
wie Sie ihn steuern

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Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft. Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-829-0

ISBN epub: 978-3-95623-695-2

Lektorat: Anja Hilgarth, Herzogenaurach

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Titelfoto: Luminis / Shutterstock

Autorenfoto: Dietmar Wadewitz

© 2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2018 erschienenen Buchtitel "Die Konflikt-Bibel. Wie der Konflikt in die Welt kam und wie Sie ihn steuern" von Christoph Maria Michalski, ©2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

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Inhalt

Leo K.: So wird man Co-Autor oder wie aus einem Zufall Literatur wird!

Christoph M.: So wird man Autor oder wenn eine Leidenschaft zu Papier will!

Teil 1: Die Genesis

Wie der Konflikt in die Welt kam

Warum der Konflikt auch gute Seiten hat

Der Konflikt als Fluch und Segen

Konflikte im Spiegel der Jahrtausende

Meine fünf Thesen

These 1: 80 Prozent unserer Kommunikation bestehen aus Konflikten

These 2: Konflikte sind Kontaktirritationen

These 3: Konflikte sind in das Gehirn gefräst

These 4: Konflikte lösen sich nie von allein

These 5: Konflikte kosten Kohle

Teil 2: Die Konfliktwerkzeuge

Die Konfliktformel als Erklärungsmodell

Die Formel: Links vom Gleichheitszeichen

Die Formel: Rechts vom Gleichheitszeichen

Das Zusammenspiel der Komponenten

Die CAH[ka:]-Strategie

Das System im Überblick

Das System im Detail

Die Strategie im Einsatz

Teil 3: Wenn das Manna auf den Boden der Tatsachen fällt

Die üblichen Verdächtigen: Geläufige Konfliktstrategien in Unternehmen

Die zehn Konfliktgleichnisse

Konfliktappendix

Mein berufliches Schicksal (nur wen es interessiert)

Interview mit der Generation Y

Ein zärtlicher Impuls zum Schluss

Schlusswort

Literatur

Über den Autor

Danke an alle, die mich freundlich, interessiert bis hin zu liebevoll in meinem bisherigen Leben begleitet haben.

Ihr gebt mir Kraft.

Danke an alle, die mich unsympathisch finden, die den Kontakt mit mir abgebrochen und mich verletzt haben.

Ihr gebt mir den Antrieb, mein Profil weiter zu schärfen und täglich voranzuschreiten.

Danke an alle, die mein Buch lesen werden und sich in eine der beiden Kategorien einordnen.

Ich freue mich, Euch kennenzulernen.

Danke für die Unterstützung im Fegefeuer des Autorendaseins an meinen Lektoratsengel Anja Hilgarth.

Leo K.

So wird man Co-Autor oder wie aus einem Zufall Literatur wird!

Hallo, mein Name ist Leo K. Sie wundern sich wahrscheinlich, wer ich bin und warum ich mich bei Ihnen in diesem Buch zu Wort melde. Ich bin überraschend zu einer Art »Co-Autor« geworden, und das auf eine zugegebenermaßen ungewöhnliche Art und Weise.

Um Ihnen zu erklären, wie es dazu kam, hole ich ein wenig aus.

Ich bin heute 28 Jahre alt, mit Anita, einer Psychologin, verheiratet (und trotzdem glücklich!), habe BWL studiert und arbeite für einen großen Energiekonzern. Ich bin geschäftlich viel in Deutschland unterwegs zu den verschiedenen Standorten meiner Firma. Im Herbst 2016, als diese Geschichte ihren Lauf nahm, reiste ich besonders häufig aus Norddeutschland in Richtung Ruhrgebiet. Da ich immer den gleichen Zug nahm, fiel mir bald ein Herr auf, der oft um die gleiche Zeit und auch noch in meinem Großraumabteil reiste – »Auch so ein Gewohnheitstier«, dachte ich mir. Dieser Mitreisende war leicht wiederzuerkennen: immer mit einer Weste gekleidet, graue Haare, Brille, Bart, ein verschmitztes Lächeln um die Lippen. Umgeben von vielen Büchern tippte er lange Textpassagen in seinen Laptop. Unterbrochen wurde diese Tätigkeit nur durch das Hantieren mit einem Kartenspiel: Konzentriert übte er zwischendurch Mischen, Abheben und andere Fingerfertigkeiten.

An einem Mittwochnachmittag saßen wir zufällig gemeinsam an einem Vierertisch. Bei uns saß noch eine Frau mit ihrem etwa zehnjährigen Sohn, der zunehmend quengelig wurde. Der graue Herr holte wieder sein Kartenspiel heraus, verblüffte den Jungen mit ein paar faszinierenden Tricks, erklärte die Grundprinzipien, schenkte dem Jungen das Spiel und bat ihn, den Rest der Fahrt zu üben – für Rückfragen stünde er selbstverständlich zur Verfügung.

Ich war beeindruckt und sprach ihn auf die Karten an, und so kamen wir miteinander ins Gespräch. Ich erfuhr, dass er gerade an seinem ersten Buch schrieb und dafür seine Reisezeit nutzte. Seine ersten Sätze der Vorstellung waren: »Ich bin Mundwerker von Beruf. Andere Leute arbeiten mit den Händen, das sind Handwerker. Ich verdiene mein Geld mit Quatschen!« Er vermied dabei tunlichst die Worte »Trainer«, »Berater« und »Coach«. Darauf angesprochen, meinte er: »Wenn ich Ihr Coach bin, wissen Sie, was Sie dann sind? Mein Coachee. Das klingt doch wie ein Monchhichi!«

Wir plauderten zwanglos noch die restliche Stunde unserer gemeinsamen Fahrt, und als ich ihm erzählte, dass ich gerade an einem Nachwuchsförderprogramm meines Arbeitgebers teilnähme, weil ich im nächsten Jahr eine Führungsposition übernehmen würde, und was ich als Führungskraft anders als meine bisherigen Vorgesetzten machen würde, waren wir schnell beim Thema »Kommunikation«, einem Grundthema seines Buches. Mein Reisebegleiter verriet, aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen als Geschäftsführer und Unterstützer in Unternehmen ein einzigartiges System zur Konfliktbewältigung entwickelt zu haben, das er in seinem Buch aufarbeiten wolle. Am Ende der Fahrt verabschiedeten wir uns herzlich mit den besten Wünschen für das weitere Schaffen.

Zwei Wochen später sah ich seine graue Silhouette erneut in der Bahn konzentriert am Laptop arbeiten. Ich grüßte, setzte mich zu ihm und fragte augenzwinkernd, ob er mir nicht auch ein paar Zaubertricks beibringen könne, worauf er lachend antwortete: »Nein, das funktioniert nicht, Sie sind schon zu alt und zu desillusioniert dafür!« Neugierig sprach ich ihn gleich auf den Fortgang seines Buches an. Er erwiderte, dass er etwas hänge und sich wünsche, ein Unbeteiligter aus seiner Zielgruppe würde kritisch drüberlesen, er sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Da packte ich die Gelegenheit beim Schopf und bot ihm an, genau dieser Jemand zu sein. Er hatte sein System der Konfliktbewältigung bisher zwar nur kurz umrissen, doch das hatte schon so interessant geklungen und mich motiviert, in den vergangenen zwei Wochen die gängige Konfliktliteratur zu durchforsten, auch im Hinblick auf meine spätere Tätigkeit als Führungskraft. Richtig zufrieden war ich mit meinen Rechercheergebnissen nicht und daher begierig, die Erkenntnisse meines schreibenden Zuggenossen zu erfahren.

Der graue Herr, Michalski, wie er sich endlich vorstellte, bedankte sich zwar höflich für mein Angebot, wir tauschten auch E-Mail-Adressen aus, doch ich sah einen Hauch von Skepsis in seinem Blick, den er freundlich kaschierte. Während der gemeinsamen Fahrt sprachen wir nur noch über Belangloses, und als ich ausstieg, hatte ich mein Angebot der Mitarbeit schon fast vergessen.

Umso überraschter war ich, als ich am nächsten Morgen eine Mail von ihm in meinem Firmenpostfach fand mit dem Hinweis, dass er mir Teile seines Manuskriptes an meine private Adresse schicken würde. Ich solle meine Anmerkungen als Marginalie an den Rand schreiben und bitte nicht die Kommentarfunktion des Schreibprogramms nutzen. Er würde ab einer gewissen Kommentardichte den Überblick verlieren und es erinnere ihn zu sehr an korrigierte Hausarbeiten aus der Schulzeit. So hielt ich also nach Feierabend das erste Kapitel seines Buches ausgedruckt in den Händen. Sofort machte ich mich ans Lesen und entsprach seinem Wunsch, meine Anmerkungen handschriftlich auf dem Papier zu notieren. Sie ahnen es: Auf das erste Kapitel folgten weitere, bald war es das ganze Buch, wir führten häufig interessante Telefonate und trafen uns wiederholt in einer Bahnhofslounge.

Auf einem dieser Treffen verblüffte er mich total: Er bat mich, meine Anregungen mitdrucken zu dürfen. Denn diese hätten ihm deutlich gemacht, welche Fragen beim Lesen auftauchen könnten, und er habe der Versuchung widerstanden, daraufhin seinen Text umzuformulieren. Genau dieses Spannungsfeld machte für ihn den Reiz dieser Idee aus: den Leser mit Autorengedanken zu konfrontieren, Widerspruch zu erzeugen und das Ganze von einem »Marginator« auf die Spitze treiben zu lassen.

Ich will Sie mit den weiteren Einzelheiten nicht langweilen.

Auf jeden Fall wissen Sie jetzt, wie es dazu kam, dass ich Sie nun begleite und Sie meine Gedanken am Buchrand mitverfolgen können.

Gutes Lesen!

Christoph M.

So wird man Autor oder wenn eine Leidenschaft zu Papier will!

Ein Buchkauf ist immer eine Herzensangelegenheit. Ich kaufe ein Buch, weil sein Titel, sein Cover und / oder das Thema mich spontan anziehen. Für mich ist ein Buch ein Versprechen, meine offenen Fragen zu beantworten, meine Sehnsucht zu stillen.

Und weil Konflikte mein Herzensthema sind, bin ich immer auf der Suche nach Büchern zu diesem Thema. Mit dem Titelbestandteil »Wie Sie Konflikte …« gibt es Hunderte. Wenn man sie mal ein bisschen ordnet, lassen sich meiner Ansicht nach drei Kategorien (plus eine) finden:

1.Bücher, die den Prozess der Kommunikation auf den Sonderfall Konflikte herunterbrechen,

2.Bücher, die die Konfliktbearbeitung als Mediation sehen,

3.Bücher, die Konfliktmanagement als organisatorische Prozesskette behandeln.

Plus eine: Nicht unerwähnt bleiben darf dabei natürlich der Klassiker, das Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater von Friedrich Glasl: »Konfliktmanagement«.

In keiner Kategorie fand ich jedoch, was mir im Bereich der Konfliktbewältigung fehlte: ein Navigationsgerät, ein geschlossenes System, das mir Routenführung und Wahlmöglichkeiten bot, mein Ziel zu erreichen. Natürlich auch mit Blick auf ein soziales System, eine Firma oder eine soziale Gruppe, aber hauptsächlich zu meinem eigenen Wohl, zu meinem Lebensglück.

Also nahm ich alle meine privaten und beruflichen Erfahrungen – von A wie Argumentationstraining bis Z wie Zeitmanagement – sowie meine Führungserfahrung zusammen und schuf daraus ein eigenes ausgeklügeltes System. Dieses einzigartige System der Konfliktsteuerung stelle ich Ihnen mit meiner »Konflikt-Bibel« vor.

An dieser Stelle ein kurzes Wort zum Titel. Der verwendete Begriff der »Bibel« beinhaltet keine explizit religiöse oder weltanschauliche Tendenz. Aufgrund des Titels gibt es Analogien aus dem religiösen Kontext, der mich und unsere Gesellschaft zweifelsohne geprägt hat. Kein Problem, diese Passagen können Sie großzügig überlesen oder ausblenden, wenn diese stören oder Sie ihnen nicht zustimmen. Eine »Bibel« ist meiner Ansicht nach die Darstellung einer konsistenten Sichtweise auf das Leben oder Teilbereiche davon. Grob gesagt geht es in der Ur-Bibel um das Verhältnis der Menschen untereinander und den Umgang miteinander. In meiner Version geht es um die innere Einstellung zum Thema »Konflikte«, die grundsätzliche Haltung dazu und die Auswirkungen davon auf unser Zusammenleben. Daraus entwickle ich Handlungsalternativen, die das Leben miteinander geschmeidiger machen.

Der Schreibstil dieses Buches ist ungewöhnlich, leicht rotzig, gespickt mit Verbalakrobatik und kruden Wortkombinationen, die ebenfalls polarisieren – das ist der Sinn des Buches. Für einige Leser könnte dieses Buch durch die fächerartigen Erzähleinschübe ein wenig ausfasern – nicht ärgern, einfach weiterblättern.

Der kontrovers zu diskutierende Stil (und Inhalt) des Buches soll bitte nicht den Blick auf die vorgestellte Systematik trüben. Dieses System befindet sich seit Jahren im Stadium der praktischen Anwendung, erfolgreich und mit ausschließlich positiven Rückmeldungen. Meinen »Sidekick« Leo und seine Rolle in diesem Buch haben Sie ja schon kennengelernt.

Das Buch beginnt mit einer Art Genesis, wie der Konflikt in die Welt kam und dass es Fluch und Segen für eine Gesellschaft ist, dieses Phänomen tagtäglich zu erleben.

Daran schließen sich fünf Thesen zum Konfliktmanagement an, die das Fundament des Systems bilden. Hier werden bestimmte Annahmen vorgestellt und ausgeführt, die mein grundsätzliches Verständnis von Konflikten skizzieren. In den Thesen wird die von mir entwickelte Konfliktformel ausführlich dargestellt. Sie macht die Wirkzusammenhänge der Einzelkomponenten deutlich und ebenso deren Hebelwirkungen in der menschlichen Interaktion.

Das Wissen um die Sachzusammenhänge heißt allerdings noch nicht, dass der Schritt in die Anwendung, das sogenannte Doing, auch gelingt. Dazu wird anschließend die CAH[ka:]-Strategie vorgestellt, die eine schrittweise Anleitung bietet, quasi die einzelnen Stationen der Route beschreibt. Der einfache Aufbau mit dreimal drei Bestandteilen gibt Ihnen eine Struktur an die Hand, die Sie checklistenartig abarbeiten können. Somit erstellen Sie einen Fahrplan, der Ihnen Orientierung und Sicherheit bei der Konfliktbewältigung bietet.

Mittels dieses einfachen Instrumentariums sind Sie nach der Lektüre dieses Buches in der Lage, den Großteil Ihrer Konflikte aktiv zu steuern.

Nachdem Sie die einzelnen Systematik-Bausteine kennengelernt haben, bringe ich Ihnen Beispiele aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, die mit Querverweisen zu dem vorgestellten Konfliktsystem gespickt sind. So tritt das Ineinandergreifen der einzelnen Bausteine plastischer hervor und Sie tauchen in die vorgestellte Systematik gedanklich tiefer ein. Die angebotene Themenvielfalt bietet jedem Leser Gelegenheit, Anknüpfungspunkte an seine eigene Erlebniswelt zu generieren. Kauen Sie auf den einzelnen Geschichten herum, seien Sie gern anderer Meinung, empören Sie sich über meine Darstellung und bilden Sie sich dadurch Ihre eigene Sichtweise – immer mit dem Fokus auf Ihre individuelle Herangehensweise an diesen Konflikt.

Es gibt im Kommunikationsorbit viele Modelle und Denkweisen, die Berührungspunkte und / oder Reizpunkte mit diesem Buch und seinen Ideen haben. Bitte andocken, diskutieren, nachfeilen und feintunen. Ich verstehe mein Buchprojekt als Open Source, als öffentliche Quelle, an der alle mitarbeiten, um das Phänomen Konflikte zu entschlüsseln und das Miteinander von Menschen »besser« zu gestalten. Klingt idealistisch, soll es auch sein! Nehmen Sie Kontakt mit mir auf, laden Sie mich in Gesprächsrunden ein und treten Sie in jeden Konflikt ein, dem Sie begegnen können. Das Handwerkszeug und die innere Haltung dafür bekommen Sie im Buch!

Ich wünsche den Leserinnen und Lesern nun eine vergnügliche Lesezeit und eröffne das Buch, wie es sich für solch einen Titel gehört, mit den bedeutungsschwangeren Worten:

»Mögen die Konflikte beginnen!«

TEIL 1:

Die Genesis

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Wie der Konflikt in die Welt kam

Am Anfang war der Konflikt, direkt nach dem Licht und dem Wort. »Licht« bedeutet Wahrnehmung und das »Wort« meint Rhetorik; zusammen ergibt dies das Phänomen der Kommunikation.

Der Ur-Konflikt

Drei Beteiligte bei der Obstfrage im Paradies: Das muss der Ur-Konflikt gewesen sein. Das Hin und Her der beiden menschlichen Protagonisten nach der »Wahrnehmung« des Baumes, die einflüsternde Stimme eines schlängelnden Dritten (mit ausgezeichneter Rhetorik), die daraus resultierenden inneren Qualen (der Konflikt) von Adam und Eva und letztendlich das, was daraus geworden ist – unsere Welt. Dies alles sind ideale Zutaten für eine der besten Geschichten aller Zeiten. Der Konflikt mit Gott und zwischen Adam und Eva. Alle beide sind Konflikte, nur die Auswirkungen waren unterschiedlich.

Die Vertreibung aus dem Paradies und die seitdem vorherrschende Sehnsucht nach Glück, Harmonie und Vervollkommnung bilden den Grundstock für all unser Handeln und Verhalten in der Welt.

Wer es weniger religiös haben will, sieht es aus dem Blickwinkel der Evolution und deutet den Ur-Konflikt so:

Sich ändernde Umstände und Rahmenbedingungen sowie Naturereignisse zwangen die Lebewesen vor Hunderten von Millionen von Jahren, sich ihrer neuen Umwelt anzupassen. Zu welchen Konflikten mag es geführt haben, als der erste Fisch an Land ging? Was haben wohl seine Artgenossen dazu gesagt: »Das macht man nicht! Das geht so nicht! Wo kommen wir denn da hin, wenn das alle machen würden! Der wird schon wieder zurückkommen! Das ist ja nicht normal!«

Das kenne ich aus Veränderungsprozessen in der Firma – Klassiker des Verharrens, wie bei der Schlange Kaa bei Walt Disney.

Überlebt haben dann die Spezies, die in bewussten Widerstand zu ihrer Umwelt und den vorhandenen Bedingungen gegangen sind, die also den Konflikt heraufbeschworen haben. (»Mir egal, ich geh trotzdem!«) Wer recht behalten hat von den »Hütern des Bewährten« und den »Kreativen des Chaos«, ist ja immer nur im Nachhinein zu bewerten. Außerdem hilft hier das psychologische Phänomen des selektiven Vergessens: Je nach Standpunkt erzählen wir nur die Erfolgsstorys und blenden das Unangenehme, das Scheitern und die Blamage aus.

Nun, wo der Konflikt schon mal in der Welt war, fand und findet er mannigfaltige Möglichkeiten, sich auch zu zeigen.

Konflikte in der Menschheitsgeschichte

Wenn Sie sich die Geschichte der Menschheit anschauen – nur Ärger und Stress. Die Geschichtsbücher sind voll von Kriegen, Verfolgungen und dem Durchsetzen der eigenen »geheiligten« Wahrheit. Einzelschicksale spielen dabei keine Rolle, ja, sie gehen sogar auf in der Opferbereitschaft des Individuums für das große Ganze.

Mein Vater war Geschichtslehrer in der ehemaligen DDR und nach seiner Flucht vor dem Mauerbau dann auch in der Nähe von Göttingen tätig. Für mich war er ein Lehrer mit Leib und Seele, akzeptiert von Schülern und Eltern, einer der Honoratioren des Ortes. Dann ließ er sich an die Grundschule versetzen mit dem Argument: »Warum soll ich Geschichte unterrichten, die Menschen lernen doch nichts daraus! Die Kleinen sind noch begeistert, die Welt kennenzulernen – eine dankbare Aufgabe!«

Er hat ja recht – es mutet schon seltsam an, wenn Länder (schon wieder oder immer noch) mittels Krieg versuchen, Frieden zu schaffen. Kein Mensch käme auf die Idee, nach dem Genuss einer Peperoni die Schärfe mit einer Chilischote abzumildern. Die Geschichtsbücher sind trotzdem voll von solch irrsinnigem Vorgehen. So bleibt es ein frommer Wunsch, Lehren aus der Geschichte zu ziehen und Vergangenes als Nährboden für zukünftige Entwicklung zu sehen.

Sehe ich nicht ganz so schwarz – es verändert sich viel in der Gesellschaft.

Konflikte in den Medien

Literatur, Dichtung und Fernsehen sind gespickt mit Werken, in denen es immer um einen Konflikt geht, eine Zerrissenheit, die den Leser sinusartig durch die Wellen der Leidenschaft und Enttäuschung mitnimmt. Wir Konsumenten scheinen das zu brauchen. Beim Fernsehen üben Thriller eine angenehm schaudernde Faszination auf den Bildschirmbetrachter aus.

Bild Dir Deine Meinung

Selbst bei Formaten, die die Fremdschämtaste aktivieren, pendelt das Gefühlsleben zwischen der Ungläubigkeit »Das haben die jetzt nicht wirklich gemacht!« und der Distanzierung »Würde ich ja nie tun!«. Messie-Wohnungen, Berufsgruppe sucht Frau, Deutschland sucht den Superkünstler … Dabei taucht die Frage auf, ob ich, der Adam, den Bildschirm-Apfel von Eva, der liebreizenden Moderatorin, nicht auch essen würde – im Tausch gegen Ruhm oder Geld. Das ist der Fremdschämfaktor, ob wir uns der Lächerlichkeit preisgeben wollen im Tausch gegen Berühmtheit und Huldigung von Fremden.

Wenn ein entsprechendes Angebot käme image

Innere Konflikte

Von Weitem betrachtet sind auch unsere intimen Beziehungen, die wir im Laufe des Lebens eingehen, eine »neverending story« von Konflikten. Die neurotischen im Sinne von auffälligen Beziehungsmuster prägen sich in den ersten drei Jahren unserer Kindheit. Wenn sie uns unbewusst bleiben, drängen sie auf Wiederholung oder sie schüren die Sehnsucht nach dem Gegenteil. So erleben wir permanent einen Konflikt zwischen den eigenen Wünschen und den irdischen Gegebenheiten, zwischen Schein und Sein, Anziehung und Abstoßung, zwischen dem, was wir haben, und dem, was wir uns wünschen.

Davon kann Anita ein Lied singen, davon leben wir.

Konfliktauslöser

Die »Exegese« ist die Auslegung und Interpretation von Texten. Im Sprachgebrauch des Alltags wird sie meistens auf religiöse Texte gemünzt, meint aber ebenso juristische und andere Texte. Die Gefahr bei einer Textauslegung ist immer, dass etwas in den Text hineininterpretiert wird, was gar nicht darin steht und eventuell oder garantiert nicht so gemeint war. Das dann im Anschluss zur Quelle von Konflikten wird.

Apropos Buchstaben: Ein Buchstabendreher kann den ganzen Satz urinieren!

An einem Urtext der Bibel lässt sich noch ein weiterer Reaktionsmechanismus darstellen: lesen, dann aus dem Kontext reißen und für eigene Zwecke variabel interpretieren. Eine Stelle im Neuen Testament wird z. B. regelmäßig zur Rechtfertigung von Gewalt benutzt, wenn es darum geht, eigene Interessen durchzusetzen. Es ist Matthäus 10,34 ff.: »Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.« Die Aggressoren, also diejenigen, die das Schwert führen, sehen anhand dieses Satzes Jesus als Kriegsherrn, der seine Meinung mit Waffengewalt durchsetzt. Die Märtyrer sehen diese Aussage als Aufforderung, sich darauf vorzubereiten, dass die Verkünder des Evangeliums angefeindet und mit Waffen bedroht werden. Das »Schwert« als Kern des Konflikts steht jedoch, wenn man den Kontext betrachtet, für die Entzweiung von Menschen, die dadurch eine Position beziehen und miteinander um Frieden ringen müssen, und hat nichts mit der martialischen Waffe zu tun.

Für meine nächste Diskussion über Religion in der Fußgängerzone

Ein weiterer Auslöser für Konflikte sind Reizüberflutung und zunehmende Informationsdichte, die uns immer stärker, immer schneller in Entscheidungen stürzen, die wir kaum überblicken können. Die Innovationszyklen von Technik, modernen Formen des Zusammenlebens und Interaktionen laufen rasanter, als sich unsere DNA anpassen kann. Die Dinosaurier hatten Millionen Jahre der Anpassung. Wir in unserem Zeitalter haben nur noch Jahrzehnte, ja sogar nur Jahre. Diese Entwicklung hat keine Darstellung mehr als lineare Gerade, sondern kickt die Geschwindigkeit exponentiell nach oben.

Das merke ich jeden Tag, wie dünnhäutig die Kollegen werden.

Als ich mit meiner Familie 1992 nach Ostdeutschland ins Seebad Prerow / Darß zog, legten wir uns ein C-Netz-Telefon zu, einen sechs Kilogramm schweren Koffer. Zu Weihnachten flackerten beim Telefonieren die Lichterketten am Baum, obwohl ich deren Stecker ungläubig in der Hand hielt. Kein Wunder bei 15 Watt Sendeleistung des Funktelefons damals, aktuelle Handys kommen auf ein bis maximal zwei Watt. Eines Tages telefonierte Tante Sophie auf unserer Treppe mit ihrer Freundin im Schwarzwald. Ich werde dieses Bild nie vergessen: Eine Frau, Geburtsjahr 1898, dem Todesjahr von Bismarck, hat Kaiserzeit, zwei Weltkriege und die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands erlebt, genauso wie fließendes Wasser im Haus, Eisenbahn, Elektrifizierung und den Beginn des Informationszeitalters. Und nun sitzt sie da und telefoniert wie selbstverständlich mit einem Kasten ohne Kabel dran.

Wie hängen ein Bleistift und eine Musikkassette zusammen? Google sagt: BANDSALAT auffädeln!

Vielen von uns wird gar nicht bewusst, welche gewaltigen Entwicklungsschritte in den nächsten Jahren auf uns zukommen werden. Dies wird auch das Zusammenleben und das Miteinander-Auskommen nicht einfacher gestalten. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Wir nutzen begierig die neuen Möglichkeiten, ohne die Zeit zu bekommen, deren Integration in unser soziales Umfeld zu vollziehen.

Das führt notgedrungen zu einer Anhäufung von Konflikten, die vor der Lösung schon ad absurdum geführt werden.

Ich schließe diese Genesis der Konflikte mit einer nachdenklichen Betrachtung des Psalms 85,11:

»Güte und Wahrheit sind sich begegnet! Gerechtigkeit und Frieden haben sich geküsst/bekämpft.«

»Küssen oder kämpfen«? Steht das wirklich da?

Die Übersetzung der hebräischen Verbform »nahaqu« kann sowohl von der Grundform des Verbs »küssen« als auch des Verbs »kämpfen« abgeleitet werden. Scheinbar liegt beides so nah beieinander, peitscht es uns aus unserem Alltagstrott, lässt den Blutdruck steigen und bringt intensiven Austausch hervor. Beide Begriffe beinhalten hohe Kontaktdichte, körperliche Nähe und emotionale Verbundenheit. Es sind also keine Gegensatzpaare, wie wir landläufig meinen, die nur ein Entweder-oder zulassen. Auch der Begriff »Hassliebe« zeigt diese Ambivalenz auf, eine Verknüpfung gegensätzlicher Wertungen, Eros und Thanatos verbinden sich zu einer faszinierenden Mixtur.

Somit wird aus dem Doppelsinn des »nahaqu« deutlich, dass mit der viel gepriesenen Liebe automatisch der Konflikt verbunden ist.

Damit meine ich garantiert nicht die Ehe von Elizabeth Taylor und Richard Burton – die küssten und schlugen sich!

Lassen Sie uns im nächsten Kapitel einen Blick auf die oft ausgeblendete Seite von Konflikten werfen.

Warum der Konflikt auch gute Seiten hat

Die dunkle Seite der Macht gegen die helle Seite, Gut gegen Böse – den meisten Menschen fällt beim Stichwort »Konflikte« die trennende Seite als erste ein. Das reicht vom persönlichen Bereich (dem inneren Konflikt), dem in der Familie, in der Nachbarschaft über den auf der Arbeit, im Verein und in der Freizeit bis hin zum gesellschaftlichen und schließlich globalen. Niemand käme auf die Idee, den Konflikt zu loben, ihn als Quelle von Entwicklung zu bezeichnen oder sogar als Inspiration für Neues. Kaum ein Mensch wacht morgens auf und sagt zu sich: »Guten Morgen, ich freue mich auf die tagsüber auftretenden Konflikte, weil sie mich weiter nach vorn bringen und mir helfen!« Konflikte haben eben einen äußerst schlechten Ruf.

Nie drüber nachgedacht – da bin ich gespannt.

Negativmeldungen fallen mehr auf, rütteln wach – lesen Sie die Schlagzeilen der Zeitungen und Zeitschriften, verfolgen Sie die Aufmacher von Nachrichtensendungen und Magazinen! Was unsere Aufmerksamkeit fesselt, sind Schreckensmeldungen und Ereignisse, von denen wir sagen können: »Gut, dass uns das nicht persönlich betrifft!«

Der Konflikt als Fluch und Segen

Schon als Kinder machen wir die Erfahrung, dass unsere Schilderung über das schöne Bild im Kunstunterricht zu Hause weniger Aufmerksamkeit erhält als die Nachricht, dass wir beim Spielen in der Pause ein Loch in die Hose geratscht haben. Eltern nehmen einen Elternsprechtag in der Regel nicht wahr, wenn in der Schule alles normal läuft. Aber wenn der Lehrer zur Krisensitzung ruft, dann …

Warum eigentlich?

Im ersteren Fall der Normalität sind die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes stark eingeschränkt, weil die positive Diskussion nicht aufgenommen, die zarte Pflanze nicht weiter gegossen wird. Erst bei drohender Nichtversetzung oder ähnlich akuten Situationen wird man aktiv und setzt sich auseinander, dann aber ruckzuck – davon leben die Nachhilfeinstitute. Deren Geschäftsmodell floriert besonders drei Monate vor Zeugnisausgabe. Auf eine drohende Katastrophe der Nichtversetzung wird mit hektischem Aktionismus geantwortet, der Nürnberger Trichter aktiviert. Diese Art der Konfliktvermeidung ist segensreich, wenngleich auch die zeitliche Kompression vor Zeugniskonferenzen von lautem Fluchen der Kinder begleitet wird.

Damit habe ich mein Studium finanziert.

Zoomen wir mal heraus auf den gesellschaftlichen Fokus. Die Auswirkungen von gesellschaftlichen und politischen Konflikten zeigen sich hier in einem Zeithorizont von Generationen. Deshalb treffen individuelle Schicksale die Bedeutung von gesellschaftlichen Konflikten nur am Rand.

Betrachten wir die Sache anhand einer Revolution: Eine Revolution ist ein radikaler und grundlegender struktureller Wandel in und von Systemen. Dieser kann in Herrschaftssystemen, in der Sozialordnung eines Staates, in Wirtschaft, Technik und Wissenschaft vor sich gehen. Dies wird in der Regel positiv gesehen. Bei der Frage, ob die Französische Revolution Fluch oder Segen für die Menschheit war und ist, gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. Hier wird noch einmal der vorhin genannte Aspekt der Zoomperspektive deutlich. Unmengen an Blut sind geflossen und Menschen erlitten kaum ertragbares Leid während dieser wirren Zeit. Für Historiker gelten die Schlagworte »Liberté, égalité, fraternité« (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) als folgenreichste der neuzeitlichen europäischen Geschichte und als Geburtsstunde (in diesem Zusammenhang von beginnendem Leben zu sprechen, klingt allerdings kurios) der Demokratie. Denn der Sturz des feudal-absolutistischen Ständestaats und die aufkeimenden Ideen der Aufklärung als Grundlage der Menschenrechte zogen tiefgreifende macht- und gesellschaftspolitische Veränderungen in ganz Europa nach sich. Unser modernes Demokratieverständnis fußt auf diesen zehn Jahren des blutigen Umbruchs. Wir als Individuen profitieren heute von dieser Umwälzung auf angenehme Art und Weise. Von 1789 bis 1799 möchte ich nicht in Frankreich gelebt haben.

Zum Wesen von Konflikten gehören Schmerzen. Die Umkehrung ist fatal – um Schmerz zu vermeiden, werden Konflikte vermieden. Als Führungskraft werde ich Schmerzverursacher im TEAM fördern und schützen!

Trägt nun der Konflikt seinen schlechten Ruf zu Recht? Ich sage: »Nein«, denn ein Konflikt hat viele positive Funktionen.

Der Konflikt als Segen für die Gesellschaft

Konflikte übernehmen in unserer Gesellschaft verschiedene Funktionen, die ich grob gerastert darstellen werde. Ich halte mich da an die Systematik von Sascha Bark in seinem sehr empfehlenswerten Buch »Zur Produktivität sozialer Konflikte«.

Ordnung und Stabilität

Als Erstes gibt es die Ordnungs- und Stabilisierungsfunktionen von Konflikten für Beziehungen, Gruppen und die Gesellschaft.

Jeder von uns kann sich daran erinnern: Beim Start in intime Beziehungen war der erste größere Streit nach der rosaroten Wolkenzeit die Weggabelung und / oder ein Stolperstein. Nicht nur Eheberater berichten, dass überstandene Krisen das Band der Liebe eher enger knüpfen, weil sich dadurch Belastungsfähigkeit und Verlässlichkeit zeigen.

Das ist ein reinigendes Gewitter – nach dem Konflikt = Klarheit.

Das Gleiche gilt für Gruppen bzw. Vereine, die sich nach dem Abstieg in untere Spielklassen zusammengerauft haben und über den Gemeinschaftsgeist, beim Sport im wahrsten Sinne das Zusammen-schweiß-en, wieder zu alter Stärke gefunden haben. Der Wirkmechanismus gilt auch bei Gemeinschaftsaktivitäten wie der »Kinderspielplatz-Renovierung«, wenn Alphamännchen sich über Baupläne und Werkzeugeinsatz aneinander gerieben haben und dann später als beste Kumpel den gemeinsamen Erfolg beim Bierchen feiern.

Dorffeste als Sozialkitt

Gesellschaftliche Konflikte übernehmen weiterhin eine Stabilisierungsfunktion innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung. Eine Wahl ist nichts anderes als eine ritualisierte Form des Konflikts. Denn so werden Machtverhältnisse in ein Konstrukt gegossen, das eine zielgerichtete Weiterentwicklung der Gesellschaft ermöglicht. Permanente Konfliktaustragung lähmt das politische Leben eines Landes, wie sich 2017 in Spanien nach einer zehnmonatigen Regierungskrise zeigte. Das traf zum Jahreswechsel 2017/2018 auch für Deutschland zu.

Entwicklung und Wandlung

Als zweiten Bereich erwähne ich die Entwicklungs- und Wandlungsfunktion sozialer Konflikte.

Nehmen wir hier ein Beispiel aus dem Unternehmenskontext. Die gesamte Businesswelt ist elektrisiert von der 4.0-Welle – Arbeitswelt 4.0, Personalentwicklung 4.0, Empowerment 4.0, Changemanagement 4.0. »4.0«, das meint die komplette Digitalisierung. Im Bereich der Industrie bedeutet das die Verzahnung von Produktion mit modernster Kommunikations- und Informationstechnik. In der Arbeitswelt 4.0 gibt es eine Rubrik, die sich »agile Führung« nennt. Ein Ideenfragment innerhalb dieses Human-Resource- Bereiches ist die Personalauswahl durch bestehende Kollegen – der Einstellungsprozess wird demnach durch das zukünftige Team gesteuert.

Besteht da nicht die Gefahr der Gleichgesinnten, also keine Entwicklung?

Sie ahnen, dass dieser Prozess stark konfliktbehaftet ist. Allein schon die Beschreibung des Anforderungsprofils für ein Stelleninserat bedeutet einen hohen Grad an Auseinandersetzung miteinander; ein Ringen, das an ein kleines gallisches Dorf inmitten einer Besatzungszone erinnert. Dieser bewusst herbeigeführte soziale Konflikt eröffnet jedoch auch Chancen in Hinblick auf ein konstruktives Miteinander und treibt ein Team auf eine höhere Stufe der Verantwortung.

Da kann sich keiner mehr hinterher aus der Verantwortung stehlen, wenns schiefläuft. Eine Trennung vom Neuen läuft dann nur über den menschlichen Faktor. Den Prozess haben ja »wir« designt.