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Sandy Rogers | Leena Rinne | Shawn Moon

Loyalität gewinnen

Mit Empathie, Verantwortung und Großzügigkeit zu wertvollen Beziehungen im Team und mit den Kunden

Aus dem Amerikanischen
von Nikolas Bertheau

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© 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

© Das E-Book basiert auf dem 2020 erschienenen Buchtitel »Loyalität gewinnen. Mit Empathie, Verantwortung und Großzügigkeit zu wertvollen Beziehungen im Team und mit den Kunden« von Sandy Rogers, Leena Rinne, Shawn Moon ©2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Die amerikanische Originalausgabe »Leading Loyality: Ceacking the Code to Customer Devotion« erschien 2019 bei HarperCollins New York, USA.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-967-9

ISBN ePUB: 978-3-95623-924-3

Lektorat: Claudia Franz, Oberstaufen | info@text-it.org

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Titelgrafik: Mel Wise / Salt Lake City, USA

Autorenfoto: FranklinCovey

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Inhalt

Vorwort

Wichtiger Hinweis der Autoren

I.TEIL: LOYALITÄT GEWINNEN: DIE GRUNDLAGEN

Intro: Der Faktor Mensch

1.Kapitel: Werden Sie Loyalty Leader

II.TEIL: DAS PRINZIP DER EMPATHIE

2.Kapitel: Warum Empathie?

3.Kapitel: Stellen Sie eine echte menschliche Verbindung her

4.Kapitel: Hören Sie die »wahre« Geschichte, die sich hinter den bloßen Worten verbirgt

III.TEIL: DAS PRINZIP DER VERANTWORTUNG

5.Kapitel: Warum Verantwortung?

6.Kapitel: Finden Sie heraus, wie Sie anderen wirklich helfen können

7.Kapitel: Bleiben Sie dran, bis der andere hat, was er tatsächlich braucht

IV.TEIL: DAS PRINZIP DER GROSSZÜGIGKEIT

8.Kapitel: Warum Großzügigkeit?

9.Kapitel: Teilen Sie Wissen und Erfahrung

10.Kapitel: Gehen Sie die Extra-Meile und überraschen Sie andere

V.TEIL: LOYALITÄT IN DER PRAXIS

11.Kapitel: Ihr Vermächtnis als Loyalty Leader

12.Kapitel: Loyalität im Team und in der Organisation

Anmerkungen

Index

Die Autoren

Über FranklinCovey

Über FranklinCovey im deutschsprachigen Raum

Vorwort

In der Welt von heute rückt alles immer enger zusammen. Alles lässt sich mit allem vergleichen. Die Kunden wechseln mit wenigen Klicks den Anbieter und ändern ihre Kaufentscheidung aufgrund einer einzigen Online-Bewertung. Kein Wunder, dass es für die meisten Unternehmen immer schwerer wird, treue Kunden zu gewinnen. Um die Kunden doch noch irgendwie von sich zu überzeugen, unterbieten sich die Anbieter im Preis oder überschütten Interessenten mit Lockangeboten. Viele entwickeln aufwendige Bonussysteme und Treueprogramme. Die Wirkung ist meist nur gering und von kurzer Dauer. Vielleicht können sie damit den einen oder anderen überreden, sein Kaufverhalten vorübergehend zu ändern. Aber sobald ein konkurrierender Anbieter mit einem ähnlichen Programm nachzieht, sind die meisten Kunden ganz schnell wieder weg. Kundentreue oder Loyalität, wie es neudeutsch heißt, gibt es so jedenfalls nicht!

In den letzten dreißig Jahren hat FranklinCovey Tausende von Unternehmen aus aller Welt dabei unterstützt, Kunden langfristig zu binden. Zudem hat FranklinCovey 1700 Organisationen eingehend analysiert. Dabei haben wir drei wesentliche Unterscheidungsmerkmale ermittelt, die Unternehmen mit einem weit überdurchschnittlichen Loyalitätsfaktor von ihren Wettbewerbern abheben. Welche das sind?

1.Unternehmen mit überdurchschnittlichem Loyalitätsfaktor setzen die Messlatte für das, was sie unter »loyalen Kunden« verstehen, deutlich höher an als andere. Oder um es mit den Worten des bekannten Basketballtrainers Adolph Rupp zu sagen: »Immer, wenn du jemanden auf dem Gipfel eines Berges stehen siehst, kannst du sicher sein, dass er es nicht durch Zufall bis ganz nach oben geschafft hat.« Unternehmen, die den »Gipfel« der Loyalität erreicht haben, begnügen sich nicht mit »zufriedenen« Kunden. Vielmehr machen sie echte Loyalität zum Maßstab ihres Erfolgs. Studien belegen: Es gibt etliche Organisationen, die sich mit »95 Prozent zufriedene Kunden« rühmen. Doch allzu oft haben sie nur einen kleinen Anteil von wirklich »loyalen« Kunden. Das heißt: Nur wenige Kunden sind so zufrieden, dass sie das Unternehmen auch bei künftigen Kaufentscheidungen bevorzugt berücksichtigen würden.

Zutreffender wäre es, wenn diese Organisationen von sich behaupten würden: »95 Prozent unserer Kunden sind nicht ausdrücklich unzufrieden!« Der Unterschied ist gewaltig. Es ist eine Sache, zu versuchen, Kunden nicht zu enttäuschen. Aber es ist etwas ganz anderes, Kunden zu begeistern und ihre Loyalität zu gewinnen. Echte Loyalität ist ein tiefes Gefühl der Verbundenheit. Das sehen wir nur bei Kunden, die eine regelrechte Leidenschaft für die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens an den Tag legen.

Loyale Kunden bleiben Ihrem Unternehmen treu. Sie kaufen immer wieder bei Ihnen. Zudem empfehlen loyale Kunden Ihr Unternehmen weiter. Darüber hinaus sind sie bereit, Ihnen auch mal einen Fehler zu verzeihen. Unsere Studien zeigen: Kunden, die sich einem Unternehmen eng verbunden fühlen, sind für den profitabelsten und verlässlichsten Teil des Umsatzes verantwortlich. Sie bilden das strategische Fundament jedes erfolgreichen Unternehmens. Doch loyale Kunden fallen Ihrem Unternehmen nicht einfach so in den Schoß. Im Gegenteil: Sie müssen eine ganze Menge dafür tun, um sich diese Loyalität zu »verdienen«. Ihr Engagement entscheidet, ob Ihre Kunden sich Ihrem Unternehmen stark verbunden fühlen oder ob sie lediglich nicht unzufrieden sind.

2.Unternehmen mit einem hohen Loyalitätsfaktor wissen: Kunden entwickeln nur dann eine tiefe emotionale Bindung zu einem Unternehmen, wenn es gelingt, eine starke »Nähe« über menschliche Schnittstellen aufzubauen – sei es von Angesicht zu Angesicht, am Telefon oder digital. Wir alle haben Familienangehörige, Freunde oder Unternehmen, denen wir uns besonders eng verbunden fühlen. Woher kommt diese Loyalität? Sie beruht darauf, wie andere sich uns gegenüber verhalten. Unternehmen mit einem hohen Loyalitätsfaktor gehen den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Kunden genau auf den Grund. Sie sind empathisch und fühlen sich in ihre Kunden ein. Ihre oberste Aufgabe sehen sie darin, ihren Kunden wirklich zu helfen. Und: Sie sind »großzügig«. Das heißt: Sie bieten ihren Kunden immer etwas mehr, als sie eigentlich erwarten.

3.Drittens sind Unternehmen mit einem hohen Loyalitätsfaktor in der Lage, die Kunden weitaus mehr zu begeistern als der Wettbewerb. Unsere Studien belegen: Selbst in leistungsschwachen Unternehmen gibt es einzelne Abteilungen, Niederlassungen, Führungskräfte oder Mitarbeiter, die Kunden begeistern. Umgekehrt ist keine Organisation perfekt. Auch in Unternehmen mit einer weit überdurchschnittlichen Kundenbindung treten immer wieder Leistungsschwankungen auf. Das gilt ganz besonders im Hinblick auf die Servicequalität. Doch was macht dann den entscheidenden Unterschied? Ganz einfach: Unternehmen mit einem hohen Loyalitätsfaktor sorgen dafür, dass Maßnahmen und Verhaltensweisen, die die Kundenbindung stärken, von allen Mitarbeitern konsequent umgesetzt werden. Der Schlüssel dazu sind die Führungskräfte. Sie müssen die Grundprinzipien der Loyalität verinnerlicht haben. Nur so können sie diese Prinzipien authentisch vorleben und an alle Mitarbeiter weitergeben.

Aber wie schaffen Sie es, die drei oben genannten Kennzeichen von Unternehmen mit einem überdurchschnittlich hohen Loyalitätsfaktor fest in Ihrer Organisation zu verankern? Dieses Buch weist Ihnen den Weg. Ob im Beruf oder im Privatleben: Wir zeigen Ihnen, wie Sie Loyalität aufbauen. Eins sollte Ihnen dabei immer bewusst sein: Sie können andere nur an die Prinzipien der Loyalität heranführen, wenn Sie selbst wirklich gut damit vertraut sind.

Auf den folgenden Seiten werden Sie sehen, dass wir dieses Buch für zwei Gruppen von Lesern geschrieben haben:

1.Dieses Buch ist für Leserinnen und Leser, die direkten Kundenkontakt haben. Arbeiten Sie in einem Call-Center, in einem Ladengeschäft oder an einem Serviceschalter? Oder sind Sie in der Finanz-, Vertriebs-, Marketing- oder IT-Abteilung tätig? Egal, was Sie tun und in welcher Branche Sie beschäftigt sind: Ihr Verhalten hat immer direkten Einfluss auf die Loyalität der Kunden. Und: Die Loyalität Ihrer Kunden ist der entscheidende Faktor für den Erfolg Ihres Unternehmens.

2.Dieses Buch ist für Führungskräfte. Als Führungskraft können Sie eine Unternehmenskultur schaffen, die Loyalität zuverlässig fördert. Wie das geht? Zunächst sollten Sie sich intensiv mit den hier beschriebenen Prinzipien und Verhaltensweisen beschäftigen. Es ist wichtig, dass Sie alles verstehen und verinnerlichen. Anschließend sollten Sie dafür sorgen, dass alle in Ihrem Unternehmen die Prinzipien und Verhaltensweisen, die Loyalität schaffen, konsequent und gewissenhaft umsetzen. Dazu finden Sie in diesem Buch elf Anleitungen für Teamrunden – so genannte »Huddles«. Die elf Huddles sind ein bewährtes Instrument, um die Kundenloyalität zu steigern. Mithilfe der Huddles können Sie Ihren Mitarbeitern die Fähigkeiten und Werkzeuge zum Aufbau von Loyalität anschaulich und in kurzer Zeit vermitteln.

Ob geschäftlich oder privat: Die hier vorgestellten Prinzipien helfen Ihnen, ein besseres Gespür dafür zu bekommen, wie Sie in anderen Loyalität wecken. Schritt für Schritt lernen Sie, wie Sie ein Unternehmen aufbauen, das die Kundenbindung kontinuierlich verbessert.

Wichtiger Hinweis der Autoren

Darüber, wie wichtig es ist, »loyale« Kunden zu gewinnen und ihre »Loyalität« zu hegen und zu pflegen, wurde schon viel geschrieben. Warum also dieses Buch? Was ist anders? Für uns ist der Unterschied klar: Unser Buch beschäftigt sich nicht nur theoretisch mit den Vorteilen eines loyalen Kundenstamms. Im Gegenteil: Hier dreht sich alles um die Praxis. Das Buch gibt Ihnen bewährte Werkzeuge an die Hand, mit denen Sie bei Ihren Kunden eine enge Bindung an Ihr Unternehmen aufbauen können. Dabei geht es um eine starke, emotionale Verbundenheit, die auf einem positiv erlebten menschlichen Miteinander basiert.

Natürlich können die unterschiedlichsten Kundenkontakte die Loyalität positiv beeinflussen. Aus unseren Studien, unserer praktischen Arbeit und den Erfahrungen unserer Kunden und Kollegen haben wir jedoch etwas sehr Wesentliches gelernt: Echte, nachhaltige Loyalität kann man nur durch das synergetische Zusammenspiel der drei Loyalitätsprinzipien aus diesem Buch schaffen. Wie Sie diese drei Prinzipien erfolgreich anwenden? Zuerst sollten Sie »Loyality Leader« werden. Das heißt: Sie sollten denken und handeln wie ein wahrer Loyalitäts-Champion. Danach gilt es, die jedem Prinzip zugeordneten grundlegenden Verhaltensweisen in die Praxis umsetzen. Hier sehen Sie die einzelnen Schritte im Überblick:

Werden Sie Loyalty Leader

Sie gewinnen die Loyalität anderer, indem Sie ihnen mit Empathie begegnen, ihre Bedürfnisse erfüllen und sich großzügig zeigen.

image Erstes Prinzip der Loyalität: Empathie

Empathie bedeutet, dass Sie sich durch folgende grundlegende Verhaltensweisen auszeichnen:

Sie stellen eine echte menschliche Verbindung zu anderen her.

Sie hören die wahre Geschichte, die sich hinter den bloßen Worten verbirgt.

image Zweites Prinzip der Loyalität: Verantwortung

Verantwortung bedeutet, dass Sie sich wie folgt verhalten:

Sie finden heraus, wie Sie dem anderen wirklich helfen können.

Sie bleiben dran, bis der andere hat, was er tatsächlich braucht.

image Drittes Prinzip der Loyalität: Großzügigkeit

Großzügigkeit bedeutet, dass Sie Folgendes tun:

Sie teilen Ihr Wissen und Ihre Erfahrung.

Sie gehen die Extra-Meile und überraschen andere.

Ganz gleich, welchen Beruf Sie ausüben und wo Sie arbeiten: Sie haben immer Kunden. Und die Loyalität Ihrer Kunden ist entscheidend für Ihren Erfolg. Haben Sie als Führungskraft die Aufgabe, die Loyalität quer durch Ihr Unternehmen zu steigern? Dann sollten Sie sich an den Kundenbeispielen in diesem Buch orientieren. Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern, Kollegen und Geschäftspartnern die dort beschriebenen Prinzipien und Verhaltensweisen. Wie das am besten geht? In jedem Kapitel finden Sie bewährte Praxistipps. Diese Tipps helfen Ihnen, die drei Prinzipien der Loyalität in Ihrem Einfluss- und Zuständigkeitsbereich erfolgreich umzusetzen.

Dieses Buch gibt Ihnen Antworten auf sehr wichtige Fragen:

Warum ist Loyalität heutzutage unerlässlich?

Wem obliegt es zuallererst, Loyalität zu schaffen?

Wie gewinnen Sie die Loyalität Ihrer Mitarbeiter und Kunden?

Wie können Sie ein loyalitätsschaffendes Verhalten fest in Ihrem Unternehmen verankern und immer weiter fördern?

Unabhängig davon, ob Sie Mitarbeiterverantwortung tragen oder nicht: Sobald Sie denken und handeln wie ein wahrer Loyalitäts-Champion, werden Kunden und Kollegen Sie nicht nur mögen, sondern geradezu lieben. Lieben?! Ja, wir sprechen hier bewusst von lieben. Damit wollen wir die Intensität des Verbundenheitsgefühls unterstreichen, das loyale Kunden auszeichnet. Denn darum geht es bei echter Loyalität. Es liegt uns sehr am Herzen, dass Sie Kunden gewinnen, die sich Ihrem Unternehmen wahrhaft verbunden fühlen.

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Loyalität gewinnen: Die Grundlagen

Intro

Der Faktor Mensch

Wir sind in einem Vorort am Rande einer Großstadt. An einer Durchgangsstraße stehen direkt nebeneinander zwei große Kaufhäuser. Das Angebot ist identisch: Lebensmittel, Kleidung, Bücher, Unterhaltungselektronik, Medikamente, Spielzeug, ja sogar Möbel. Die Läden sind fast gleich groß und die Parkplätze unterscheiden sich kaum – gleicher Ort, gleiche Fläche, gleiches Produktsortiment. Und doch läuft das eine Kaufhaus extrem gut, während das andere sich gerade so über Wasser halten kann. Was geht hier vor?

Wir fragen die Manager von Kaufhaus Nr. 2, weshalb ihr Laden praktisch menschenleer ist. Sie sind um Antworten nicht verlegen: »Es liegt an Amazon, an den Online-Shops. Die treiben stationäre Geschäfte wie unseres in den Ruin. Überall machen Einkaufszentren dicht. Zudem findet man keine guten Mitarbeiter. Die Millennials, die heute etwa 20- bis 40-Jährigen, haben keine Arbeitsmoral. Die Chefs setzen zu sehr auf Rabatte und zu wenig auf Reklame und Werbung …«

Doch nebenan in Kaufhaus Nr. 1 brummt das Geschäft. Was machen die anders? Wir haben uns die beiden Läden einmal näher angeschaut:

In Warenhaus Nr. 2 ist es still. Die einzige Kassiererin lehnt gegen die Theke. Sie hat Kopfhörer auf und macht einen gelangweilten Eindruck. Ein paar Kunden stöbern in den Auslagen und versuchen, die winzigen Preisschildchen zu entziffern. Eine Frau, die etwas zurückgeben will, steuert auf einen Schalter mit der Aufschrift »Kundenservice« zu. Doch niemand kümmert sich um sie. Sie sieht sich immer wieder um. Tritt von einem Fuß auf den anderen. Keiner bemerkt sie. Schließlich ruft sie: »Hallo, ist da wer?« Eine gefühlte Ewigkeit später schlürft ein mürrisch dreinblickender Mann aus einem Nebenraum. »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragt er kaum hörbar.

Und wie sieht es in Warenhaus Nr. 1 aus? Zielstrebig strömen die Kunden herein. Ein extra hierfür abgestellter Mitarbeiter begrüßt sie, beantwortet ihre Fragen und weist ihnen den Weg in die verschiedenen Abteilungen. Große Schilder zeigen die Preise an. Die Mitarbeiter machen einen sehr motivierten Eindruck. Alle tragen blaue Westen und gehen offen und freundlich auf die Kunden zu. Sie bedienen die Kunden, beantworten ihre Fragen und lachen mit ihnen. Ein Mann steht unentschlossen vor den heruntergesetzten Blumensträußen. Ein Mitarbeiter kommt zu ihm und sagt: »Ich habe gerade frische Sträuße hereingebracht. Sie sind gleich dort um die Ecke.« Der Kunde lächelt, als der Mitarbeiter ihn zu den Blumen führt.

An einem großen Stand mitten im Laden werden den Kunden leckere Probierhäppchen mit Räucherschinken, spanischem Käse und in Trüffelöl gebratenen Kartoffelbällchen angeboten. Am Servicepoint gibt eine Kundin ein Produkt zurück. Sie entschuldigt sich. Der nette Mitarbeiter hinterm Tresen nimmt die Ware anstandslos entgegen. Er stellt keine Fragen und will auch keinen Kaufbeleg sehen. Er dankt der Kundin für ihre Mühe und wünscht ihr mit einem ehrlichen Lächeln einen guten Tag.

Warenhaus Nr. 1 ist eine Filiale von Costco. Das bekannte Finanz- und Wirtschaftsmagazin Barron’s schreibt über Costco: Das Unternehmen erfreut sich »leidenschaftlicher Loyalität von Kunden und Mitarbeitern und belohnt seine langfristigen Investoren«.1

Wissen Sie, wie hoch im Einzelhandel die Wahrscheinlichkeit ist, dass auf Stundenbasis bezahlte Mitarbeiter nach einem Jahr noch für dasselbe Unternehmen arbeiten? Es sind lediglich 45 Prozent. Bei Costco dagegen beträgt sie sage und schreibe 94 Prozent.2 Auch die Kunden von Costco sind extrem treu. Das Besondere dabei? Costco agiert als Klub, bei dem die Kunden jährlich einen Mitgliedsbeitrag zahlen. 91 Prozent der Costco-Kunden verlängern jedes Jahr ihre Mitgliedschaft. Das macht Costco zum »weltweiten Rekordhalter in Sachen Kundenloyalität«.

Einer unserer Klienten erwähnte, dass er und seine Frau jeden Samstag zu Costco gingen. »Warum?«, fragten wir. Er antwortete: »Weil ich dort alle meine Bekannten sehe.« Costco ist für ihn und seine Freunde zum bevorzugten Treffpunkt geworden – was für ein schönes Bild für wahre Kundenloyalität!

Wie schafft es Costco in einer Branche mit notorisch unzufriedenen Mitarbeitern, seine Leute so gut bei Laune zu halten? Wie konnte das Unternehmen eine Loyalitätskultur aufbauen, die sich in fast jeder Begegnung von Mitarbeitern und Kunden positiv bemerkbar macht? Die Antwort ist einfach: Costco hat so viele loyale Kunden, weil im gesamten Unternehmen Loyalität groß geschrieben wird. Die drei Kernprinzipien der Loyalität werden bei Costco von allen konsequent beherzigt. Empathie, Verantwortung und Großzügigkeit gegenüber der Belegschaft sind eine Selbstverständlichkeit. Beispielsweise wird den Mitarbeitern mehr als das Doppelte des branchenüblichen Lohns gezahlt. Zudem kommen sie in den Genuss vieler weiterer Extra-Leistungen. Deshalb wurden an der Wall Street Stimmen laut, dass die »übertrieben großzügige« Behandlung der Mitarbeiter bei Costco womöglich zulasten der Rendite für die Anteilseigner gehen könne. Daraufhin erwiderte Costco-Gründer Jim Sinegal: »Es ist uns wichtig, dass es unseren Kunden und unseren Mitarbeitern gut geht und dass unsere Zulieferer fair und respektvoll behandelt werden. Wir sind überzeugt, dass auch unsere Anteilseigner davon profitieren.«3 Und das tun sie tatsächlich. Hätten Sie 1985 beim Börsengang von Costco 1000 US-Dollar in das Unternehmen gesteckt, wäre Ihre Investition 2018 rund 100 000 US-Dollar wert gewesen!

Aber wie kann Costco in einer Zeit, in der der Online-Handel geradezu explodiert, Jahr für Jahr um etwa 40 Prozent zulegen? Warum geht es dem Unternehmen, das mit denselben Herausforderungen zu kämpfen hat wie unser Warenhaus Nr. 2, so gut? Costco fördert die Loyalität von Mitarbeitern und Kunden ganz gezielt. Ob Einzelhändler, Restaurants, Maklerbüros, Autovermietungen, Unternehmensdienstleister oder Schulen und Krankenhäuser: Genau das tun auch viele weitere Loyalitäts-Champions. Und sie alle haben eins gemeinsam: Ihre Kunden und Mitarbeiter wären untröstlich, wenn es diese Unternehmen auf einmal nicht mehr gäbe.

Die drei Prinzipien der Loyalität gelten in allen Branchen gleichermaßen. Wir sehen sie bei allen Unternehmen und Organisationen, die sich sowohl durch besonders loyale Kunden als auch durch besonders loyale Mitarbeiter auszeichnen.

Der Autor und Forscher Seth Godin unterscheidet zwei Arten von »Treue«. Da ist zum einen die Treue aus reiner Bequemlichkeit: »Ich schaue mich mal ein bisschen um, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich etwas Neues ausprobiere, ist gering. Ein Wechsel ist riskant und zeitraubend. Dabei kann ich Fehler machen, meine Vielfliegermeilen verlieren und in Rechtfertigungsnot kommen, warum ich mich so und nicht anders entschieden habe.« Treue aus Bequemlichkeit beruht auf Gewohnheit: Wir können täglich denselben Bus nehmen und dennoch das Busunternehmen schrecklich finden. Einer unserer Klienten sagt immer: »Bequemlichkeit ist nicht gleich Loyalität!«

Die zweite Art von Treue ist wahre Loyalität. Die beschreibt Godin so: »Ich schaue mich nicht anderswo um, und ich habe auch kein Interesse daran, mich anderswo umzuschauen.« Das ist die Treue von jemandem, der gar nicht wissen will, ob es woanders möglicherweise bessere oder günstigere Angebote gibt. Diese Form der Loyalität basiert nicht auf Bequemlichkeit, sondern auf emotionaler Verbundenheit. Vielleicht geht es Ihnen bei Ihrer Lieblingsmarke oder bei Ihrem Lieblingsanbieter ja genauso? Rabatte und Treueprogramm sind schnell aufgesetzt und führen möglicherweise zum einen oder anderen Wiederholungskauf. Aber sie allein schaffen noch keine emotionale Nähe. Doch genau das ist das Markenzeichen echter Loyalität.

Angenommen, Sie essen in einem Restaurant und finden ein Haar in Ihrer Suppe. Wie reagieren Sie darauf? Das hängt maßgeblich davon ab, wie loyal Sie dem Restaurant gegenüber eingestellt sind: Wenn es Ihr erster Besuch ist oder Sie aus reiner Bequemlichkeit hier sind, könnten Sie sich beschweren und um einen neuen Teller Suppe bitten. Oder Sie stehen einfach auf und gehen.

Wenn es nicht die erste negative Erfahrung mit diesem Restaurant ist, reagieren Sie womöglich ziemlich emotional: »Das ist ekelhaft! Hierher werde ich nie wieder kommen. Natürlich werde ich überall herumerzählen, wie schrecklich Ihr Restaurant ist. Darauf können Sie sich verlassen!« Vielleicht machen Sie ein Foto von der haarigen Suppe, posten es auf Facebook oder auf Instagram und sorgen so dafür, dass es möglichst viele Leute sehen.

Und was ist, wenn Sie in diesem Restaurant Stammgast sind? Man kennt Ihre Vorlieben und tut alles dafür, dass Sie sich rundum wohlfühlen. Sie haben schon vielen von Ihrem Lieblingsrestaurant vorgeschwärmt und Ihre Familie und Ihre Freunde oft hierhergebracht. Noch nie wurden Sie enttäuscht. Jetzt finden Sie ein Haar in der Suppe. Wie reagieren Sie? Vielleicht weisen Sie die Bedienung freundlich und dezent darauf hin. Sie entschuldigt sich überschwänglich und bringt Ihnen umgehend eine neue Suppe. Oder Sie sagen sich, dass das jedem mal passieren kann, sehen einfach darüber hinweg und vergessen die Sache. Schließlich mögen Sie dieses Restaurant!

Was veranlasst Sie jeweils zu Ihrer Reaktion? Im ersten Fall ist es Gleichgültigkeit und im zweiten Empörung oder Ekel. Aber im dritten Fall ist es emotionale Verbundenheit – wahre Loyalität!

Wie bereits erwähnt, entsteht emotionale Verbundenheit zu einem Unternehmen fast immer im direkten menschlichen Kontakt. Die Mitarbeiter sind freundlich, lächeln uns an und tun alles, um uns behilflich zu sein. Sie sind so liebenswürdig und zuvorkommend, dass wir uns unwillkürlich fragen: Wer sind diese Leute? Wo findet man heute noch solche Mitarbeiter?

Warum sind uns solche Mitarbeiter vom ersten Augenblick an sympathisch? Weil sie den Kontakt mit ihren Kunden lieben! Natürlich bemerken wir auch sofort, wenn wir den Mitarbeitern gleichgültig sind. Wenn sie uns kaum beachten, unsere Bestellung verbummeln, uns mit irgendwelchen Vorschriften und Ausreden abspeisen wollen. Besonders ärgerlich ist es, wenn etwas schiefläuft und niemand bereit ist, die Verantwortung dafür zu übernehmen.

American Express führte eine Befragung mit 1620 Kunden durch. 63 Prozent erklärten: »Der Gedanke an einen guten Kundenservice lässt mein Herz höherschlagen.« Studien belegen: Solche Gedanken lösen dieselben Reaktionen im Gehirn der Kunden aus, wie wenn Menschen sich geliebt fühlen. Was wir daraus lernen? Beim Kundenservice kommt es nicht darauf an, was der Kunde denkt. Guter Service schlägt sich in Emotionen nieder.4

Eigentlich ist es gar nicht so schwer, seine Kunden zu begeistern. Kunden lieben es, wenn sie aufmerksam und zuvorkommend behandelt werden. Sie sind dankbar, wenn sie am Serviceschalter in ein fröhliches Gesicht blicken oder an der Hotline eine freundliche Stimme hören, die sich wirklich um ihr Anliegen kümmert. Wir sind so sehr an unfreundliche Gesichter und unpersönlichen Service gewöhnt, dass allein das Gegenteil schon für echte Begeisterung sorgen kann.

»Was könnte einen Kunden dazu bewegen, einer Marke über längere Zeit treu zu bleiben?« Diese Frage stand im Zentrum einer von Oracle in Auftrag gegebenen Studie. 73 Prozent der Befragten antworteten: »freundliches Personal oder Kundendienstmitarbeiter«. Denken Sie doch nur an Ihre eigenen Erfahrungen in Sachen Kundenservice. Ganz gleich, ob Sie besonders zufrieden oder sehr unzufrieden waren: Meist verbinden Sie das mit den Mitarbeitern, mit denen Sie es zu tun hatten.

Natürlich können uns auch die Produkte oder Dienstleistungen, die Bestellprozesse, die IT-Systeme, die Rechnungsmodalitäten, die Zahlungsmethoden oder die Preisstrukturen begeistern oder verärgern. Doch unsere Gefühle gegenüber einem Unternehmen werden fast immer von Menschen geprägt. Deshalb konzentrieren wir uns in diesem Buch auf die positiven Emotionen, die wir bei anderen wecken können, wenn wir eine echte menschliche Verbindung zu ihnen aufbauen.

Fördert Ihr Verhalten die Loyalität Ihrer Kunden? Und wie sieht es mit dem Verhalten Ihrer Mitarbeiter aus?

Der Bestsellerautor Fred Reichheld gilt als Vordenker im Bereich der Kundenbindung. Er ist Partner von Bain & Company. Für die international tätige Unternehmensberatung hat er das Modell der »Loyalty Practice« entwickelt. Fred Reichheld betont, wie wichtig Loyalität für das Wachstum und die Bilanzen eines Unternehmens ist. Worauf es dabei ankommt? Das erfahren Sie auf den folgenden Seiten. Wir machen Sie mit den drei zeitlosen, allgemeingültigen Prinzipien der Loyalität vertraut. Mit anschaulichen Beispielen zeigen wir Ihnen, wie Sie den Code der Loyalität knacken. Dabei gehen wir wie folgt vor: Zunächst erklären wir Ihnen, wie Sie Loyalty Leader (Teil I) werden. Anschließend bekommen Sie viele Tipps und Anregungen, wie Sie die drei Prinzipien der Loyalität (Teil II, III und IV) erfolgreich in die Praxis umsetzen und eine starke Verbundenheit zwischen Ihnen, Ihren Mitarbeitern und Ihren Kunden aufbauen. Diese Reihenfolge ist kein Zufall. Zunächst müssen Sie Loyalty Leader werden. Nur wenn Sie denken und handeln wie ein echter Loyalitäts-Champion, können Sie die drei Prinzipien der Loyalität auch mit Leben erfüllen.

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1. Kapitel

Werden Sie Loyalty Leader

»Es genügt nicht, wenn Ihre Kunden Ihnen ein ›Gefällt mir‹ geben. Ihre Kunden müssen Sie lieben.«

CATHERINE NELSON, FÜHRUNGSKRÄFTEBERATERIN

Wie wir die Welt um uns herum sehen und wie wir darauf reagieren, hängt von unseren vorherrschenden Denkmustern ab. Aber wie denken echte Loyalty Leader? Sie sind überzeugt:

Ich gewinne die Loyalität anderer, indem ich ihnen Empathie entgegenbringe, ihre Bedürfnisse erfülle und ihnen mit Großzügigkeit begegne.

Welche Vorstellung haben Sie ganz persönlich von Loyalität? Das wird wesentlich von Ihren Antworten auf die folgenden Fragen bestimmt:

Ist Loyalität ein zentraler Erfolgsfaktor?

Wer ist in erster Linie dafür verantwortlich, Loyalität zu wecken?

Wie können Sie die Loyalität Ihrer Kunden und Mitarbeiter gewinnen?

Warum ist Loyalität wichtig?

Im Auftrag des Coca-Cola Retailing Reseach Councils führte Franklin-Covey eine umfassende Studie durch.5 Im Mittelpunkt stand die Frage: »Warum sind scheinbar ähnliche Einzelhändler so unterschiedlich erfolgreich?«

Wir sammelten Daten von über 300 000 Mitarbeitern aus 1100 Filialen. Dabei berücksichtigten wir das Wettbewerbsumfeld jeder einzelnen Niederlassung. Diese Informationen haben wir mit Daten zu den Finanzen und zur Kunden- und Mitarbeiterloyalität abgeglichen. Was wir herausgefunden haben? Wir haben leistungsstarke Filialen ermittelt – keine Frage. Allerdings erinnerten unsere Erkenntnisse stark an einen nächtlichen Campingplatz: Vereinzelt leuchtete in der Dunkelheit ein Lagerfeuer auf. Das heißt: Es gab nur sehr wenige Filialen, die mit ihren Umsätzen, ihrer Rentabilität und ihrer Kunden- und Mitarbeiterloyalität aus der Masse hervorstachen. Bei diesen »Lagerfeuer-Filialen« loderte ein Feuer, das wir bei den anderen nicht fanden. Und wir stellten noch etwas fest: Die Kunden der Lagerfeuer-Filialen brachten diesen eine geradezu unglaubliche Loyalität entgegen.

Unsere größte und wichtigste Erkenntnis: Filialen mit hohen Werten in Sachen Kundenloyalität werden reich belohnt. Das zeigt sich auch an den Zahlen: Was wäre, wenn eine Durchschnittsniederlassung den Abstand ihrer Treuewerte zu den Lagerfeuer-Filialen nur um ein Viertel verringern könnte? Dann hätte das eine Steigerung der Gesamtrentabilität um 20 bis 30 Prozent zur Folge!

Aber wie schafft man das? Eins haben wir schnell bemerkt: Hohe Loyalitätswerte sind kein Zufall. Die Lagerfeuer-Filialen haben sich enorm darum bemüht. Was sie konkret unternommen haben, um die Loyalität der Kunden zu erhöhen? Das wird uns für den Rest dieses Buchs beschäftigen. So viel verraten wir Ihnen aber schon jetzt: Die Lagerfeuer-Filialen wissen genau, was ein gutes Einkaufserlebnis ist und wie es sich anfühlt. Das ist übrigens gar nicht so selbstverständlich, wie man vielleicht meinen könnte. Dies unterstreicht auch das Ergebnis einer Bain-Studie. Hier waren 85 Prozent der befragten Top-Manager felsenfest davon überzeugt, dass ihr Unternehmen ein »überragendes Einkaufserlebnis« bietet. Das Problem? Nur 8 Prozent der Kunden waren derselben Ansicht!6

Sind die Manager wirklich so realitätsblind? Vielleicht. Aber vielleicht definieren sie »überragendes Einkaufserlebnis« auch einfach nur anders als ihre Kunden. Vermutlich orientieren sie sich dabei an Kundenzufriedenheitswerten, die lediglich aussagen, wie viele Käufer nicht ausdrücklich unzufrieden sind. Ob das Einkaufserlebnis bei den Kunden wahre Begeisterung und eine tiefe Verbundenheit mit dem Unternehmen geweckt hat, wird allerdings nicht hinterfragt.

Natürlich ist jeder gute Unternehmer und jeder gute Manager bemüht, zufriedene Kunden zu haben. Doch dabei gehen viele von einer völlig falschen Annahme aus: Sie glauben, dass jeder Kunde, der nicht ausdrücklich unzufrieden ist, in den Genuss eines »überragenden Einkaufserlebnisses« gekommen und zu einem begeisterten Fan geworden ist. Aber nur weil Ihr Kind keine Fünfen und Sechsen nach Hause bringt, ist es noch lange kein guter Schüler. Zwischen »den Kunden nicht enttäuschen« und »die Loyalität des Kunden gewinnen« besteht ein meilenweiter Unterschied. Das zeigt auch das folgende Beispiel:

Eine große Hotelkette warb plakativ mit »94 Prozent Gästezufriedenheit«. Doch dann sah sich das Management das Ganze genauer an. Man wollte herausfinden, wie viele der Gäste tatsächlich loyal waren. Dabei stellte man fest: 94 Prozent Gästezufriedenheit bedeutete nur, dass 94 Prozent nicht ausdrücklich unzufrieden waren. Gerade einmal 18 Prozent fühlten sich dem Unternehmen wirklich verbunden. Das hatte gravierende Folgen: Während sich die Hotelkette stolz zum Sieger an der Kundenservicefront erklärte, gruben ihr die Wettbewerber fleißig das Wasser ab. Wie war das möglich? Die Wettbewerber taten alles, um die Kunden wirklich zu begeistern und wahre Loyalität aufzubauen. So konnten sie viele Gäste der Hotelkette abwerben und dauerhaft für sich gewinnen.

Selbst bei Ihren Stammkunden ist nicht gesagt, dass sie sich Ihrem Unternehmen gegenüber tatsächlich verbunden fühlen. Zudem spielen Stammkunden für die Profitabilität eines Unternehmens eine weitaus geringere Rolle, als häufig angenommen wird. Das bestätigt eine Harvard-Studie, bei der über einem Zeitraum von vier Jahren etwa 16 000 Kunden und Unternehmen befragt wurden. Das Ergebnis: »Rund die Hälfte der Kunden, die mindestens zwei Jahre lang regelmäßig bei einem Unternehmen einkauften und deshalb als ›treue‹ Kunden geführt wurden, brachten kaum Profit.«7

Dagegen sind wahrhaft loyale Kunden enorm profitabel. Die eben genannte Harvard-Studie kommt zu folgendem Schluss: »Kunden, die regelmäßig wiederkommen und dies mit einem Gefühl der tiefen Verbundenheit tun, bringen 120 Prozent mehr Profit als Kunden, deren ›Loyalität‹ sich nur in der Häufigkeit der Einkäufe zeigt.«8 Dies ist übrigens kein reines B2C-Phänomen. Es gilt genauso für den B2B-Bereich.

Wirklich loyale Kunden bekommen leuchtende Augen, wenn sie über ihr Lieblingsunternehmen sprechen. Sie sind nicht einfach nur Kunden. Sie sind Anwälte, Jünger, Aktivisten, Vorkämpfer, Fürsprecher, Freunde und Fans. Einer unserer Klienten erzählte uns: »Wenn Costco die Eröffnung einer neuen Filiale in meiner Stadt bekannt gibt, bin ich jedes Mal überglücklich!« Genau das ist die innere Einstellung, von der in diesem Buch die Rede sein soll. Ein derart loyaler und begeisterter Kunde erzählt seinen Freunden häufig Geschichten darüber, was er alles Tolles mit seinem »Unternehmen« erlebt hat.

Fred Reichheld von Bain & Company schreibt: »Kunden, die sich Ihrem Unternehmen tief verbunden fühlen, kommen häufiger zu Ihnen, kaufen mehr, schicken ihre Freunde zu Ihnen, geben wertvolles Feedback, verursachen geringere Kosten und achten weniger auf den Preis.« Überlegen Sie einmal, was es für Ihr Unternehmen bedeuten würde, wenn Sie viele wirklich loyale Kunden hätten!

Loyalität schlägt sich direkt in der Bilanz nieder. Reichheld bezeichnet wirklich loyale Kunden als »Promotoren« oder Verkaufsförderer. Natürlich kaufen sie selbst sehr viel. Doch sie stecken auch andere mit ihrer Begeisterung für einen Anbieter an. Die anderen werden dann ebenfalls Kunden, die oft und gerne bei diesem Unternehmen einkaufen.

Kunden, die nur aus Gewohnheit öfter bei einem Anbieter kaufen, nennt Reichheld »passive Kunden«. Kunden, die nur einmal kaufen und dann nicht mehr wiederkommen, bezeichnet er als »Detraktoren« oder Kritiker. In seiner detaillierten Studie belegt Reichheld, dass ein Promotor im Schnitt für ein Unternehmen viermal so profitabel ist wie ein Nichtpromotor. Wenn wir also über Ihr Betriebsergebnis sprechen, spielt Loyalität eine große Rolle. Aber wie schaffen Sie es, wirklich loyale Kunden zu gewinnen? Zunächst sollten Sie als Führungskraft Loyalty Leader werden. Was heißt das? Sie sollten so denken und handeln wie ein echter Loyalitäts-Champion. Zudem gilt es, die drei Kernprinzipien der Kundenbindung zu verinnerlichen und umzusetzen.

Wer ist dafür verantwortlich, Loyalität zu schaffen?

Der CEO, nicht wahr? Sicher spielt er eine wichtige Rolle. Don Ross, Vice Chairman der Autovermietungen Enterprise, National und Alamo, sagt: »Der CEO sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Er sollte ein Klima der Loyalität schaffen und einen vertrauensvollen Umgang mit allen Führungskräften pflegen, die für die Mitarbeiter an der Kundenfront zuständig sind.«

Die Autovermietung Enterprise bietet Mitarbeitern, die sich vorbildlich um Kunden kümmern, extrem gute Karrierechancen. Das Wohl der Kunden steht jedoch nicht nur im persönlichen Kontakt an oberster Stelle. Ob IT-Systeme oder Zahlungsmöglichkeiten: Man achtet überall genau darauf, es den Kunden leicht zu machen, mit dem Unternehmen ins Geschäft zu kommen. Auf alle diese Dinge kann der CEO Einfluss nehmen. Er bestellt gleichsam den Acker, um wirklich loyale Kunden an das Unternehmen zu binden. Doch ob es wirklich gelingt, treue Kunden zu gewinnen, hängt nicht in erster Linie vom CEO ab. Entscheidend sind die Mitarbeiter, die jeden Tag mit den Kunden zu tun haben. In einer groß angelegten CEB-Studie heißt es: »Die brillanten, von den Generälen in den Unternehmenszentralen entworfenen Schlachtpläne taugen nur so viel, wie die Hunderte oder Tausende von Fußsoldaten tatsächlich umsetzen können.«9 Doch Bain und Gallup stellen fest: Das Engagement der Angestellten und ihre Verbundenheit mit dem Unternehmen nehmen mit jeder Hierarchieebene, die wir uns vom CEO in Richtung der Mitarbeiter an der Kundenfront bewegen, ab! Das ist kein Wunder. Wer sind die Mitarbeiter, die der Kunde am Ende zu sehen bekommt und die den größten Einfluss auf sein Einkaufserlebnis haben? Häufig sind es ausgerechnet diejenigen mit der geringsten Bezahlung, der schlechtesten Ausbildung und der niedrigsten Motivation. In manchen Firmen beträgt die jährliche Fluktuation unter diesen Mitarbeitern über 150 Prozent. Wen wundert es da, wenn sie nicht alles daransetzen, enge und langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen? Oder um es mit den Worten von Shep Hyken zu sagen: »Das Einkaufserlebnis ist selten besser als das Mitarbeitererlebnis.«

Fred Reichheld hat in seinen langjährigen Studien nachgewiesen, dass Unternehmen besonders viele Promotoren unter ihren Kunden haben, wenn sich auch in den Reihen ihrer Mitarbeiter viele »Promotoren« finden.10 Diese Mitarbeiter sind echte Fans ihrer Firma. Sie erzählen anderen begeistert von dem Unternehmen und empfehlen es ihren Freunden, Verwandten und Bekannten weiter. Sie bleiben ihrem Arbeitgeber treu und kümmern sich mit vollem Einsatz und viel Energie um die Kunden. Kurzum: Die Promotoren unter den Mitarbeitern sind mit Abstand der wichtigste Faktor der Kundenbindung.

Viele Experten raten, »die Marketingstrategie auf Markenbotschafter auszurichten und dafür zu sorgen, dass sie das Unternehmen weithin bekannt machen … Dabei denkt man unweigerlich an einflussreiche, bekannte Persönlichkeiten, die dafür bezahlt werden, dass sie Werbung für ein Produkt oder eine Marke machen. So beliebt das Influencer-Marketing heutzutage sein mag – auch gewöhnliche Kunden und Mitarbeiter können Markenbotschafter sein.«11

Natürlich hängt Ihr Unternehmensgewinn von vielen komplexen Variablen ab. Doch Ihre Mitarbeiter an der Kundenfront spielen eine entscheidende Rolle. Im Rahmen unserer Arbeit bei FranklinCovey haben wir zwei besonders wichtige Dinge herausgefunden:

1.Kunden empfinden nur selten eine tiefe Verbundenheit zu einem Unternehmen, dessen Mitarbeiter ihre Arbeit nicht mit Herz und Seele ausüben.

2.Das Verhalten der Mitarbeiter, die im direkten Kundenkontakt stehen, ist meist der ausschlaggebende Faktor für Loyalität.

Wir haben etliche Niederlassungen von großen Handels- und Dienstleistungsketten analysiert. Die Kunden der erfolgreichsten Filialen erwähnten regelmäßig die »hilfreichen und freundlichen Mitarbeiter«. Sie berichteten, welche Vorteile sie hatten, wenn die Mitarbeiter engagiert waren und mitdachten. Beispielsweise wurden Dinge wie mehr Sauberkeit, geringe Wartezeiten oder schnellere Lieferungen genannt.

Dass ein Mitarbeiter mit seinem Job »zufrieden« ist, bedeutet allerdings nicht, dass er aktiv zur Verbesserung der Kundenbindung beiträgt. Wir haben die Mitarbeiter von mehreren tausend Filialen nach ihrer Jobzufriedenheit gefragt. Die Ergebnisse der Befragung haben wir in Relation zu den Kundenloyalitätswerten der jeweiligen Filialen gesetzt. Zu unserer Überraschung hatte das eine mit dem anderen nur wenig zu tun. Mehr noch: Filialen mit besonders zufriedenen Mitarbeitern hatten teilweise erstaunlich niedrige Kundenloyalitätswerte.

Unser Partner Dick Rennecamp hatte die Idee, den Mitarbeitererhebungsbogen zu erweitern. Die Mitarbeiter sollten auch gefragt werden, ob sie den Kundenloyalitätswert ihrer Filiale kennen. Dicks Hypothese lautete: Wenn die Mitarbeiter den Kundenloyalitätswert nicht kennen, sind sie auch nicht motiviert, ihn zu verbessern. Dieses Phänomen kann man auf jedem Basketballfeld in einem öffentlichen Park beobachten: Wenn die Basketballer den Punktestand nicht kennen, spielen sie nicht mit vollem Einsatz. Doch das ändert sich schlagartig, sobald die Punkte gezählt werden.

Dicks Annahme war richtig: In 41 Prozent der 3500 Niederlassungen, die wir analysiert hatten, kannten die Mitarbeiter den Kundenloyalitätswert. Hier gab es eine direkte Korrelation zwischen Mitarbeiter- und Kundenloyalität. Bei den restlichen 59 Prozent der Filialen war das nicht der Fall. Was lernten wir daraus? Um die Kundenloyalität zu steigern, genügt es nicht, wenn die Mitarbeiter Spaß an ihrer Arbeit haben. Sie müssen sich auch aktiv um das Wohl der Kunden kümmern. Vielleicht lieben Mitarbeiter ihren Job, weil sie gutes Geld dafür bekommen und den ganzen Tag mit ihren Kollegen plaudern können. Doch das muss sich noch lange nicht positiv auf das Einkaufserlebnis der Kunden auswirken.

An wem liegt es also, die Mitarbeiter zu motivieren, das Beste für die Kunden zu geben? Vielleicht denken Sie jetzt: »Natürlich an ihrem Vorgesetzten!« Ohne Frage ist der Teamleiter hier der Dreh- und Angelpunkt. Aber was machen Sie, wenn Ihrem Vorgesetzten die entsprechende Motivationskraft fehlt? Können Sie selbst etwas für die Verbesserung der Kundenloyalität tun? Die Antwort ist ein klares »Ja«. Hier können Sie sogar an zwei Hebeln ansetzen:

Der erste Hebel ist Ihr eigener Umgang mit den Kunden.

Der zweite Hebel ist die Art und Weise, wie Sie mit Ihren Teamkollegen interagieren.