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Johannes Stärk

Assessment-Center
erfolgreich
bestehen

Das Standardwerk
für anspruchsvolle Führungs- und
Fach-Assessments

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-184-0

Lektorat: Anja Hilgarth, Herzogenaurach

25., aktualisierte und überarbeitete Auflage

Das E-Book basiert auf dem 2021 erschienenen Buchtitel Assessment-Center erfolgreich bestehen von Johannes Stärk ©2021 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

www.gabal-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Warum dieses Buch eine gute Entscheidung ist

1. Grundsätzliches zum Thema Assessment-Center

Zielsetzung und Stellenwert eines Assessment-Centers

Assessment-Center-Varianten

Beteiligte

Organisation und Ablauf

Kombination der Aufgaben

Beurteilung und Ergebnisfindung

Next Generation und Online-Assessments

2. Wegweiser für die persönliche Vorbereitung

Sichtweise der Personaler

Aufbau von Methodenwissen

Authentizität und Handlungskompetenz

Einstellungssache

Inanspruchnahme professioneller Unterstützung

3. Präsentation

Hintergründe zur Aufgabe

Allgemeine Lösungsstrategien

Spezielle Strategien für besondere Formen der Präsentation

Praxisaufgaben

Präsentation auf den Punkt gebracht

4. Rollenspiel

Hintergründe zur Aufgabe

Allgemeine Lösungsstrategien

Spezielle Strategien für unterschiedliche Gesprächstypen

Praxisaufgaben

Rollenspiel auf den Punkt gebracht

5. Strukturiertes Interview

Hintergründe zur Aufgabe

Inhaltliche Interviewvorbereitung

Umgang mit speziellen Interviewsituationen

Praxisaufgaben

Interview auf den Punkt gebracht

6. Fallstudie / Case Study

Hintergründe zur Aufgabe

Lösungsstrategien

Praxisaufgaben

Fallstudie / Case Study auf den Punkt gebracht

7. Gruppendiskussion / Teammeeting

Hintergründe zur Aufgabe

Allgemeine Lösungsstrategien

Spezielle Strategien für besondere Formen der Gruppendiskussion

Praxisaufgaben

Gruppendiskussion / Teammeeting auf den Punkt gebracht

8. Psychometrische Tests

Kognitive Leistungstests

Persönlichkeitstests

Praxisaufgaben

Psychometrische Tests auf den Punkt gebracht

9. Postkorb- / Managementaufgabe

Hintergründe zur Aufgabe

Der erste Schritt auf dem Weg zur Lösung

Lösungsstrategie für den Fragebogen-Postkorb

Lösungsstrategie für den Tableau-Postkorb

Weitere Bearbeitungstipps

Praxisaufgaben

Postkorb- / Managementaufgabe auf den Punkt gebracht

10. Strategien für weitere Aufgaben

Bericht

Biografischer Fragebogen

Disput

Fact-Finding

Planspiel

Selbstreflexion

Vorstellungsrunde

Weiterführende Links

Praxisaufgaben

Literaturverzeichnis

Über den Autor

Vorwort

Warum dieses Buch eine gute Entscheidung ist

Mit diesem Ratgeber partizipieren Sie an meiner Erfahrung mit über 10 000 Kandidaten, die ich seit 2001 als Assessment-Center-Coach face-to-face auf anspruchsvolle Assessment-Center, Management-Audits, Potenzialanalysen und vergleichbare Verfahren vorbereitet habe. Sie erwerben sofort umsetzbare und praxiserprobte Methoden und Lösungswege, die von mir im Laufe der Jahre immer weiter optimiert und perfektioniert wurden und die bereits unzähligen Lesern halfen, ihr Assessment-Center erfolgreich zu bestehen.

Sie profitieren von meinem Insider-Wissen, denn als Entwickler und Moderator war ich an der Konzeption und Durchführung von Assessment-Centern bereits für zahlreiche Arbeitgeber tätig und sitze regelmäßig auf der Beurteilerseite. Sie erhalten somit die 360°-Perspektive auf dieses Verfahren, die Sie benötigen, um herausfordernde Assessment-Center-Situationen souverän zu meistern, damit Sie Ihr Karriereziel auf direktem Weg erreichen.

Sie erhalten on top 280 Seiten Assessment-Center-Übungsmaterial, das Sie direkt downloaden und ausdrucken können. Das ermöglicht Ihnen, die Erfolgsstrategien aus diesem Buch sofort in die Praxis umzusetzen und zu trainieren. Dadurch erwerben Sie umfassende Assessment-Center-Routine und maximieren Ihre Erfolgschancen. Unter www.assessment-center-kurse.de/vip und dem unten stehenden QR-Code haben Sie mit dem Passwort »ACErfolg1« Zugang zum Downloadbereich.

Viel Erfolg bei der Umsetzung wünscht Ihnen

Ihr Assessment-Center-Coach

Johannes Stärk

P. S.

Als hochspezialisierter Assessment-Center-Coach bin ich an Ihren persönlichen Assessment-Center-Erfahrungen und Ihrer Meinung zu diesem Buch interessiert. Teilen Sie mir gerne mit, wie Sie die hier vorgestellten Empfehlungen in Ihrem Assessment-Center umsetzen konnten, und senden Sie Ihr Feedback an kontakt@intertrainment.de.

Downloadbereich: https://www.assessment-center-kurse.de/vip/

1. Grundsätzliches zum Thema Assessment-Center

Zielsetzung und Stellenwert eines Assessment-Centers

Assessment-Center-Varianten

Beteiligte

Veranstalter

Moderator

Beobachter

Rollenspieler

Meta-Beobachter

Organisation und Ablauf

Einladung

Ablauf

Kombination der Aufgaben

Beurteilung und Ergebnisfindung

Next Generation und Online-Assessments

Kompakte Formate statt Mammut-Verfahren

Aufgabenübergreifender Kontext

Online-Assessment, Digitales Assessment-Center, E-Assessment & Co.

Zielsetzung und Stellenwert eines Assessment-Centers

Fehlbesetzungen verhindern mit ACs

Kaum ein Auswahlverfahren erlebte in den letzten Jahren einen so starken Boom und ist zugleich derart umstritten wie das Assessment-Center – zu Deutsch Einschätzungsverfahren. Derzeit setzen mindestens 80 der DAX-100-Unternehmen dieses Personalauswahlverfahren ein – Tendenz steigend. Warum erfreuen sich Assessment-Center, die als zeitintensiv, kostspielig und aufwendig gelten, bei vielen Personalentscheidern so großer Beliebtheit? Personelle Fehlentscheidungen sind teuer, daher ist es nachvollziehbar, wenn sich ein Arbeitgeber im Rahmen einer Arbeitsprobe einen umfassenden Eindruck von Leistung und Verhalten eines Bewerbers verschaffen möchte. Je hochwertiger die zu besetzende Position ist, desto größer ist auch das Risiko einer Fehlbesetzung. In Führungs- und anspruchsvollen Fachpositionen kann der Schaden, den die falsche Person bereits während der Probezeit anrichten könnte, beträchtlich sein. Warum also nicht eine Arbeitsprobe vorab, quasi als Bestandsaufnahme? Dies ist der Grundgedanke des Assessment-Centers. Betrachten Sie dieses Auswahlverfahren daher als eine Art stark komprimierte und vorgezogene Probezeit, in der erfolgskritische Aufgaben der Zielposition simuliert werden. Ziel ist es zu ermitteln, inwieweit ein Bewerber die Anforderungen für eine bestimmte Position oder Hierarchieebene erfüllt oder nicht – also ein Soll-Ist-Vergleich. Und wenn es sich um eine sogenannte Potenzialanalyse handelt, besteht ein weiteres Ziel darin, herauszufinden, welche Entwicklungsmaßnahmen notwendig sind, um ihn auf die angestrebte Position vorzubereiten.

Glaubt man einschlägigen Studien, so erzielt das Assessment-Center eine relativ hohe prognostische Validität – also Trefferquote – und schneidet damit besser ab als viele andere eignungsdiagnostische Verfahren. Statistisch gesehen bedeutet das: Etwa acht von zehn Kandidaten, denen im Assessment-Center die Eignung für eine bestimmte Position zugesprochen wurde, erweisen sich auch im Nachhinein als die richtige Wahl. Viele Teilnehmer stehen einem Assessment-Center jedoch kritisch gegenüber oder zweifeln seine Aussagekraft und Sinnhaftigkeit an. Auch Linienvorgesetzte, die ihre Mitarbeiter in ein unternehmensinternes AC schicken, geben manchmal hinter vorgehaltener Hand zu, wenig von diesem Verfahren zu halten. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?

Qualitätsstandards für ACs

Eine hohe prognostische Qualität setzt voraus, dass von den Veranstaltern bestimmte Kriterien genau eingehalten werden. Der Assessment-Center e. V. – ein Verband, der unter anderem das Ziel verfolgt, Assessment-Center qualitativ zu verbessern – hat eine Reihe von Qualitätsstandards entwickelt, die in der Summe erfüllt sein müssen, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu gewährleisten. In der Praxis werden diese Maßstäbe aber nicht überall eins zu eins umgesetzt. Leider wird bei diesem aufwendigen Auswahlverfahren häufig am falschen Fleck gespart. Beispielsweise werden Beobachter auf ihre anspruchsvolle Aufgabe aus Zeitgründen oftmals nur unzureichend oder im Schnelldurchlauf vorbereitet – um nur eine der vielen möglichen Schwachstellen zu nennen.

Zum Negativimage trägt weiterhin bei, dass viele der als Potenzialanalyse oder ähnlich deklarierten internen Verfahren ein ganz anderes Ziel verfolgen als die Weiterentwicklung ihrer Teilnehmer. In manchen Unternehmen landen Mitarbeiter, die das interne Assessment-Center nur mit mäßigem Erfolg absolvieren, auf dem Abstellgleis. Vielen bleiben Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Jahre versagt oder sie müssen im schlimmsten Fall sogar damit rechnen, bei der nächsten Personalabbauwelle ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Kein Wunder, dass dieses Instrument bei vielen einen so schlechten Ruf hat.

Wie bei vielen Dingen gibt es aber auch beim Assessment-Center nicht ausschließlich Schwarz und Weiß, sondern viele Facetten dazwischen. Die Idee, die hinter diesem Verfahren steckt – nämlich aufgrund von Arbeitsproben eine Prognose zu treffen – ist grundsätzlich sinnvoll. Um diesem Gedanken gerecht zu werden, ist seitens der Veranstalter und Arbeitgeber allerdings ein sehr verantwortungsbewusster und sorgfältiger Umgang mit diesem komplexen Instrument erforderlich.

Assessment-Center-Varianten

Abhängig von der Teilnehmerzahl und der Frage, ob das Assessment-Center zur externen Bewerberauswahl oder intern eingesetzt wird, lassen sich die folgenden Varianten mit unterschiedlichen Zielsetzungen unterscheiden:

 

Einzel-Assessment: ein Teilnehmer

Gruppen-Assessment: mehrere Teilnehmer (in der Regel mind. vier Personen)

Externe Bewerber

hochrangige Führungspositionen oder

Spezialistenstellen

wenige Bewerber in der engeren Auswahl

Wettbewerb um eine bestimmte Anzahl von Stellen

hoher Konkurrenzdruck

Interne Bewerber/Mitarbeiter

Potenzialeinschätzung einer (hochrangigen) Führungskraft oder

mehrere interne Kandidaten für eine ausgeschriebene Position

Vermeidung einer Konkurrenzsituation aus unternehmenspolitischen Gründen

Teilnahme kann leichter geheim gehalten werden

Qualifizierung für eine bestimmte Hierarchieebene

meist noch nicht mit einer konkreten Stellenbesetzung verknüpft, sondern Zugangsvoraussetzung

keine unmittelbare Konkurrenzsituation

Der Arbeitstitel sagt wenig aus

Auch wenn Ihr Auswahlverfahren anders deklariert ist, sollte es sich einer dieser vier Kategorien zuordnen lassen. Manche Veranstalter wählen gerne anderslautende Bezeichnungen wie zum Beispiel:

Auswahltag

Development-Center

Förder-Assessment

Förderseminar

Karriere-Workshop

Management-Audit

Orientierungs-Center

Personalentwicklungsseminar

Potenzialanalyse

Potenzialvalidierung

Recruitment-Workshop

usw.

Der Arbeitstitel alleine lässt nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Zielsetzung, den Schwierigkeitsgrad oder den Ablauf zu. Nur noch wenige Organisationen verwenden die Bezeichnung Assessment-Center – vermutlich deshalb, weil sie mittlerweile eher negativ belegt ist und andere Namen positiver oder zumindest neutraler klingen.

Wenn man den Ablauf der Veranstaltungen genauer betrachtet, stellt man fest, dass es sich fast immer um ein klassisches Assessment-Center handelt, bei dem bestimmte Fähigkeiten der Teilnehmer auf dem Prüfstand stehen. Charakteristisch für die sogenannte Assessment-Center-Methode ist, dass die Kandidaten in anforderungsrelevanten simulierten Situationen beobachtet und anschließend bewertet werden. In diesem Buch werde ich mich deshalb weitgehend auf die Bezeichnungen Assessment-Center (AC) und Einzel-Assessment beschränken und möchte damit alle weiteren Arbeitstitel, die für dieses Verfahren noch existieren, automatisch mit einschließen.

Unterschiede Einzel- und Gruppen-Assessment?

Viele Probanden vermuten zwischen Einzel- und Gruppen-Assessments erhebliche Unterschiede bezüglich der darin enthaltenen Aufgaben und Inhalte. Doch dabei handelt es sich um einen weitverbreiteten Irrglauben. Im Abschnitt »Kombination der Aufgaben« werden Sie noch die Top-7-Module kennenlernen, die unabhängig davon, ob es sich um ein Einzel- oder um ein Gruppen-AC handelt, am häufigsten zum Einsatz kommen. Abgesehen von der AC-Eröffnung und Pausenzeiten treffen Kandidaten eines Gruppen-Assessments lediglich bei einer Gruppendiskussion auf ihre Mitstreiter. Alle anderen Module durchlaufen sie üblicherweise einzeln. Die Beliebtheit der Gruppendiskussion hat jedoch im Laufe der letzten Jahre stark abgenommen, statistisch betrachtet kommt sie nur noch in jedem zweiten Gruppen-AC vor. Faktisch handelt es sich daher bei einem Gruppenverfahren ohne Gruppendiskussion um ein Einzel-Assessment. Zwar absolvieren mehrere Personen dasselbe AC, aber ohne Bezug zueinander. Dem »echten« Einzel-Assessment wird dagegen häufig unterstellt, dass es ohnehin nur typische Einzelaufgaben beinhalten könne. Doch auch hier lassen sich Gruppensituationen – z. B. in Form eines Teammeetings – erzeugen. Die anderen Beteiligten werden in diesem Fall durch Rollenspieler verkörpert. Die häufig vermuteten Unterschiede existieren also bei genauerer Betrachtung überhaupt nicht.

Beteiligte

Veranstalter

Extern oder intern

Im Grunde genommen initiiert natürlich der Arbeitgeber die Veranstaltung. Er kann das Assessment-Center entweder selbst organisieren – in diesem Fall durch seinen eigenen Personalbereich – oder aber Konzeption und Durchführung an ein Beratungsunternehmen vergeben, das dann federführend als Veranstalter in Erscheinung tritt.

Moderator

Der Moderator ist verantwortlich für den reibungslosen Ablauf, das heißt, er organisiert die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung. Er achtet auf die Einhaltung des Zeitplans und ist zentrale Anlaufstelle für alle Beteiligten. Wie es schon die Bezeichnung vermuten lässt, moderiert er auch das Assessment-Center. Er leitet die Eröffnungsrunde, stellt den Ablauf vor und weist in bestimmte Übungen ein. Unter Umständen wird er durch einen oder mehrere Co-Moderatoren oder Assistenten unterstützt. Wer als Veranstalter das Assessment-Center organisiert, stellt normalerweise auch den Moderator.

Beobachter

Die Jury

Die Beobachter – manchmal auch als Assessoren bezeichnet – verfolgen die Aufgaben sozusagen als Jury mit und beurteilen daraufhin das gezeigte Verhalten der Probanden.

Sofern das Assessment-Center durch das Unternehmen selbst organisiert wird, sitzen im Beobachtergremium meist Vertreter des Personalbereichs (Personalentwickler, Psychologen) sowie Führungskräfte aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Insbesondere bei internen Verfahren, bei denen es um die Eignung für Führungsaufgaben oder eine bestimmte Hierarchiestufe geht, werden – im Vergleich zu einem klassischen Einstellungs-AC – die Führungskräfte stärker repräsentiert sein. Diese werden idealerweise so ausgewählt, dass sie zwei Hierarchieebenen über den Teilnehmern angesiedelt sind, aus unterschiedlichsten Fachbereichen kommen und keinen direkten Bezug zu einzelnen Kandidaten haben (also kein Vorgesetzter, ehemaliger Vorgesetzter oder Kollege sind). Handelt es sich um ein Assessment-Center, bei dem ein Kandidat für eine konkrete Stelle ausgewählt werden soll, wird oft auch der künftige Linienvorgesetzte eingebunden. Er müsste ja schließlich die Anforderungen an die Position am besten kennen.

Wird das Assessment-Center durch einen externen Dienstleister organisiert, so liefert dieser oft alle zur Durchführung erforderlichen Personen mit. Es ist hier aber genauso denkbar, dass die Beobachter ausschließlich unternehmensintern rekrutiert werden oder sich das Gremium sowohl aus internen wie auch externen Beobachtern zusammensetzt.

Objektives Bild von Teilnehmern

Um Beobachtungs- und Beurteilungsfehler auf ein Minimum zu reduzieren, werden die Beobachter in der Regel im Rahmen einer Beobachterschulung auf ihre Tätigkeit vorbereitet. Damit ein möglichst objektives Bild von den einzelnen Teilnehmern entsteht, ist der AC-Ablauf idealerweise so organisiert, dass jeder Beobachter jeden Kandidaten mindestens zweimal erlebt. Dabei wird grundsätzlich nach dem Vieraugenprinzip gearbeitet. Für Sie als Teilnehmer bedeutet dies, dass Sie bei den unterschiedlichen Aufgaben immer wieder auf neue Beobachterteams treffen werden.

Rollenspieler

Rollenspieler spielen die Gesprächspartner der AC-Kandidaten, zum Beispiel in einem Mitarbeiter- oder Kundengespräch. In manchen Unternehmen werden diese Positionen durch Beobachter besetzt – meist aus Kostengründen. Andere Organisationen leisten sich dagegen professionelle Rollenspieler, die keine weiteren Aufgaben im Assessment-Center wahrnehmen müssen und ihre Rolle dadurch auch besser ausfüllen können. Oft sind dies Psychologen oder Bühnenschauspieler. Dass Teilnehmer in einem Rollenspiel gegen andere Teilnehmer antreten müssen, kommt relativ selten vor. Durch diese Rollenbesetzung entstünde ein nicht kalkulierbarer Schwierigkeitsgrad. Im Sinne eines gleichen Anforderungsmaßstabs für alle Kandidaten kann dies eigentlich nicht gewünscht sein. Etwas nachvollziehbarer wäre diese Vorgehensweise höchstens, wenn ein Verhandlungsgespräch zwischen hierarchisch Gleichgestellten simuliert werden soll. Bei einem Mitarbeitergespräch sollte diese Variante dagegen absolut tabu sein.

Meta-Beobachter

Kontrolle des Gesamtablaufs

Gelegentlich kommt es vor, dass bei einem Assessment-Center weitere Personen als Meta-Beobachter anwesend sind. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die AC-Beobachter, deren Aufgabe in der Bewertung der Kandidaten besteht. Meta-Beobachter interessieren sich stattdessen für die Veranstalterseite und den Gesamtablauf. Zum einen könnte es sich um Betriebs- bzw. Personalräte handeln, deren Beteiligung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung geregelt ist und die sich davon überzeugen möchten, dass die Arbeitnehmerinteressen gewahrt werden. Außerdem könnten externe Berater oder Personalverantwortliche vor Ort sein, die das Verfahren unter dem Aspekt der Qualitätssicherung beobachten bzw. supervidieren.

Organisation und Ablauf

Einladung

Bei manchen externen Assessment-Centern enthält die Einladung neben dem Veranstaltungstermin und -ort oft nur dürftige Angaben. Bei internen Assessment-Centern ist darüber hinaus meist im Rahmen einer Betriebsvereinbarung geregelt, welche zusätzlichen Informationen den Teilnehmern vorab zur Verfügung gestellt werden. Dabei wird in der Regel über die Zielsetzung und den Stellenwert des Verfahrens, die Assessment-Center-Methodik allgemein, die Rolle und Hierarchieebene der Beobachter, die Ergebnisfindung und die Ergebnisübermittlung informiert. Existiert so etwas wie ein Kompetenzmodell, in dem hinterlegt ist, welche Anforderungen an welche Hierarchieebene gestellt werden, wird dieses oft ebenfalls mitgeliefert. Über diese grundsätzlichen Erläuterungen zur Methodik gehen die meisten Einladungen nicht hinaus. Es gibt jedoch einige Organisationen, in denen der Prozess tatsächlich so transparent gestaltet ist, dass bereits vorab der konkrete Ablauf mit den einzelnen Aufgaben vorgestellt wird.

Dresscode

Wenn – wie in den meisten Einladungen – das Thema Dresscode nicht erwähnt ist, wird meist Businessgarderobe erwartet. Andernfalls wird man explizit darauf hinweisen, dass legere Kleidung erwünscht ist bzw. in Ordnung geht. Sofern Sie nicht aufgefordert werden, bestimmte Arbeitsutensilien mitzubringen, können Sie davon ausgehen, dass alle erforderlichen Materialien gestellt werden.

Tipp

Denken Sie daran, die Einladung und Anreisebeschreibung einzupacken. Nehmen Sie auf jeden Fall eine Armbanduhr mit!

Darüber hinaus ist es empfehlenswert, folgende Hilfsmittel mitzubringen, auch dann, wenn Material und Verpflegung gestellt werden:

Schreibblock

Stifte

Lineal

Textmarker

Taschenrechner

evtl. Getränk und kleinen Snack

Ob Sie eigenes Arbeitsmaterial einsetzen dürfen, wird sich im Assessment-Center herausstellen. Falls ja, dann kommen Sie mit Ihren eigenen Utensilien erfahrungsgemäß leichter zurecht.

Gelegentlich erhalten Teilnehmer eines Assessment-Centers mit der Einladung einen bestimmten Arbeitsauftrag, der bis zum Veranstaltungstermin zu erledigen ist. Nur wenige Unternehmen sprechen die Empfehlung aus, sich auf das Verfahren vorzubereiten. Bei manchen Arbeitgebern ist das Thema AC-Vorbereitung unerwünscht, einige raten den Teilnehmern sogar explizit davon ab. Dies dürfte wohl auch der Hintergrund für sehr kurzfristig ausgesprochene Einladungen sein: zu verhindern, dass sich AC-Kandidaten umfassend vorbereiten können. Der Trend zu sehr knappen Einladungsfristen nimmt leider zu. Uns erreichen zunehmend Anfragen von Probanden, die erst ca. 10 Tage vor ihrem AC-Termin eine Einladung erhalten und nun ad hoc ein AC-Vorbereitungstraining benötigen.

Ablauf

Die Teilnehmer erhalten üblicherweise eine Übersicht, aus der die Abfolge der Assessment-Center-Stationen hervorgeht. Unter Umständen wird dieser Ablaufplan bereits mit der Einladung verschickt. Meistens werden diese Informationen jedoch erst zu Beginn der Veranstaltung ausgegeben. In der folgenden Übersicht ist der Ablauf am Beispiel eines Teilnehmers dargestellt:

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Pläne für Teilnehmer und Beobachter

Beim Vergleich der Ablaufpläne aller Kandidaten, die zu diesem Termin eingeladen sind, würde man höchstwahrscheinlich von Teilnehmer zu Teilnehmer eine unterschiedliche Abfolge feststellen. Es gibt in einem Assessment-Center bestimmte Stationen, die die Teilnehmer gemeinsam absolvieren – zum Beispiel Gruppendiskussionen –, und andere Aufgaben, die die Kandidaten einzeln durchlaufen – beispielsweise Rollenspiel oder Interview. Bei diesen Einzeldurchgängen sind normalerweise keine anderen Teilnehmer zugegen, da für diese sonst Leerlaufzeiten sowie Wettbewerbsvorteile durch Beobachtung der Aufgabe entstünden. Der Ablauf ist daher so gestaltet, dass parallel zu diesen Einzelstationen, die hohe Beobachterkapazitäten binden, räumlich getrennt für andere Teilnehmer Aufgaben in stiller Einzelarbeit stattfinden, wie beispielsweise »Postkorb« oder »Fallstudie«. Die Veranstalter bezwecken durch dieses rollierende Prinzip eine optimale Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Zeit unter Berücksichtigung der Beobachterkapazitäten. Gleichzeitig erzeugt man den für viele Assessment-Center typischen Parcours mit einer Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben, die zeitlich eng getaktet sind. Die Organisatoren planen daher im Vorfeld genau, wer wann welche Station durchläuft, und erstellen eine dementsprechende Übersicht pro Teilnehmer (siehe Ablaufplan Michael Müller). Analoge Ablaufpläne existieren auch für die Beobachterseite; darin ist genau festgelegt, welche Beobachter welche Übungen begleiten.

Knappe Zeit erhöht Leistungsdruck

Da Zeitverzögerungen bei einzelnen Übungen den Ablauf des gesamten Verfahrens beeinträchtigen können, achten die Moderatoren meist sehr stringent auf die Einhaltung des Zeitplans. Pro Arbeitsauftrag wird deshalb eine konkrete Bearbeitungszeit vorgegeben, die genau einzuhalten ist. Läuft diese ab, werden die Beobachter bzw. Moderatoren darauf hinweisen oder die Übung direkt abbrechen. Innerhalb der Aufgabe sind die Kandidaten immer selbst für das Zeitmanagement verantwortlich. Die Bearbeitungszeiten sind im Verhältnis zum Umfang der Aufgaben meist äußerst knapp bemessen, was den Leistungsdruck auf die Teilnehmer erhöht.

Kombination der Aufgaben

Mit welchen Aufgaben müssen Sie rechnen? Im vorhergehenden Abschnitt tauchten bereits bestimmte Übungen wie »Postkorb«, »Fallstudie«, »Präsentation«, »Gruppendiskussion«, »Rollenspiel« und »Interview« auf. Doch ein Assessment-Center ausschließlich darauf zu reduzieren, würde der Vielschichtigkeit dieses Instruments nicht gerecht werden. Immerhin handelt es sich um ein ausgesprochen komplexes Auswahlverfahren, bei dem anhand anforderungsbezogener Kriterien die Eignung für eine bestimmte Position oder Ebene ermittelt werden soll. In den meisten Assessment-Centern ist der Fokus dabei auf Kriterien aus den Bereichen der sozialen und methodischen Kompetenz gerichtet. Dies bedeutet keineswegs, dass die fachliche Kompetenz irrelevant ist. Dem Kandidaten, der sich einem solchen Auswahlverfahren unterziehen muss, wird diese vielmehr als Grundvoraussetzung unterstellt bzw. im Vorfeld anderweitig überprüft.

Auch wenn die Fachkompetenz größtenteils außen vor bleibt, ist die Annahme, es gäbe so etwas wie ein Standard-Assessment-Center, mit dem sich die soziale und die methodische Kompetenz übergreifend messen ließen, nicht zutreffend. Dafür sind die Anforderungen innerhalb dieser Kompetenzbereiche, die je nach Aufgabengebiet, Hierarchieebene sowie innerhalb des Unternehmens und der Branche stark variieren können, zu unterschiedlich. Ein Assessment-Center ist im Idealfall so konzipiert, dass es das individuelle Anforderungsprofil der Position oder Hierarchieebene über eine ganz bestimmte Kombination von Aufgaben abbildet. Es ist also durchaus denkbar, dass der gleiche Bewerber, der ein Assessment-Center sehr gut besteht, bei einem anderen eher schlecht abschneidet. Im Klartext heißt das: DAS Assessment-Center gibt es nicht. Es gibt nahezu so viele verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, wie es Unternehmen oder Institutionen gibt.

Die Top-7-Aufgaben

Natürlich gibt es Aufgaben, mit denen statistisch betrachtet bevorzugt gearbeitet wird:

1.Präsentation

2.Rollenspiel

3.Strukturiertes Interview

4.Fallstudie / Case Study

5.Gruppendiskussion / Teammeeting

6.Psychometrische Tests

7.Postkorb- / Management-Aufgabe

Mit den Top-3-Aufgaben »Präsentation«, »Rollenspiel« und »Strukturiertes Interview« sollten Sie so gut wie immer rechnen. Gerade in mehrtägigen Assessment-Centern könnten speziell die beiden erstgenannten Module sogar mehrfach zum Einsatz kommen. Insbesondere Präsentationen werden gerne in verschiedenen Variationen eingefordert, zum Beispiel zu Beginn als Selbstpräsentation und im weiteren Verlauf zur Darstellung bestimmter Arbeitsergebnisse. In einem Führungskräfte-AC sollten Sie davon ausgehen, dass das Thema Mitarbeitergespräch nicht nur in einem Rollenspiel behandelt wird, sondern dass durchaus zwei oder drei unterschiedliche Gespräche stattfinden könnten.

Nicht ganz so stark vertreten sind dagegen die anderen vier Module. Die hier dargestellte Auflistung spiegelt in etwa das Ranking der 7 mit Abstand am häufigsten eingesetzten Assessment-Center-Module im deutschsprachigen Raum wider.

Hinweis

Streng genommen handelt es sich beim strukturierten Interview sowie bei psychometrischen Tests gar nicht um AC-Aufgaben im engeren Sinne. Denn AC-Aufgaben funktionieren nach dem Simulationsprinzip, d. h. erfolgskritische Aufgaben der Zielposition werden nachgestellt und der Kandidat wird bei deren Bewältigung beobachtet und bewertet. Interviews und Tests können dagegen als eigenständige diagnostische Verfahren betrachtet werden. Unabhängig davon sind sie in viele Assessment-Center eingebunden, da sie die Möglichkeit bieten, weitere Erkenntnisse über die Kandidaten zu gewinnen.

Insgesamt ist das Portfolio an denkbaren Übungen erheblich größer, als es die Darstellung in diesem Buch erlaubt. Es gibt eine Fülle von weiteren Aufgaben, deren Aufzählung den Rahmen sprengen würde, bei denen eine nur geringe Wahrscheinlichkeit besteht, damit im AC behelligt zu werden. Seien Sie also nicht verwundert, wenn Sie doch einmal mit einem Arbeitsauftrag konfrontiert werden, von dem Sie als Assessment-Center-Aufgabe noch nie gehört haben. Im Beratungsalltag stoße ich immer wieder auf Übungen, die zuvor selbst mir unbekannt waren. Ich bin deshalb zu der Schlussfolgerung gekommen: Es gibt nichts, was es in einem Assessment-Center nicht geben kann!

Unkonventionelle Aufgaben

Beispiel

In einem Auswahlverfahren für Vertriebsmitarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens erhalten die Teilnehmer neben den »klassischen Aufgaben« einen Sonderauftrag. Die Kandidaten werden in die Fußgängerzone geschickt, mit dem Ziel, innerhalb einer vorgegebenen Zeit möglichst viele Passanten anzusprechen und Interesse für die Dienstleistungen des Unternehmens zu wecken. Jedem Bewerber wird dabei ein Beobachter zur Seite gestellt, der die Ansprache der potenziellen Interessenten verfolgt.

Auch wenn die Aufgabe aus dem Beispiel zunächst exotisch erscheinen mag, so ist sie auf den zweiten Blick gar nicht so abwegig. Flexibilität, Akquisitionsstärke und die Fähigkeit, auf fremde Menschen aktiv zuzugehen, scheinen zentrale Anforderungskriterien für die ausgeschriebene Position zu sein. Warum sollten diese ausschließlich in konstruierten Aufgaben und nicht auch in realen Situationen beobachtet werden? Das Beispiel ist sicher nicht inhaltlich repräsentativ für die Masse der Assessment-Center, zeigt aber, dass zur Überprüfung spezieller Anforderungskriterien auch unkonventionelle Aufgaben zum Einsatz kommen können. Wenn Sie sich also für eine Vertriebsposition bewerben und Akquisitionsstärke eines der Hauptkriterien ist, dann sollten Sie in der Lage sein, dies nicht nur in der Laborsituation – also im Rollenspiel, auf das Sie sich ja vermutlich gut vorbereitet haben –, sondern auch in unvorhergesehenen Alltagssituationen unter Beweis zu stellen.

(Un-)heimliche Übungen

Eine Frage, die viele AC-Kandidaten bewegt, ist der Umgang mit den sogenannten »heimlichen Übungen«. Die Meinung, Teilnehmer eines Assessment-Centers würden in den Pausen und bei den Mahlzeiten gezielt beobachtet, ist weit verbreitet, doch aus meiner Erfahrung unbegründet. Erstens wäre eine derartige Vorgehensweise schon aus arbeitsrechtlicher Sicht sehr bedenklich. Und zweitens sind Beobachter auch nur Menschen, denen ein Assessment-Center fast ebenso viel Konzentration und Aufmerksamkeit abverlangt wie den Teilnehmern. Insofern ist auch ein Beobachter dankbar für eine Pause und möchte dann sicher nicht noch zusätzlich Teilnehmer »beschatten« müssen. Es gibt jedoch eine Handvoll Unternehmen, die Abendtermine, wie zum Beispiel ein Dinner, zur Pflichtveranstaltung für bestimmte Führungsebenen machen. Dabei weisen die Veranstalter jedoch in der Regel darauf hin, dass dies ein offizieller Bestandteil des Assessment-Centers ist und zur Bewertung beiträgt – mit einer heimlichen Übung hat dies also nichts zu tun. Die Assessment-Center, in denen tatsächlich gezielte verdeckte Pausenbeobachtungen stattfinden, dürften sich im marginalen Bereich bewegen – mir sind nur wenige Einzelfälle bekannt. Dass die zufälligen Begegnungen mit Beobachtern außerhalb des offiziellen Aufgabenkontextes als Mosaiksteine unbewusst zum Gesamtbild einer Person beitragen können, dürfte dagegen für die meisten Leser kein großes Geheimnis sein. Der Mythos von heimlichen Übungen hält sich dennoch hartnäckig. Möglicherweise nur deshalb, weil einige Bücher diesem Thema sogar ein eigenes Kapitel widmen. Sie sollten diesem Thema nicht mehr Bedeutung beimessen, als ihm gebührt.

Die Aufgaben, die am häufigsten eingesetzt werden (siehe oben: Ranking der Top 7), werde ich in diesem Buch am ausführlichsten behandeln und dazu sehr differenzierte Bearbeitungsstrategien für ihre verschiedenen Untervarianten darstellen. Darüber hinaus werde ich auf eine Reihe weiterer Übungen eingehen, die zwar nicht ganz so häufig vertreten sind, aber dennoch für viele AC-Teilnehmer relevant sein könnten, und auch dafür Lösungsmöglichkeiten vorstellen. Da das Spektrum an möglichen Aufgaben jedoch riesig ist, wird es mir nicht gelingen, jede nur erdenkliche Übung in diesem Buch zu behandeln.

Falls Sie bereits konkret wissen, welche Elemente in Ihrem Assessment-Center eingesetzt werden, sollten Sie sich bei Ihrer Vorbereitung natürlich speziell auf diese Themen konzentrieren. Den Lesern, denen keinerlei Informationen zum Ablauf vorliegen, empfehle ich, sich auf jeden Fall mit den Top-7-Aufgaben auseinanderzusetzen, darüber hinaus aber auch eine Prognose zu treffen, welche Aufgabenkombination wahrscheinlich sein könnte.

Tipp

Reflektieren Sie das Anforderungsprofil und die Aufgabenbeschreibung für die angestrebte Position bzw. Hierarchieebene. Versetzen Sie sich dann in die Lage des Arbeitgebers und überlegen Sie aus dessen Perspektive, anhand welcher konkreten Aufgaben Sie die Eignung der Kandidaten überprüfen würden. Die Erfahrung zeigt, dass viele Teilnehmer mit ihrer Einschätzung oft relativ nahe an den dann tatsächlich durchgeführten Übungen liegen.

Beurteilung und Ergebnisfindung

»Wie kommt das Ergebnis in einem Assessment-Center zustande?«, oder: »Kann ich eine Übung, die schlecht gelaufen ist, mit einer anderen ausgleichen?« Solche Fragen werden mir häufig gestellt, doch sie lassen sich leider nicht mit einem Satz beantworten. Wie bereits in den vorhergehenden Abschnitten beschrieben, gibt es bestimmte Anforderungskriterien, die in einem Auswahlverfahren beurteilt werden sollen. Daraufhin werden verschiedene Aufgaben entwickelt, deren Konstrukteure der Meinung sind, dass sich daran die Erfüllung dieser Kriterien besonders gut erkennen lässt. Das komplette Assessment-Center wird dann in Form einer sogenannten Übungs-Kriterien-Matrix abgebildet, aus der ersichtlich ist, in welcher Aufgabe welche Anforderungskriterien überprüft werden. Diese Informationen sind Ihnen als Teilnehmer allerdings meist nicht zugänglich.

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In den unterschiedlichen Übungen werden ausschließlich vorgegebene Anforderungsdimensionen beobachtet und bewertet. Durch die Übungs-Kriterien-Matrix wird deutlich, dass ein Kriterium nicht nur über eine, sondern immer über mindestens zwei Aufgaben abgedeckt wird. Pro Übung werden in der Regel nicht mehr als fünf Anforderungskriterien beurteilt, da diese Zahl als kritische Obergrenze für die Erfassbarkeit gilt.

Erst beobachten, dann bewerten

Die Beobachter arbeiten nach dem Grundsatz: Erst beobachten und dann bewerten – Letzteres also erst nach Abschluss der Übung. Dazu werden als Hilfsmittel Beobachtungs- und Bewertungsbögen zur Verfügung gestellt. Am Beispiel der Aufgabe »Kurzpräsentation« aus der oben dargestellten Übungs-Kriterien-Matrix ist ersichtlich, dass damit die Kriterien »Souveränität« und »Überzeugungsfähigkeit« beurteilt werden sollen. Diese Begriffe sind allerdings noch sehr abstrakt und könnten von jedem anders interpretiert werden. Deshalb werden den Beobachtern mittels der Arbeitsbögen Unterkategorien, Operationalisierungen oder Beispiele vorgegeben, an denen sie die Erfüllung der Anforderungsdimension festmachen können. Darüber hinaus würde man im Rahmen des Beobachtertrainings die Assessoren darauf schulen, wie sie erkennen können, ob und inwieweit die erwünschten Anforderungen erfüllt sind.

BEOBACHTUNGSBOGEN KURZPRÄSENTATION

Teilnehmer/in:

Michael Müller

Beobachter/in:

Renate Holzmann

Beobachten Sie den Teilnehmer während der Kurzpräsentation hinsichtlich der vorgegebenen Unterkategorien und notieren Sie Ihre Beobachtungen unmittelbar (stichpunktartig).

BEOBACHTUNGEN ZUR SOUVERÄNITÄT IN DER KURZPRÄSENTATION

Blickkontakt:

 

Stimme:
Tempo, Lautstärke, Anzeichen von Nervosität?

 

 

Stand/Position:
Evtl. Bewegung im Raum? Aktionsradius?

 

 

Gestik/Haltung der Hände:

 

Reaktion auf Fragen:

 

Sonstige Beobachtungen in Bezug auf die Souveränität:

 

BEOBACHTUNGEN ZUR ÜBERZEUGUNGSFÄHIGKEIT IN DER KURZPRÄSENTATION

Argumentation:

 

Sprache:
Zielgruppengerecht? Aktiv oder passiv?
Häufig im Konjunktiv?
Beispiele und Metaphern?

 

Medieneinsatz / Visualisierung:

 

Einwandbehandlung:

 

Sonstige Beobachtungen in Bezug auf die Überzeugungsfähigkeit:

 

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Zur Vereinfachung möchte ich die weitere Betrachtung auf ein Kriterium, nämlich die Souveränität, beschränken. Diese wird anhand der Kurzpräsentation auf einer Skala von eins bis fünf von mindestens zwei Beobachtern unabhängig voneinander bewertet. Wie aus der Übungs-Kriterien-Matrix ersichtlich ist, wird diese Anforderungsdimension außerdem im Mitarbeitergespräch beurteilt. Dort wird der Teilnehmer im Idealfall auf andere Beobachter treffen, welche neben weiteren Kriterien ebenfalls seine Souveränität einschätzen. Da es sich beim Mitarbeitergespräch um einen anderen Aufgabentyp handelt, werden die Unterkategorien bzw. Operationalisierungen auf den Beobachtungs- und Bewertungsbögen speziell darauf ausgerichtet sein. Damit sind die Beurteilungen mit denen aus der Aufgabe »Kurzpräsentation« nicht direkt vergleichbar.

Zur Anforderungsdimension »Souveränität« kann am Ende des Assessment-Centers für den Kandidaten Michael Müller nun das Gesamtergebnis ermittelt werden. Dazu wird aus den Ergebnissen der Bewertungsbögen der einzelnen Beobachter aus den beiden relevanten Aufgaben (Kurzpräsentation, Mitarbeitergespräch) der Durchschnitt gebildet.

Beispiel

ERGEBNIS FÜR DIE ANFORDERUNGSDIMENSION SOUVERÄNITÄT

Teilnehmer: Michael Müller

Beobachter/in

Aufgabe

Bewertung auf der Zahlenskala

Holzmann

Kurzpräsentation

5

Schreiber

Kurzpräsentation

4

Grünwald

Mitarbeitergespräch

2

Koch

Mitarbeitergespräch

4

Gesamtergebnis Ø Ist-Wert

 

3,75

Soll (Mindestanforderung)

 

3,50

Definition eines Mindestwerts

Wenn das Assessment-Center zum Ziel hat, pro Kandidat ein Ergebnis im Sinne von »bestanden« oder »nicht bestanden« zu ermitteln, wird man vorab für jedes Kriterium einen bestimmten Mindestwert definieren. Nehmen wir an, das Unternehmen hätte für die Anforderungsdimension »Souveränität« als Untergrenze 3,50 festgelegt. Herr Müller hätte dann in diesem Bereich die Anforderungen – wenn auch relativ knapp – erfüllt.

In vielen Assessment-Centern sind die Bewertungsmechanismen als K.-o.-System aufgebaut. Wenn also die Mindestanforderung für ein Kriterium nicht erfüllt wird, gilt das komplette Assessment-Center als nicht bestanden. Hätte Herr Müller im obigen Rechenbeispiel einen Durchschnitt von 3,0 erreicht, könnte er dies auch nicht mit positiven Ergebnissen anderer Anforderungsdimensionen ausgleichen. Er würde das Assessment-Center nicht bestehen.

Die hier beschriebene Vorgehensweise unterstellt, dass die Ermittlung des Ergebnisses rein rechnerisch erfolgt. Auf manche Assessment-Center mag dies zutreffen, bei den meisten ist dies lediglich die erste Stufe der Urteilsfindung. Im nächsten Schritt werden dann widersprüchliche Einzelergebnisse in der Beobachterkonferenz diskutiert. In unserem Beispiel könnte man hinterfragen, aufgrund welcher Eindrücke im Mitarbeitergespräch die Assessoren Grünwald und Koch zu ihrer unterschiedlichen Bewertung der Souveränität gelangten. Die Beobachterkonferenz wird also oft als Kontrollinstanz genutzt, um das Zustandekommen stark voneinander abweichender Einzelergebnisse zu überprüfen und über Ergebnisse zu diskutieren, die sich im Grenzbereich bewegen.

Beurteilung ist keine Kaffeesatzleserei

Die Kenntnis über das Beurteilungssystem eines Assessment-Centers wird Ihnen noch keinen unmittelbaren Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ich möchte Sie auch keinesfalls zu taktischen Überlegungen nach dem Motto »Da ich bei Präsentationen meistens nervös wirke, werde ich versuchen, besonders im Mitarbeitergespräch durch Sicherheit zu überzeugen.« ermutigen. Von solchen Manövern rate ich dringend ab, da dieses Taktieren oft so viel Energie und Aufmerksamkeit bindet, dass sie Ihnen womöglich bei der Bearbeitung der eigentlichen Arbeitsaufträge fehlen. Viel wichtiger ist mir dagegen, Ihnen einen Eindruck davon zu vermitteln, welche Prozesse im Hintergrund dieses Auswahlverfahrens ablaufen. Denn die Einstellung – die viele Ratgeber suggerieren –, das Ergebnis eines Assessment-Centers entstehe durch Kaffeesatzleserei, halte ich für nicht besonders förderlich, um sich auf dieses Verfahren vorzubereiten.

Hinweis

1.Bei dem hier vorgestellten Bewertungssystem handelt es sich um ein reales Beispiel aus einem Großunternehmen, das zur Verdeutlichung eines verbreiteten Auswertungsprozesses dienen soll. Das bedeutet nicht, dass zwangsläufig in allen Organisationen nach diesem Ansatz gearbeitet wird.

2.Auch wenn in Ihrem Assessment-Center eventuell ähnliche Übungen stattfinden, sollten Sie berücksichtigen, dass damit auch ganz andere Beurteilungskriterien als die hier dargestellten bewertet werden können.

Next Generation und Online-Assessments

Was werden die nächsten Entwicklungsschritte sein und wie wird das Assessment-Center der Zukunft aussehen? Dies sind Fragen, die nicht nur für mich beruflich interessant sind, sondern möglicherweise genauso für Sie. Denn haben Sie erst einmal ein Assessment-Center absolviert, werden Sie in Ihrem Berufsleben rein statistisch gesehen mehrfach mit diesem Auswahlverfahren konfrontiert werden. Ich berate seit etwa 20 Jahren AC-Teilnehmer und erlebe nun bereits die zweite und dritte Generation. Damit meine ich Klienten, die vor geraumer Zeit ein Training besuchten, um ihr erstes Assessment-Center zu meistern, und nach mehreren Jahren wiederkommen, um sich erneut vorzubereiten. Angefangen von Umstrukturierungsmaßnahmen, der Bewerbung für die nächste Hierarchieebene bis hin zu einer beruflichen Neuorientierung können die Anlässe für die nächste AC-Runde vielfältig sein. Eines ist deshalb fast sicher: Das nächste Assessment-Center kommt bestimmt – sofern Sie sich nicht kurz vor der Pensionierung befinden.

Kompakte Formate statt Mammut-Verfahren

Lange Verfahren sind teuer

Recherchiert man nach einer Definition für Assessment-Center, so stößt man häufig auf Beschreibungen wie: »Es handelt sich um ein mehrtägiges eignungsdiagnostisches Verfahren.« Dies traf vor einigen Jahren noch zu, als Assessment-Center tatsächlich fast überall über zwei bis drei Tage liefen. Zwischenzeitlich kann man beobachten, dass die Ein-Tages-Variante immer mehr Einzug hält. Der Hauptgrund dürfte wohl im besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis liegen. Als Beobachter fungieren oft Führungskräfte, deren Zeit knapp und teuer ist. Eintägige Verfahren lassen sich deshalb deutlich günstiger realisieren – und das ohne signifikante Qualitätseinbußen. Neben der Einsparung von Arbeitszeit entfallen als weiterer Kostenblock die Hotel-übernachtungen für die Beteiligten. Darüber hinaus verzichten manche Unternehmen bei dieser Variante komplett auf ein Seminarhotel und führen das Assessment-Center kurzerhand im eigenen Haus durch. In Zeiten knapper Kassen erfreut sich diese Vorgehensweise immer größerer Beliebtheit.

Weniger Zeit für die Aufgaben

Wie wirkt sich dieser Trend auf Sie als Teilnehmer aus? Wird auf Übernachtungen verzichtet und die Veranstaltung direkt im Unternehmen durchgeführt, erhöht dies die Flexibilität der Veranstalter. Dadurch können Einladungen noch kurzfristiger ausgesprochen werden, was für Sie wiederum weniger Vorbereitungszeit bedeutet. Außerdem beeinflusst die Gesamtdauer das Zeitbudget für die einzelnen Aufgaben – die dadurch tendenziell kürzer werden. Im mehrtägigen Assessment-Center könnten beispielsweise für eine Selbstpräsentation durchaus zehn bis 15 Minuten vorgegeben sein. In einem eintägigen Verfahren ist die Wahrscheinlichkeit dafür gering. Hier arbeiten die Veranstalter mit kürzeren Varianten und würden für diese Aufgabe vorzugsweise einen Zeitrahmen von zwei bis fünf Minuten veranschlagen.

Sie müssen damit rechnen, dass der Zeitplan noch enger getaktet ist, Pausenzeiten auf ein Minimum reduziert sind und dadurch der Leistungsdruck punktuell noch höher wird, als er ohnehin schon ist. Dennoch empfinden viele Kandidaten ein eintägiges Assessment-Center als emotional weniger belastend – wenn auch nicht als weniger anspruchsvoll. Ich gehe davon aus, dass diese Kompaktformate in den nächsten Jahren weiterhin zunehmen und die mehrtägigen Verfahren immer weniger zum Einsatz kommen werden.

Aufgabenübergreifender Kontext

Die Coverstory

Gab es in der Vergangenheit meist isolierte Aufgabenstellungen – jeweils mit eigener Ausgangssituation –, arbeiten heute immer mehr Veranstalter mit einem aufgabenübergreifenden Kontext, der für das komplette Assessment-Center gilt. Anstatt sich bei jeder Aufgabe in eine neue Rahmenhandlung hineinversetzen zu müssen, agiert der Teilnehmer bei allen Arbeitsaufträgen aus derselben Position innerhalb einer fiktiven Organisation. Die Kandidaten erhalten zu Beginn Gelegenheit, sich in ihre Rolle mittels einer sogenannten »Coverstory« einzuarbeiten. Darin werden Position, Verantwortungsbereich, Mitarbeiter, Organigramm und die Besonderheiten des Unternehmens bzw. der Institution dargestellt. Dabei wird eine Situation konstruiert, die der des eigenen Unternehmens nicht unbedingt eins zu eins entspricht. Es ist sogar möglich, dass die Rahmenhandlung in einer für sie fremden Branche spielt. Durch diese Verfremdung soll einerseits für alle der gleiche Schwierigkeitsgrad gewährleistet und andererseits eine zusätzliche Herausforderung erzeugt werden, da sich die Teilnehmer aus ihrer Komfortzone – also ihrem gewohnten Arbeitsumfeld – herausbegeben müssen. Dennoch findet man bei genauerer Betrachtung meist bestimmte Parallelen zum realen Arbeitgeber. Größe, Organisationsstruktur, wirtschaftliche Lage und Unternehmenskultur sind oft vergleichbar.

Beliebt ist in diesem Zusammenhang, als Ausgangssituation den ersten Arbeitstag in der neuen Position zu wählen. Die einzelnen Aufgaben sind so in den Kontext eingebettet, dass der Kandidat an seinem neuen Arbeitsplatz nun eine Reihe von Herausforderungen lösen muss. Das könnten zum Beispiel ein wichtiger Besprechungstermin (Gruppendiskussion), ein Gespräch mit einem unzufriedenen Mitarbeiter (Rollenspiel), die Ausarbeitung einer Vorstandspräsentation (Fallstudie) sowie die Terminkoordination für die nächsten Wochen (Postkorb) sein. Dadurch gelingt es, die AC-Aufgaben praxisnaher zu gestalten, auch wenn es natürlich nicht ganz realistisch ist, dass bereits am ersten Arbeitstag so schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden müssen.

Verknüpfung der Aufgaben

Manchmal werden einzelne Elemente so miteinander verknüpft, dass Informationen, die Sie aus einzelnen Übungen gewonnen haben, im